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Kontaktmikrofone an Solaranlagen

Forscher haben eine Methode erkundet, mit der die Geräuschverschmutzung unserer Umwelt und Popmusik die Solarenergie effizienter machen können.

Triac/Josh Sisk

Schließ einmal kurz die Augen und hör einfach nur zu. Dir wird schnell klar werden, wie laut die uns umgebende Umwelt eigentlich ist, selbst wenn du, wie ich gerade, tagsüber in einer Bar rumsitzt: Fußball im Fernsehen, die übernatürlich laute Stimme des Barkeepers, einige leisere Unterhaltungen, der gedämpfte Straßenlärm und das Waschen dreckiger Gläser hinter der Bar. Die verstreuten Klänge, die wir hören, sind letztlich auch nichts anderes als Luftpartikel, die sich in den bewohnteren Teilen unserer Erdatmosphäre bewegen. Einige dieser Teilchen mögen bedeutsame Geräusche oder Nachrichten übertragen, die von deinen Ohren und deinem Gehirn dann dekodiert werden können, aber die meisten von ihnen enden schließlich wieder als zerstreute Energie.

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Aber vielleicht müssen Umgebungsgeräusche nicht vollständig verschwendet werden. Zumindest wenn es nach Steve Dunn, einem Experten für Nanomaterialien, und James Durrant, einem Photochemiker an der Londoner Queen Mary Universität geht. Sie arbeiten an einer Methode mit der sie Umweltgeräusche instrumentalisieren wollen, um Solarzellen effizienter zu machen.

Wir brauchen dringend effizientere Zellen, denn egal wie viel sauberer Solarenergie im Vergleich zu konventionellen Energiequellen auch sein mag, die Technologie ist immer noch um Längen weniger effizient als Kohle und Öl. Auch die heutigen im Laden erhältlichen hochmodernen monokristallinen Solaranlagen erreichen höchstens einen Effizienzgrad von 20 Prozent. Angenommen das Reduzieren der verschwendeten Anteile der Solargleichung—bei denen es sich vor allem um Hitze handelt—speist sich nicht aus unersetzbaren Materialien oder klimaschädigenden Stoffen, dann lässt jeder Fortschritt auf diesem Feld, das Verbrennen dinosaurier-alter Fossilien noch absurder aussehen.

An dieser Stelle sollten wir vermutlichen kurz dein Wissen über die Funktion von Solarzellen auffrischen. Es gibt da einen Bogen bzw. eine Platte aus einem Material, welche voller Elektronen ist, denn so ist das nunmal mit jeglicher Materie: Protonen und Neutronen werden umkreist von einem Haufen Elektronen, die vor und zurück sausen und zu anderen Atomen springen. In manchen Atomen interessieren sich die Elektronen mehr für das Wechseln zwischen den Atomen, und dann hast du einen Leiter, ein Material, welches gut geeignet ist um Atome weiterzugeben. Die Bewegung und der Fluss der Elektronen auf einem Material ergeben Strom, und damit kannst du eine industrielle Gesellschaft erstmal schon recht gut am Laufen halten.

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Unser lokaler gelber Zwerg kann Strom durch den photovoltaischen Effekt induzieren. Photonen, die von der Sonne aus auf uns zurasen, krachen in ein Material wie Silizium und bringen Elektronen dazu aus ihrer Position zu springen. Daraus entsteht, dass was wir als Exziton kennen, ein plötzlich flüchtiges Elektron und das Loch, was es hinterließ. Ein Exziton hat neue Energie, die es von dem eingehenden Photon aufgenommen hat. Bei dieser Reaktion geht meist Wärme verloren, und diese ist in einem gewissen Sinne alles was wir bisher wertschätzen. Statt dem Zurückfallen des Elektrons in seine Position, könnte es aber auch in einem Schaltkreis gehalten werden. Und wenn du genau dies ziemlich oft machst, dann wird dieser Kreis Strom leiten. Und da hast du sie: Solarenergie.

Untrennbar mit der Mission der Effiziensteigerung von Solaranlagen ist das Materialproblem verbunden. Einkristallene und polykristalline Zellen aus Silizium sind teuer und fragil. Monokristalline Zellen am hochwertigeren Ende des Energiespektrums, werden aus Siliziumkristallen hergestellt, die kultiviert werden müssen und dann in ultradünne Waffeln geschnitten werden müssen. Klingt ziemlich cool, aber es gibt auch noch andere Materialien da draußen.

Das zusammengesetzte Zinkoxid (ZnO)—auch bekannt von Zigarettenfiltern, Nahrungsmittelzusätzen und Rostschutzmitteln—ist eines dieser Materialien und es scheint im Überfluss verfügbar. ZnO wird verwendet als eine Hülle oder ein Zusatz zu flexiblen, transparenten polymerischen Stoffen, und um den photovoltaischen Effekt in Materialien festzuhalten, die anderweitig nicht wirklich Energie leiten würden. Als Technik zur Aufnahme von Solarenergie liefert uns das Verfahren aber nach wie vor nur einen Effizienzgrad von 1%.

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Es stellt sich heraus, dass dieser Prozess so einiges mit der uns umgebenden Geräuschkulisse zu tun hat. Klang kann nämlich scheinbar Elektronen lockern, und die aktuelle Effizienz um 50 Prozent erhöhen, was kein bombastischer aber doch ein wichtiger Schritt sein könnte. Es macht daher durchaus Sinn, Klang und Effizienz miteinander in Verbindung zu bringen. Der Plan der Forscher Dunn und Durrant Plan lautet folgendermaßen: Zusätzlich zu seinen Fähigkeiten im Leiten von Strömen in Solarenergie-Schaltplänen, kann ZnO auch aufgrund seiner piezoelektischen Eigenschaften nützlich sein.

Kontaktmikrofone für Solaranlagen

Sollte der geneigte Leser jemals Klang durch Elektrizität lauter gemacht haben, dann verstünde er bereits ein bisschen was über Piezoelektrizität—beziehungsweise das Gerät, welches kurz als „Piezo", oder Kontaktmikrofon bekannt ist. Vereinfacht gesagt: Wenn du Druck oder Spannung auf bestimmte Materialien ausübst, dann entwickeln sie einen Polaritätswandel. Solltest du also bestimmte Materialien an eine sich bewegende Quelle halten, dann ist es möglich dieses Aufeinandertreffen in Elektrizität zu konvertieren. Ich könnte zum Beispiel irgendein billiges Gerät gegen eine Eisenbahnschiene schlagen oder gegen den Steg eines Musikinstruments und das ganze verstärken.

Ein Querschnitt der Zinkoxid-Polymer-Verbindung (P3HT) (Bildrechte: material/Advanced Materials)

Die Entdeckung der Forscher, die in der Zeitschrift Advanced Materials veröffentlicht wurde, ist es nun, dass durch das Abfeuern von Klang auf Solarzellen, in denen kleine ZnO-Nanostäbchen stecken, pioezoelektrischer Strom generiert wird. Und dieser Prozess sorgt für eine erhebliche Verbesserung des photovoltaischen Effekts—allerdings abhängig von dem verwendeten Sound.

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„Wir glauben, dass die Vibrationen des Klangs die Zinkoxid-Stäbchen in unseren Solarzellen zum Biegen brachten, was eine kleine Spannung über jedes der Nanostäben schickte.“ sagte Durant in einem Interview. „Dies wiederum bringt die Solarzellen dazu effizienter zu arbeiten. Sie helfen die Ladungen in den Zellen zwischen den Elektronen und den Löchern getrennt zu halten.“

Die Abbildung zeigt, wie akustische Vibrationen den photovoltaischen Effekt eines P3HT/ZnO Nanostabes in einer Solarzellen, um bis zu 45% steigern.

Neben eher wissenschaftlichen Klangquelle wie Sinusfrequenzen oder einfachen Ambientklängen, testeten die Forscher eine Bandbreite populärer Musik an den Solarzellen: „Adele, Beethoven, und persische Musik. Die Effizienz der Anlage schien am höchsten bei Adele—allerdings haben wir dies definitiv nicht im Rahmen eines objektiven Experiments getestet,“ berichtete Durrant.

Wir sollten diesen Teil ihrer Forschungsarbeit über sich verbindende Piezoelektronik und Photovoltaiktechnik eher als Bonus verstehen. Die weiteste Frequenzspanne, welche auf die brutalste Weise vorgetragen wurde, sollte den größten tatsächlichen Effekt auf die Effizienz haben. Und so sollten wir also annehmen, dass eine ohrenbetäubende Dosis Merzbow—in einem absurden ökologischen Twist— wohl besonders gut für die Umwelt wäre.

Selbstverständlich ist das laute Abspielen irgendwelcher sonischer Quellen in Richtung einer Solarzelle, so ungefähr das Gegenteil von Effizienz. Alleine das Betreiben der Lautsprecher braucht mehr Energie, als du dafür durch eine Steigerung zurück bekommst. Aber die allgemeinere Forscheridee ist ja auch, dass dieses System sich jene Art von Klang zu Nutze macht, über die wir vorhin sprachen: Die in unserer Umgebung vorhanden Sounds. „Die Wirkung wäre wohl am stärksten in Umgebungen mit konstantem Geräuschpegel, so wie an einer Maschine oder Straße,“ sagte Durrant. Mit anderen Worten: Eine ideale Technologie für eine industrialisierte Gesellschaft.