Es ist nicht so einfach, sich im Begriffsdschungel von Pegida, „Asylgegnern” und allen anderen Verwirrten da draußen zurechtzufinden. Nicht nur dass die Freunde eines gepflegten Flüchtlingsheimbrandes gerne Neologismen wie „Geburtendschihad” oder „Rapefugees” schaffen, nein, sie reißen auch ab und an Begriffe an sich, die dann im eigenen hassenden Umfeld zu Codewörtern werden, mit denen unliebsame Menschen oder Bevölkerungsgruppen benannt werden.
Den ersten Teil von A wie Asylirrsinn bis M wie Merkel findet ihr hier.
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N wie Nordafrikaner
Spätestens seit der Silvesternacht in Köln sind „Nordafrikaner” zum Pars pro toto des vergewaltigenden, kriminellen und schreckenverbreitenden „Flüchtlingshorden” geworden (siehe auch: Heer, Rapefugees). Ganz Österreich hat plötzlich den Frauenrechtler in sich entdeckt und Bürgerwehren bilden sich, die durch die Innenstädte ziehen wollen. So sehr man hoffen kann, dass alle diese Taten aufgeklärt werden (die Chancen sind gering), so wenig hilft es, eine bestimmte Menschengruppe als Sündenbock auszumachen.
Auch mit N: Nazikeule
O wie Obdachlose
Österreich ist durch die Flüchtlinge nicht nur zu einem Land der Feministen geworden, sondern auch zu einem Land voller Menschen, die sich für Obdachlose engagieren. Also österreichische Obdachlose, natürlich. Auf Facebook lässt sich das sehr schön erkennen, wenn unter jeden Artikel, in dem es um Flüchtlinge geht, mindestens eine Person postet: „ABER WAS IST MIT DEN OBDACHLOSEN!!! DIE MÜSSEN WEITER AUF DER STRASSE LEBEN!!” Es tut mir furchtbar leid, wenn ich mit diesem Artikel ab und zu wiederholen muss (dieses Alphabet hat verdammt viele Buchstaben), aber: Die Dinge sind nicht schwarz und weiß und mit einfachen und geschlossenen Weltbildern kommt man nicht weiter. Menschen leben aus vielen, vielen Gründen auf der Straße. Manche nehmen Drogen oder sind Alkoholiker, andere haben Probleme mit Wohnungen oder Familie. Bei manchen kommt alles zusammen. Diese Menschen würden genauso auf der Straße leben, wenn es keine Flüchtlinge gäbe. Davon mal ganz abgesehen stellt sich heraus, dass Obdachlose weit weniger gegen Flüchtlinge haben als der durchschnittliche Pegida-Gänger und gleichzeitig Hilfseinrichtungen durchaus auch parallel für Flüchtlinge und Obdachlose nutzbar sind.
Auch mit O: Obergrenze
P wie Pack
Pack ist eine abwertende Bezeichnung für eine Menschengruppe. Mann kann das Wort beispielweise so benutzen: „Alle Flüchtlinge sind Pack.” „Werner Faymann und sein Politikerpack.” „Ich hasse dieses Gutmenschenpack.” Als Pack kann man aber auch Leute bezeichnen, die nichts anderes zu tun haben, als zukünftige Flüchtlingsunterkünfte anzuzünden. Das hat in Deutschland Sigmar Gabriel im Sommer getan. Daraufhin hat sich die Asylgegner-Gemeinde den Begriff angeeignet und läuft jetzt mit „Wir sind das Pack”-Shirts und -Transparenten zu Pegida und anderen sozialen Anlässen, wo man dem eigenen Hass so richtig freien Lauf lassen kann. Wo sie Recht haben, haben sie Recht.
Q wie Qualifizierte Fachkräfte
Österreich wird sterben. Schließlich leben allein in Wien jetzt schon über 27 Prozent ausländische Staatsangehörige. Gleichzeitig wird es immer mehr alte Menschen geben und immer weniger jüngere. Damit geht ein Problem für den Arbeitsmarkt einher, das sich heute schon abzeichnet. In Österreich waren 2014 knapp 62.400 Stellen nicht besetzt. Dass dieser Mangel durch die Ankunft von Geflüchteten nicht ausgeglichen werden kann, ist schon seit Längerem klar. Man kann jedoch davon ausgehen, dass Kinder, die jetzt anfangen, in Österreich zur Schule zu gehen, irgendwann dabei helfen können, die Schieflage abzufangen. Und dann passiert, was immer passiert: Irgendwas war zu kompliziert für die Asylgegner. In der bräunlichen Fantasiewelt von Pegida versuchen die Medien und die Politik, uns allen weiszumachen, dass jeder Flüchtling eine qualifizierte Fachkraft sei. Und das führt jetzt dazu, dass Fans von Pegida und Konsorten unter jeden Artikel, in dem es um Kriminalität von Nicht-Österreichern geht „Aha, das sind also die qualifizierten Fachkräfte!!!” posten.
Auch mit Q: Quote
R wie Rapefugees
Pegida-Gründer Lutz Bachmann ist auf dem Weg zur Fashion-Ikone. Schon immer bewies er ein Händchen für kreative, manche würden sagen volksverhetzende, Outfits. Kurz nach den Übergriffen gegen Frauen in der Silvesternacht tauchte er mit einem „Rapefugees not welcome“-Shirt auf seiner Demo auf, möglicherweise um ein Zeichen für Frauenrechte und gegen Sexismus zu setzen, wie es auch andere Pegida-Teilnehmer seitdem tun.
In der echten Welt handelt es sich hierbei aber eher um eine platte Verallgemeinerung, wie sie in asylkritischen Kreisen üblich ist. Vielleicht liegt es an der eigenen Propaganda (s.a. Heer), aber die Fähigkeit, zwischen einzelnen Menschen zu unterscheiden, scheint den Asylkritikern vollständig abhanden gekommen zu sein: Wenn es nach ihnen geht, ist jeder Flüchtling ein Vergewaltiger. Dass man mit der gleichen Logik davon ausgehen kann, dass jeder Österreicher ein flüchtlingsheimanzündender Hetzer ist, muss man gar nicht mehr erwähnen.
Auch mit R: Rote SA
S wie SA/Antifa
Zu den vielen, vielen Dingen, die Asylkritiker und Pegida-Gänger nicht so ganz richtig verstanden haben, gehört auch die Meinungsfreiheit. Natürlich kann jeder seine Meinung haben und sie auf so vielen fremdenfeindlichen Veranstaltungen, wie man sich nur vorstellen kann, herumposaunen. Aber zur Meinungsfreiheit gehört genauso, dass man Leuten mitteilen kann, wenn ihre Meinung eher suboptimal ist. Das machen Gegendemonstranten bei FPÖ-Veranstaltungen, bei Pegida und Ablegern und vor Flüchtlingsheimen, wo „besorgte Bürger” ihr Missfallen gegen Menschenrechte ausdrücken. Jede Form von Widerstand ist für Asylgegner allerdings bereits Linksextremismus und wer steckt dahinter? Die Antifa natürlich. Für den besorgten Bürger ist „die Antifa” nicht nur der Grinch, der ihnen auch noch das letzte Pogrom madig machen will, sondern auch eine diffuse von Medien und Politik gesteuerte Institution. Irgendwann hat dann auch jemand den Begriff „antideutsch” aufgeschnappt und messerscharf kombiniert, dass das ja alles nur eines bedeuten kann, nämlich die Abschaffung des deutschen „Volkes”. Seither ranken sich Verschwörungstheorien (s.a. Demogeld) um die Aktivitäten der Antifa, von Stundenlöhnen wird gesprochen und mysteriösen Reisebussen, die Berufsdemonstranten direkt aus dem Innenministerium zu Gegendemos transportieren. Dass das alles nichts mit der Realität zu tun hat, die Antifa keine bundesweite Organisationsstruktur hat und kein eingetragener Verein ist, stört die Aslygegner nicht. Dazu kommt, man sich selbst auf der richtigen Seite sieht und natürlich kein Neonazis sein will (s.a. „Ich bin ja kein Nazi, aber”). Deswegen ist auch ganz klar: Die anderen müssen die Nazis sein (einer ist ja immer der Nazi). „Die Antifa” mit der SA gleichzusetzen, ist da nur die logische Konsequenz.
Auch mit S: „sexuell bereichern”
T wie Tierschutz
Besorgte Bürger lieben arme, heimische Menschen (s.a. Obdachlose), Schulsport (s.a. Asylirsinn) und natürlich Tiere. Das ist praktisch, denn sobald es darum geht, wie man Flüchtlingen helfen könnte, wo man sie unterbringen kann oder wie Integration verbessert werden kann, fragt der dialektisch geschulte Asylkritiker: „Aber was ist mit den Obdachlosen? Dem Schulsport? Den Tieren?” Diese Taktik kennt man aus dem Kalten Krieg als Whataboutism. Dabei geht es darum, jedes Argument mit einer Gegenfrage als ungültig zu erklären und eine Diskussion im Keim zu ersticken. Also zum Beispiel: „Homosexuelle werden in Russland unterdrückt.” „Aber was ist mit Homosexuellen im Iran? Die werden an Kränen aufgehängt.” Das mag zwar stimmen, aber genausowenig wie Mittel für eine Asylunterkunft etwas mit einem Tierheim um die Ecke zu tun haben, ist die Situation von Homosexuellen im Iran und in Russland vergleichbar.
Auch mit T: Terroristen
U wie Umvolkung
Obwohl man doch so großen Wert darauf legt, sich vom Nationalsozialismus abzugrenzen (s.a. „Ich bin ja kein Nazi, aber”), ist das Vokabular von Pegida und anderen Wutbürgerclubs (überraschenderweise) auch geprägt von NS-Begriffen. Neben „Lügenpresse”, „Volksverräter” und „Überfremdung” gibt es auch noch „Umvolkung”, ein Begriff, mit dem im Nationalsozialismus beschrieben wurde, wie Bevölkerungsgruppen in zum Teil neueroberte Gebiete umgesiedelt wurden, um eine Art ethnische Einheitlichkeit zu erreichen. Heute benutzt die asylkritische Avantgarde von FPÖ (Karl Schnell), Pegida (Tatjana Festerling) und Verschwörungstheoretikern (Udo Ulfkotte) den Begriff und will damit sagen, dass die Regierung/die Asylindustrie/die NWO (s.a. Jude, der) daran arbeitet, das „deutsche Volk” zu ersetzen oder zu „durchmischen”. Warum das angeblich passiert, bleibt wie zu erwarten unklar, passt aber perfekt in die Welt der besorgten Bürger, in der auf der einen Seite „das Volk” und auf der anderen Seite all die stehen, die nicht „das Volk” sind.
Auch mit U: Unzensuriert
V wie Volksverräter
Volksverräter ist ein total praktischer Begriff (aus dem Nationalsozialismus), den man immer gegen jeden benutzen kann, der einem nicht in den Kram passt. Gegendemonstranten (s.a. SA/Antifa), Politiker im Besonderen (s.a. Merkel) und Allgemeinen, Medien (s.a. Lügenpresse) und alle anderen, die einfach nicht dieselben Ansichten haben wie man selbst. Die Bösen sind eben immer die Anderen, während man selbst zum „Volk” gehört, das verraten wurde. Das ist nicht nur problematisch, weil dieses Weltbild nur schwarz und weiß zulässt, sondern auch, weil es ja auch noch andere Parteien gibt, die vielleicht nicht ganz so fürchterlich sind wie die Verräter, aber auch nicht zum „Volk” gehören. Zum Beispiel Migranten, Flüchtlinge oder „Passösterreicher”. Hallo, Rassismus, wir haben dich schon vermisst.
Auch mit V: Volk, Vertuschung, Verabschiedungskultur
W wie Wirtschaftsflüchtlinge
Es gibt ja bekanntlich gute und böse Flüchtlinge. Die guten kommen aus dem Bürgerkrieg und sollten im Idealfall auch gerne ein Bein oder einen Arm verloren haben, gekleidet sind sie in Lumpen und sie haben um Gottes Willen kein Smartphone. Alle anderen sind Wirtschaftsflüchtlinge. Zum Beispiel die aktuell etwa 400.000 Auslandsösterreicher, die etwa in der Schweiz, Deutschland oder in Großbritannien arbeiten, weil sie hierzulande keine Arbeit finden. Alles Wirtschaftsflüchtlinge. Tatsächlich ist „Wirtschaftsflüchtling” ein Kampfbegriff, den niemand wirklich grundlegend definieren kann. Fluchtursachen sind fließend und vielfältig. Einige Experten gehen zum Beispiel davon aus, dass der Bürgerkrieg in Syrien unter Umständen mit dem Klimawandel zusammenhängt. Wirtschaftliche Gründe sind oft ein Aspekt bei Flucht und gleichzeitig ist es kein besonders stilvoller Move, eine benachteiligte Gruppe gegen ein andere, aus minimal unterschiedlichen Gründen benachteiligte, gegeneinander auszuspielen.
Auch mit W: Willkommenskultur
X wie Xavier Naidoo
Manchmal fügen sich die Teile des Puzzles einfach zusammen. Da gibt es diese Person, bei der man ob ihrer furchtbaren Musik schon immer eine Ahnung hatte, dass da irgendwas nicht stimmen kann. Und dann sind da diese Veranstaltungen, wo sich Deppen treffen, um sich die Welt mit ihren Verschwörungstheorien zu einem James-Bond-Film spannend zu reden. Und irgendwann kommt dann alles zusammen. Xavier Naidoo tritt in Mannheim bei einer Montagsmahnwache auf. Endlich kann man nun sagen, es ist zusammengekommen, was zusammengehört.
Auch mit X: Xenophobie
Y wie YouTube
Die YouTube-Universität ist möglicherweise die größte Bildungseinrichtung des Landes, gar der Welt. Millionen glücklicher Absolventen beweisen, dass Fakten total überbewertet sind. YouTube bietet alles, was das Flüchtlingshasserherz begehrt. Ohne Mehrkosten kann man gleich noch eine Ausbildung als Verschwörungsideologe mit ranhängen. Ein paar Minuten auf YouTube reichen und man hat genug Gesprächsthemen für den nächsten Pegida-Abend: Angela Merkel plant schon ihre Flucht nach Paraguay (vielleicht ist ja auch Beatrix von Storch ein Alumni), Eva Herman erklärt, wer die Flüchtlinge steuert, Udo Ulfkotte, wann denn nun endlich der Bürgerkrieg anfängt und Heinz-Christian Strache sendet eine „Videobotschaft zum Einwanderungschaos“. Darüber kann man zwar lachen, gleichzeitig ist es aber auch bedrückend, wenn man bedenkt, dass laut einer Umfrage aus 2014 43 Prozent der Befragten Österreicher wenig bis kein Vertrauen in die Medien haben. Wir nehmen nicht an, dass sich das verbessert hat. Wenn all diese Leute nach Alternativen suchen und dabei auf den Verschwörungs-Hass-Mischmasch treffen, den wir YouTube nennen, lässt das nicht gerade hoffen.
Z wie Zaun
Die AfD erklärt in Deutschland gerade, dass die Ultima Ratio in Sachen Flüchtlinge das Abknallen an der Grenze ist, und nein, Frauen und Kinder sind da jetzt auch nicht ausgenommen. In Österreich ist man noch nicht ganz so weit. Hier ist es noch immer die „bauliche Maßnahme”, auch bekannt als Grenzzaun mit Lücken. Besorgte Bürger wünschen sich nicht nur einen Zaun um ihr Haus, sondern auch um ganz Europa. Was außerhalb des Zaunes passiert, kümmert dabei niemanden. Hauptsache dem „Volk” geht’s gut.
Auch mit Z: Zukunft
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