Das habe ich aus einer Woche ,Krone‘ lesen gelernt

Foto: Redaktionsgebäude der Kronen Zeitung | Wdwdbot | CC BY-SA 2.0 de

Die Kronen Zeitung ist keine Zeitung wie jede andere. Niemand in Österreich steht der Krone gleichgültig gegenüber, man liebt sie oder hasst sie. Welche Beziehung man zu ihr hat, ist oft identitätsstiftend.

Wie jede andere Boulevardzeitung versucht die Krone möglichst viele Geschmäcker abzudecken und den kleinsten gemeinsamen Nenner innerhalb einer großen Masse an potentiellen Käufern zu finden. Man liest von Celebrities, sieht nackte Brüste und Tierbabys, informiert sich über den Sport und das Fernsehprogramm, Mord und Verbrechen—und ein wenig sensationshaschende News gibt es dazwischen auch. Oder wie es Hans Dichand, der ehemalige König der Kronen Zeitung einmal formulierte: „Kinder, Mädchen, Tiere—in dieser Reihenfolge.”

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Die Krone ist aber weit mehr als nur irgendeine x-beliebige Boulevardzeitung. Sie ist sowohl die Stimme als auch das Sprachrohr Österreichs. Laut Elfriede Jelinek—Hassobjekt der Krone—liest der Krone-Fan in seiner Zeitung, was er sowieso schon immer gewusst hat. Er hört sich beim Lesen quasi selbst denken: Über die EU, die Politiker und die steigende Kriminalität.

Die Krone ist aber auch eine bedeutende politische Macht in Österreich, die von allen großen Parteien hofiert und gefürchtet wird. Sie redet den Österreichern nicht nur nach dem Mund, sie steht mit ihnen und der Politik in direktem Dialog.

Und weil alle diese Dinge sie besonders im Vorfeld der Wienwahl auch ziemlich relevant machen, um zu verstehen, wie Österreich eigentlich denkt (oder laut Krone denken sollte), bin ich eine Woche lang auf Krone-Konsum umgestiegen, damit ihr es nicht tun müsst. Hier sind ein paar Dinge, die ich daraus gelernt habe.

Putins Syrien-Politik ist super

Foto: Vladimir Putin mit Tieren | A1candidate | CC BY 3.0

Putin-Fanboys brauchen kein RT, Compact und auch keine dubiosen Facebook-Gruppen, um Nachrichten abseits der Lügenpresse zu bekommen. Zumindest in Österreich finden sie die Krone in jeder Trafik und sonntags auch auf der Straße. Die ganze letzte Woche—wirklich jeden einzelnen Tag—informierte die Zeitung für Bilder-Schauer über ein politisches Großereignis, das Erinnerungen an den Kalten Krieg wach ruft: Russland greift militärisch in Syrien ein und den USA gefällt das nicht.

Der russische Präsident Putin—„ganz Staatsmann”, wie die Krone schreibt—verkündete beim UNO-Gipfel Angriffe auf den IS. Damit stärkte er das Assad-Regime und machte sogleich etwas Effektives in der Flüchtlingskrise. Klingt doch gut, oder?

Spätestens nachdem der „Zar” mit seiner Pro-Assad-Politik auch in der bunten Sonntagsbeigabe präsent war und ich eine ganze Woche lang mit Putin abgefüllt wurde, habe ich mir auch „meine” Meinung „bilden” können. Mir würde kein Grund einfallen, meine Stimme am Sonntag nicht für Putin abzugeben—egal, ob er auf dem Wahlzettel steht oder nicht.

Das Assad-Regime ist ebenfalls super

Foto: Assad ist scheinbar so beliebt, wie einstmals Hans Dichand | Emesik | CC BY-SA 3.0

Was uns gleich zum nächsten Punkt bringt: Denn neben Putin ist auch Bashar Al-Assad das Zielobjekt einiger als Artikel getarnter Liebesbriefe aus der Krone-Stallung. Der Spin hier: Ohne Assad—der Obama als „Tyrann” und Putin als „tapferer Held” gilt—wird es keinen Frieden in Syrien und damit auch keine Lösung für die Flüchtlingskrise geben.

Dass Putin und Assad als Traumpaar nicht nur den Konflikt in Syrien lösen, sondern auch bei der Lösung der „Asylkrise” helfen können, denken auch die User auf krone.at mit einer überwiegenden Mehrheit von über 70 Prozent. Ich bin auch am Überlegen, mir für die nächste Refugees Demo ein Putin-Shirt und eine Syrien-Fahne zu kaufen. Ehre, wem Ehre gebührt.

Autos sind sowohl Glücksspender als auch Killermaschinen

Foto: Spielzeugauto, garantiert ungefährlich und bringt trotzdem Freude | Jebulon | CC0 1.0

Auf Österreichs Straßen liegt nicht nur das Glück, sondern es liegen dort auch viele Tote. Zumindest bin ich nach einer Woche Krone lesen zu dieser Überzeugung gekommen. Das Auto ist jedenfalls für viele Krone-Leser Lebensmittelpunkt—im Guten wie im Schlechten.

Am Montag tötete das Auto eines Vaters den dreijährigen Sohn und ein 94-jähriger Drängler machte die Straßen unsicher. Am Dienstag wurde die Wiener Verkehrspolitik kritisch beleuchtet, als Beilage gab es das Motorjournal. Am Mittwoch erfuhr man, dass die Tochter des verunglückten Schauspielers Paul Walker den Autohersteller Porsche verklagt, dass die Krone-Ombudsfrau Barbara Stöckl Autofahrern in Not hilft, und dass Schlepper sich eine Verfolgungsjagd mit der Polizei lieferten.

Am Donnerstag wurde man über die Gefahren der tief stehenden Sonne im Herbst informiert, und über weitere Tote auf der Straße. Am Freitag noch mehr Tote und Winterreifen-Infos, und am Wochenende dann zur Abwechslung nicht nur Tote, sondern auch ein „Todes-Crash” mit Flüchtlingen. Eine Gruppe Flüchtender, die zu Fuß am Weg zur deutschen Grenze waren, wurden von einer Autofahrerin übersehen und erfasst. Eine Frau starb, ihr Kind wurde schwer verletzt. Daneben wurde die ganze Woche über den VW-Skandal gesprochen.

Insgesamt habe ich in der Krone in 7 Tagen mehr als 30 Artikel über motorisierten Verkehr gelesen und damit mehr als in den letzten 5 Jahren meines Lebens zusammen. Ich schaue jetzt zweimal, bevor ich über die Straße gehe.

Bisher habe ich die Diskussionen um den Autoverkehr und die Verkehrspolitik in Wien immer belächelt, denn die Blütezeit der PKWs ist zumindest in Wien zu Ende und das Auto verliert als Statussymbol immer mehr an Bedeutung. Ich hatte noch nie irgendeine Verbindung zu Autos. In der Krone lebt die alte benzingetränkte Zeit noch fort, und wohl auch in den vielen Lesern, die eine Hassliebe mit den motorisierten Gefährten verbindet.

Nach einer Woche Krone weiß ich, dass es noch immer viele Menschen gibt, für die ihr Auto ihr zweites Zuhause ist. Wahrscheinlich sind das auch die Leute, die sich am Sonntag in ihren geparkten PKW setzen, das Radio aufdrehen und eine Wurstsemmel essen, um mal ein bisschen zur Ruhe zu kommen.

Krone-Leser mögen Drogen

Foto | Visitor7 | CC BY-SA 3.0

Das Verbotene und Tabuisierte erzeugt immer eine große Verlockung, wie ich selbst weiß. Neben Sex und Gewalt üben auch Drogen eine große Anziehungskraft auf Leser der Krone aus. Ich kann sie verstehen.

Ob gesprengte Drogenringe, festgenommene Drogenlenker, Prinzen-Freunde im Drogensumpf, die Doping-Mafia, 300 kg beschlagnahmtes Kokain, oder Cannabis und Coca-Schokolade als Medikament: Drogengeschichten gehen immer—dafür gibt es ein Symphatieplus.

Das Duell um Wien ist eine „Asyl-Wahl” und wir werden alle überrollt

Fast soviel wie über Autos konnte man diese Woche auch über die bevorstehenden Wahlen lesen. Neben einigen thematischen Ausreißern (Briefwahlpannen, Was tun die Politiker für Hunde? Wettquoten zur Wahl: Häupl bleibt mit 85 Prozent Wahrscheinlichkeit Bürgermeister, für die NEOS wird es knapp) konzentrierte sich die Krone ganz auf das „Duell um Wien” zwischen Strache und Häupl—und zwar immer—im Licht der „Flüchtlingskrise”.

Zudem erfuhr man, wie Bürgermeister Häupl die Krone-Druckerei besuchte. Nicht direkt Nachrichten, aber halt Inhouse-Infos und es menschelt ein bisschen. Abgerundet wurde die Wahlberichterstattung durch Top-Flop Checks der Wiener Landesregierung, Wahlen in Zahlen und Stimmungsumfragen (für 30 Prozent der Befragten ist Ausländerfeindlichkeit in Österreich ein wichtiges Thema, für noch viele mehr die „Asylflut”).

Der Politologe Peter Filzmaier steuerte für die Sonntagsausgabe ein interessantes Wahl-ABC bei: Er erklärte, dass im Gegensatz zur Vorwahlberichterstattung 2010 das Thema Integration und Asyl in den Medien stark präsent ist. Er wandte jedoch ein, dass nicht das Flüchtlingsthema die Wahl entscheiden wird, sondern die Lebenszufriedenheit in der Stadt. Diese hänge von vielen Faktoren ab, auch von Überfremdungsängsten, aber bei weitem nicht nur. Und er kritisierte, dass in den Medien Wahlen immer zu knappen Rennen stilisiert werden.

Wow, das war jetzt fast ein bisschen zu viel Reality Check für mein Krone-geeichtes Gehirn. Richtige Informationen und Nachrichten. Ich weiß nicht, ob ich sie überhaupt ganz verstanden habe.

„Asylanten” sind überall, sogar in der Tierkolumne

Egal ob die russische Außenpolitik, der heimische Straßenverkehr oder die Wahl in Wien: Flüchtlinge sind überall. Und nicht nur dort. Beispielsweise findet man sie auch in der Prominenten-Kolumne „Adabei”, wenn Waterloo nach Nickelsdorf reist, um zu helfen, oder wenn die Tierlady am Welttiertag sich nicht nur an die vielen traurigen Hundeaugen, sondern auch Flüchtlingsaugen erinnert. Im Fernsehabschnitt wurde noch das von Puls4 übertragene „Voices for Refugees” Konzert besprochen.

So ganz kann sich die Krone nicht entscheiden, wie sie sich zur Flüchtlingssituation positionieren soll. Das macht auch mich etwas ratlos nach soviel Krone-Konsum. Soll man Flüchtlinge nach Religion trennen? Kommt es zum Gewalteinsatz an der Grenze? Braucht es Benimmregeln? Seuchenalarm im Asylquartier! Flüchtlingskrise: Österreicher rüsten sich mit Schutzarsenal auf! Alt-Abt warnt: In 200 Jahren gibt es das alte Europa nicht mehr!

Oder doch eher pro Refugees? Flüchtlinge danken Polizisten. Freiwillige Nachhilfelehrer für Flüchtlinge. Helfer im Dauereinsatz trotz Bürokratiewahnsinns. Geflüchteter syrischer Fußballtrainer ist in Spanien eingetroffen. Mit Rekord gegen Vorurteile! Und so weiter.

Eins steht fest: Die „Flüchtlingsflut” ist zwar nicht in Österreich, aber zumindest in der Krone selbst zur Realität geworden. Ich habe gut 50 Artikel mit Flüchtlingsbezug in einer Woche gelesen. 50 Artikel der Krone!

Ich habe überhaupt viel zu viele Krone-Artikel in einer Woche gelesen. Mein Kopf tut noch immer etwas weh, die Gedanken sind noch immer wirrer als sonst. Ich habe den Papiergeruch der Zeitung in der Nase. Diesen Geruch werde ich nie vergessen. Nach einer Woche Krone kann ich nur jedem empfehlen, es langsam anzugehen und es nicht zu übertreiben. Jetzt muss ich mich mal ausnüchtern vom Krone-Rausch.