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Umprogrammierte Atmung dank Lungen-Hacking

Forscher haben eine Methode zur Einpflanzung umgewandelter künstlicher Lungenzellen entwickelt. Es ist das vielleicht realistischste Hi-Tech-Biohacking, was der Menschheit heute zur Verfügung steht.

Mit der uns angeborenen dreisten Undankbarkeit nehmen wir Menschen eine gesunde Lunge als selbstverständlich hin. Und natürlich erwarten wird von unserem Atmungsorgan auch noch im Angesicht der verdreckten Umwelt eine einwandfreie Leistung: Abgase, Zigarettenrauch, radioaktive Gase (und damit meine ich noch nicht einmal die Panikmacher im Zuge der Fukushima-Katastrophe), und tonnenweise Schnodder, der nur darauf wartet seine Infektionen an den Mann und die Frau zu bringen. Doch deine Lunge funktioniert einfach stur weiter—bis zu dem katastrophalen Zeitpunkt an dem sie plötzlich doch die Arbeit einstellt: Lungenkrebs, Emphysem, zystische Fibrose mit Lungenmanifestationen oder chronische obstruktive Lungenerkrankungen; ein unerfreuliches Knäuel an Diagnosen, die alle darauf hinauslaufen dir in unterschiedlicher konkreter Ausgestaltung langsam deine Fähigkeit zum Atmen zu nehmen.

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Dass du dennoch so gut zurecht kommst, liegt vor allem auch an dem geballten Potential deines Lungengewebes—den vielleicht am höchsten entwickelten Zellen deines Körpers. Andererseits macht es genau diese Komplexität und Fähigkeit äußerst schwierig neue Lungenzellen im Labor zu kultivieren. Während es Wissenschaftlern erfolgreich gelungen ist Gewebe vom Herz, Leber, Darm, der Bauchspeicheldrüse und Nervenzellen künstlich zu genieren, scheint die Herstellung von Lungengewebe immer noch ein Szenario aus einer entfernten Zukunft zu sein. Am vergangen Wochenende nun hat jedoch ein Forscherteam der Columbia University in der Zeitschrift Natur Biotechnology ihre Ergebnisse der ersten erfolgreichen Produktion von Lungenzellen aus Stammzellen eines menschlichen Embryos präsentiert. Natürlich haben sie auch gleich ihr entsprechendes Patent zur Hand gehabt.

Menschliche Stammzellen nach ihrer Ausdiffernzierung in potentielle neue Lungenzellen / Columbia University

Diese Entwicklung sollte dich mehr interessieren als du vielleicht meinst. Biotechnologie erweitert deine Lebenszeit momentan viel vehementer als Ray Kurzweil oder Träume vom Gehirn-Upload. Viele der aktuellen Fortschritte haben mit Stammzellen zu tun und den Möglichkeiten unterschiedlichstes Gewebe aus nur einer Zelle zu kultivieren. Und diese Zellen stellen dann letztlich Material dar, welches genetisch dem Patienten selbst gehört und nicht erst gespendet werden muss. Das Versprechen der Stammzellentechnologie gilt heute mehr denn je. Auf diese Weise wird die Gefahr des Abstossens der Zellen durch den Körper reduziert, denn der ist sonst ziemlich gut darin, alles Fremde, wie eine gespendete Lunge und ein Transplantat, abzulehnen.

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Letztlich sind die Prozesse der angewandten Stammzellenforschung näher an Biohacking als vieles was sich sonst heutzutage diesen Namen gibt. Der führende Autor der Studie, Hans-Willem Snoeck, erklärte in vergangene Woche Schritt für Schritt wie ihr Lungenersatz funktionieren wird:

„Zunächst einmal werden erwachsene Haut- oder Blutzellen zu pluripotenten Stammzellen umprogrammiert, ähnlich den Embryo-Stammzellen—für die Erforschung solcher induzierter pluriponter Stammzellen (IPS) wurde auch der letztjährige Nobelpreis verliehen. Im zweiten Schritt werden diesen Zellen in Lungenzellen konvertiert, was der besondere Erfolg unserer Forschung ist. Und im dritten Schritt müssen die Zellen in die Spenderlunge eingepflanzt werden. Möglicherweise können dafür sogar Schweinelungen genutzt werden, aus denen schließlich alle Zellen des Spenders entfernt werden.“

Es werden also genau genommen zwei Hacking-Aktionen durchgeführt. Zunächst die Umprogrammierung einer spezifischen Zelle in eine generische Stammzelle, und anschließend die Umwandlung der Stammzelle in eine Lungenzelle. Zum krönenden Abschluss lässt du die neuen gesunden Zellen wahlweise in einer Spender- oder Schweinelunge wachsen, die einen gewissen Rahmen für das neue Lungengewebe bietet. Hans-Willem Snoeck betont das keiner dieser Schritte so einfach ist, wie er sich vielleicht anhören mag.

Idealerweise kommt der beschriebene Prozess in Zukunft auch noch ohne die Spender- oder Schweinelunge aus, und liefert direkt transplantierbares Gewebe. „Dies ist etwas was wir anstreben und versuchen.“ merkt Snoeck an. „Die Herausforderung ist folgende: Wir müssen einen Weg finden unsere Zellen in eine verletzte Lunge einzupflanzen ohne den Patienten zu töten. Ich sprechen von töten, da wir zunächst einige der kranken Zellen entfernen müssen, und dies ist alles andere als ein trivialer Eingriff. Desweiteren hat die Lunge eines Erwachsenen ihre eigenen pulmonal spezifischen Stammzellen zur Reparatur einer Lunge im Falle eines Schaden. Ohne diese Zellen würde beispielsweise jede Erkältung tödlich verlaufen. Wir versuchen diese Stammzellen der Lunge aus IPS-Zellen zu genieren und hoffen einen Weg zu finden die Zellen zu verankern.

Gegen den Körper arbeiten, um den Körper zu retten.