Das ist die erste Cola in allen Hautfarben

Aydin Umutlu hat eine Cola-Marke gegründet, weil er wütend war, die „Ali Cola”. 2012 war das. Thilo Sarrazin war damals noch Bundesbankvorstand, wollte aber lieber über den Untergang Deutschlands reden. Er schrieb Deutschland schafft sich ab und behauptete darin, dass manche Ethnien klüger seien als andere. Und dass sich Deutschland „auf natürlichem Wege […] dümmer” mache, weil es sich vermische. Dagegen wollte Aydin Umutlu protestieren, aber er fühlte sich hilflos. Welche Möglichkeit hatte er schon, gehört zu werden? Wie konnte er die Medien dazu bringen, sich für ihn zu interessieren? Er hatte das Gefühl, dass niemand Sarrazin entschieden widerspricht. Aydin wollte genau das tun. In seiner Wohnung in Hamburg-Wandsbek dachte er nach und ersann seine Cola-Marke. Ein „alltägliches, trinkbares Statement” für Deutschland sollte es sein. „Toleranz schmeckt” heißt der Slogan der Cola.

2017 spürt Aydin einen Rechtsruck und wieder begann er, nachzudenken. Auch seine Cola war bis dahin braun gewesen, das wollte er nun ändern. Also erfand er Cola in Hautfarbe. Sie sollten „außen verschieden”, aber „innen alle gleich” sein. Hautfarben trinkbar zu machen, ist eine bizarre Idee. Auch der Gedanke einer „Diskurs-Cola” klingt lachhaft. Trotzdem ist es diese Irritation, mit der Gespräche beginnen. Gespräche, die man sonst nicht führen würde. Und die nicht damit beginnen, dass ganze Ethnien beleidigt werden, sondern mit einem harmlosen Lifestyle-Produkt. Im Interview erklärt Aydin seine Cola genauer.

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MUNCHIES: Warum ist die normale Cola ein Problem? Aydin Umutlu: Die normale Cola ist kein Problem. Jeder soll weiter dunkle Cola und weißes Brot essen dürfen. Mir geht es um die Botschaft: ALI COLAs sind außen verschieden, aber innen alle gleich. So wie wir Menschen. Die Cola ist für mich nur ein Symbol für mehr Toleranz. Nimm zum Beispiel deine Frage: „Warum ist die normale Cola ein Problem?” – Es geht darum, zu hinterfragen, was in unserer Gesellschaft als „normal” gilt. Aber nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern auf eine unterhaltsame Art und Weise: Cola war bisher schwarz, jetzt gibt’s sie in Hautfarben.

Warum hast du auf die Aussage von Sarrazin mit einer Cola reagiert? Weil sonst keiner geantwortet hat! Ich fand aber nicht Sarrazin selbst am schlimmsten, sondern die vielen Leute aus der Mitte, die ihm plötzlich applaudiert haben. Leute, von denen ich das nie erwartet hätte. Ich musste ein Zeichen setzen. Also habe ich was gebraucht, das sich jeder leisten kann – und das eine gewisse Relevanz im Alltag der Menschen hat. Fladenbrot oder Schafskäse wären nicht so cool, aber mit Cola lässt sich die Message für mehr Toleranz vermitteln. Cola ist ein Lifestyle-Produkt, das es überall auf der Welt gibt. Egal, ob Europa, Asien oder Amerika – du kannst überall Cola zum Essen trinken.

ALI COLA bietet Leuten wie Sarrazin Paroli. Ich wollte ihm sagen, dass es unterste Schublade ist, Menschen, die dieses Land mit wiederaufgebaut haben, so zu attackieren. Diese stolzen Menschen kamen aus ihren Dörfern nach Deutschland, in eine vollkommen andere Welt. Stell dir mal die damalige Zeit vor: 60er, 70er Jahre, vom tiefsten Anatolien nach Hamburg, Köln, Berlin – und das ohne Sprachkenntnisse. Die sind arbeiten gegangen, haben Steuern gezahlt, sind am Wochenenden aber nicht in die Disco zu Boney M tanzen gegangen, weil sie sparen mussten. Sie haben die Zähne zusammengebissen, ihre Frauen und Kinder vermisst, ihre Familien dann irgendwann nachgeholt. Kinder wurden geboren. Man lebte sich ein. Man blieb und wurde älter. Jetzt ist man Rentner, hat seinen Teil dazu beigetragen, dass dieses Land zu dem wurde, was es ist. Dann kommt so ein Ex-Politiker und behauptet plötzlich, sie gehören nicht dazu – und große Teile dieser Gesellschaft applaudieren ihm. Stell dir mal vor, wie diese Menschen sich fühlen! Nach all den Jahren.

Inwieweit bist du selber Opfer von Diskriminierungen gewesen? Ich bin kein Opfer. Hamburg ist meine Heimat und ich fühle mich wohl in meiner Heimat. Aber sowas wie Racial Profiling ist natürlich ein Problem. Jeder Migrant mit dunklem Teint kennt das, wenn man an der Flughafenkontrolle rausgepickt wird.

Was hat es mit der Förderung für die NGO Kiron auf sich? Als ich von Kiron gelesen habe, habe ich Gänsehaut bekommen. Stell dir vor, du studierst und musst mitten im Studium fliehen. Vor Krieg und Gewalt. Und nach der Flucht darfst du in einer Gastroküche arbeiten gehen, weil dir zum Weiterstudieren die nötigen Dokumente und Deutschkenntnisse fehlen. Genau hier setzt Kiron an. Sie ermöglichen Flüchtlingen den Zugang zu Universitäten. Diese Flüchtlinge werden in Zukunft dieses Land mitgestalten. Dafür ist Bildung der Schlüssel.

Fürchtest du dich vor Spott? Hast du Sorge, dass deine Aktion deinem Anliegen am Ende vielleicht sogar schadet? ALI COLA ist ja keine einmalige Aktion, sondern seit vier Jahren ein trinkbares Statement für mehr Toleranz. Die Cola polarisiert halt. Die Debatte, die ich anregen wollte, sehe ich jetzt als Bestätigung für die Notwendigkeit, ein Zeichen zu setzen.

Wie kann man an deine Cola kommen, wenn man das möchte? Am schnellsten über den Onlineshop auf alicola.de. Falls jemand eine gute Idee für den Vertrieb hat, soll er sich gerne melden.

Wie soll es denn mit der Cola weitergeben? Bunt und vielfältig!