Das Makye Ame hat zwar schon 1997 eröffnet, aber die Schlangen davor und die Warteliste sind immer noch beeindruckend lang. Viele meinen, dass das beste tibetanische Restaurant der Welt sei, was natürlich unter Anbetracht der Tatsache, dass Essen etwas Subjektives ist, eine ziemlich umstrittene Behauptung ist. In jedem Fall aber ist das Makye Ame das tibetanische Restaurant in China, das am meisten hervorsticht.
Es befindet sich im Herzen der Hauptstadt des Autonomen Gebiets Tibet, Lhasa, das knallgelbe Haus unter all den weiß gestrichenen Häusern der Altstadt absolut heraus.
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„1997 war ich hier auf Geschäftsreise und auch zum Beten, da entdeckte ich dieses Gebäude”, erzählt Tsering Wangchen, der derzeitige Besitzer des Makye Ame.
Wangchen trägt einen makellosen Bart undspricht fehlerfrei Chinesisch, er versprüht Charisma und Charme, er zieht automatisch die gesamte Aufmerksamkeit im Raum auf sich. Er erzählt mir, dass er aus Hongyuan, einer vor allem durch nomadische, tibetische Völker besiedelten Region im Norden der Provinz Sichuan, stammt und dass er, bevor er sich der Gastronomie gewidmet hat, als TV-Moderator gearbeitet hat.
„Diese gelbe Farbe fand ich ungewöhnlich, also bin ich einfach reingegangen”, erinnert er sich. „In Tibet sind gelbe Häuser etwas ganz Besonderes. Die Farbe ist eigentlich Mönchen und Klöstern vorbehalten.”
Innen fand er ein Restaurant, das drei Amerikanerinnen gehörte. Er freundete sich mit ihnen an und verbrachte den Rest seines Aufenthaltes in Lhasa damit, hier zu essen.
„Eine von ihnen sprach fließend Tibetisch und erzählte mir, dass das Gebäude eine 300-jährige Geschichte hat”, sagt er. „Früher war es ein Gasthaus, als man herausfand, dass der sechste Dalai Lama hier einmal zu Gast war, strich man es gelb an.”
Die Amerikanerinnen hatten daraus ein westliches Restaurant gemacht, in dem einfaches Essen serviert wurde, wie Pizza oder Pasta, daneben auch das ein oder andere nepalesische oder indische Gericht. Sie erzählten Wangchen, dass sie wieder zurück in die Staaten und das Restaurant verkaufen wollten.
Aus Spaßmeinte Wangchen, dass er es kaufen würde. Zu seiner Überraschung nahmen das die Besitzerinnen ernst.
„Also habe ich es gekauft”, sagt er. „Zu einem vernünftigen Preis.”
Als er das Restaurant übernahm, änderte er die Karte komplett: Er entschied sich für eine Vielzahl traditioneller und moderner tibetischer Gerichte. Unter seiner Leitung ist daraus das beliebteste Restaurant der Stadt geworden.
„Der Name Makye Ame geht auf ein Gedicht des sechsten Dalai Lama zurück”, erklärt Wangchen. Auf Tibetisch bedeutet makye ame so viel wie „unverheiratetes Mädchen”. Einige interpretieren das Gedicht als Liebesbrief; der Legende nach saß der junge Lama einst im Gasthaus, als ein Mädchen kurz hereinschaute und sein Herz stahl. Das Gedicht hat eine gewisse Brisanz, leben Lamas doch im Zölibat, allerdings ist es auch eine wunderbare Geschichte für ein Restaurant.
Das Makye Ame hat mittlerweile auch Filialen in Peking, Chengdu und in Yunnan. Wangchen hat auch noch Nepal und die USA im Auge.
Es gibt einen Mix aus regionalen tibetischen Gerichten gemischt mit modernen Einflüssen.
„Historisch kann man Tibet in drei Regionen einteilen: Amdo, Kham und Ü-Tsang”, sagt Wangchen. „Jede von ihnen unterscheidet sich.”
Gerste aus dem Hochland, Tsampa, ist im ganzen Großraum Tibet ein Grundnahrungsmittel. Immer wieder wird auch Yak verwendet. Im Süden wächst Hirse und im Osten, wo auch Wangchen herkommt, gibt es einen Pilz, den man nur einen Monat im Jahr auf den weiten Grasflächen erntenkann.
„Man gibt ein bisschen Butter, Tsampa und Salz auf den Pilz und gart ihn auf dem Herd”, erklärt er.
Im Makye Ame werden statt des seltenen tibetischen Pilzes Shiitake-Pilze verwendet, die in Yak-Butter und Salz gewendet werden. Darüber kommt noch Chilipulver.
„Wir kombinieren das traditionelle tibetische Essen mit chinesischen, indischen und westlichen Einflüssen”, sagt Wangchen. „Wenn wir nur die wirklich traditionellen Gerichte servieren würden, würde der Durchschnittsgast das nicht essen.”
Das Makye Ame ist vor allem wegen seines vielfältigen Angebots so erfolgreich. Die Karte ist ein gutes Spiegelbild der traditionellen tibetischen Küche, es gibt aber auch ein paar kleinere Abwandlungen für alle, die nicht die ganze Zeit Butter, Yak und Tsampa essen wollen.
Moderne Gerichte sind zum Beispiel Lammrippchen mit dicken Pommes und in viel Fett gebratene Yak-Würstchen. Den indischen Einfluss sieht man an den ganzen Biryanis—und es gibt super leckeren Panir aus Yak-Milch mit Spinat.
Wer es traditioneller mag, für den gibt es Buttertee und viel, viel Yak: Yak-Zunge, Yak-Steak, Yak mit Pfannkuchen aus Hochland-Gerste, Yak-Dörrfleisch und Joghurt aus Yak-Milch. Dieser frische, süße und dicke Yak-Joghurt ist der beste, den ich auf meiner zweimonatigen Reise durch das tibetische Hochland bisher probiert habe.
Mein Favorit ist die Hammelsuppe mit Rettich—eine Spezialität aus Lhasa, die durch Knochenmark ihren besonderen Geschmack erhält.
„Diese Suppe erinnert mich an zu Hause”, meint Yeshi Drolma, meine Freundin aus Tibet, beim Essen. „Sie holt mich zurück in meine Kindheit und erinnert mich an das Essen meiner Mutter.”
Für Wangchen geht es vor allem um die tibetische Kultur. Alle Zutaten für die Restaurants in Peking, Yunnan und Chengdu kommen direkt aus Tibet. In die Inneneinrichtung der Restaurants investiert er Millionen. In der einen Ecke entdeckt man ein Butterfass für Yak-Butter, in der anderen einen Teppich aus handgesponnener Wolle, ab und zu engagiert er Musiker für die Live-Unterhaltung.
„Das Makye Ame ist nicht nur ein Restaurant”, meint er. „Es ist eine Bühne, durch die die Menschen die Kultur Tibets erfahren können.”