Was bedeutet es, etwas zu wollen? Momentan wird viel über “Verlangen” gesprochen, vor allem über das “weibliche Verlangen”. Doch die Romantik dieses Begriffs verschleiert die reale Auseinandersetzung mit dieser Empfindung, ihrer Unmittelbarkeit und ihrer Unkontrollierbarkeit. Ein Verlangen erzeugt den Eindruck einer Andeutung, die ebenso sinnlich und vage wirkt. Etwas zu wollen, ist dagegen kühn und direkt – oder zumindest wirkt es so.
Ganz so einfach wie diese Emotion klingt, ist sie aber nicht. Was, wenn du etwas willst, das dir “schadet”? Was, wenn du gleichzeitig zwei entgegengesetzte Dinge willst? Wenn du verstehst, warum du etwas willst, aber auch weißt, dass es schlecht für dich ist? Wenn du verstehst, welche psychologischen und soziologischen Einflüsse hinter deinen Wünsche stecken, von denen du weißt, dass du sie nicht haben solltest, aber dennoch hast?
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The Incest Diary sind die anonymen Memoiren einer Frau, die diese Woche beim New Yorker Verlag Farrar, Strauß and Giroux erschienen sind und viele Fragen aufwerfen, ohne sie beantworten zu wollen. Das dünne Büchlein schildert ebenso erdrückend ruhig wie brutal klar Situationen aus dem Leben der Autorin, die im Alter zwischen drei und 21 Jahren von ihrem Vater missbraucht wurde. Die aufwühlendsten Momente sind allerdings nicht die schrecklichen und oftmals gewalttätigen Beschreibungen der Vergewaltigungen. Es sind die körperlichen und seelischen Qualen, denen die Autorin ausgesetzt war, weil sie ihren Vater “wollte”.