FYI.

This story is over 5 years old.

Islamismus

Das ist die wichtigste Statistik zu Terrorismus, die ihr kennen solltet

Nach jedem Anschlag fordern Politiker mehr Überwachung. Diese Zahlen zeigen, wie europäische Regierungen Terror wirklich bekämpfen könnten.

Grafik: saschalobo.com | CC BY 4.0

Die Reaktion der Politik nach islamistischen Terroranschlägen wie in Manchester, Berlin, Brüssel oder Paris lautet meist gleich: mehr Überwachung. Die Bürger sollen für den Staat transparent werden und den Sicherheitsbehörden erlauben, die eigenen Daten auszuspähen. Wir tauschen ein Stück unserer persönlichen Freiheit gegen die Illusion von Sicherheit. Dabei stellt sich grundlegend die Frage, ob die staatliche Überwachung der gesamten Bevölkerung überhaupt irgendetwas zur Verhinderung von Terroranschlägen beiträgt.

Anzeige

Laut der Daten, die Sascha Lobo in seiner aktuellen Spiegel Online-Kolumne "Unsere Sicherheit ist eine Inszenierung" gesammelt hat, scheint dem nicht so.

Seit 2014 wurden in der EU 13 islamistische Anschläge von 24 Tätern verübt. Die 24 Täter waren ausnahmslos polizeibekannt und galten als gewaltaffin. 22 Täter hatten Kontakte zu Islamisten oder islamistischen Netzwerken, was den Behörden bekannt war. 21 der 24 Täter standen auf Terror- oder Warnlisten. 18 Täter fielen durch Reisepläne in islamistisch geprägte Regionen auf. 13 unternahmen Reisen nach Syrien und den Irak. Fünf weitere haben erfolglos versucht, dorthin zu gelangen, oder Reisen in die Region organisiert. 17 Täter waren vorbestraft. 12 der 24 Attentäter wurden entweder polizeilich gesucht oder bereits überwacht.


Auch bei Vice: Der Islamische Staat


Wie hätte eine Ausweitung der Überwachung diese Taten verhindern können? Die Antwort lautet: gar nicht. Die Sicherheitsbehörden wussten mehr als genug über die Terroristen.

Die ausufernde Totalüberwachung durch den Staat ist also nicht nur freiheitsgefährdend, sie ist auch maximal ineffizient. Solche Anschläge lassen sich nicht durch mehr Überwachung verhindern, sondern nur durch eine bessere Arbeit der Sicherheitsbehörden. Trotzdem werben Politiker nach Anschlägen für mehr anlasslose Überwachung der gesamten Bevölkerung. Wir sollen unsere Freiheitsrechte aufgeben, weil Staat und Sicherheitsbehörden eine schlechte Performance abliefern. Das ist für Politik und Sicherheitsbehörden weit angenehmer, als das eigene Versagen zu thematisieren, und der Fall des Berlin-Attentäters Anis Amri ist Staatsversagen par excellence.

Anzeige

Amri wurde in Italien wegen Körperverletzung und Brandstiftung zu vier Jahren Haft verknackt und kündigte im Gefängnis Gewalt gegen "Ungläubige" an. Die italienischen Behörden überwachten ihn bereits. In Deutschland wurde er als Gefährder eingestuft und ebenfalls überwacht, weil er Kontakt zu einem Hildesheimer Islamistennetzwerk hatte, das sich über Anschlagspläne austauschte.

Der marokkanische Geheimdienst warnte die deutschen Behörden mehrfach vor Amri. Er erzählte sogar einem V-Mann des Verfassungsschutzes von seinen Anschlagsplänen. Vermutlich hätte sich Anis Amri "Ich plane einen Anschlag" über das gesamte Gesicht tätowieren müssen, um sich noch offensichtlicher als potentieller Attentäter zu outen.

Was bringt eine Ausweitung der Überwachung von uns allen, wenn jemand wie Anis Amri sich frei und weitestgehend unbehelligt bewegen kann, obwohl all das über ihn bekannt ist?

Nach solchen Anschlägen muss die Politik reagieren und sie tut es in der Regel falsch. Gerade in Wahlkampfzeiten inszenieren sich Politiker als Garanten für Law and Order und setzen auf Aktionismus, statt an den relevanten Stellschrauben der Sicherheitspolitik zu drehen.

Nach den Anschläge auf die Redaktion von Charlie Hebdo und einen koscheren Supermarkt im Januar 2015 nahm die Bundesregierung die Attentate zum Anlass, die Vorratsdatenspeicherung durchzusetzen, während in Frankreich die krassesten Überwachungsgesetze aller Zeiten verabschiedet wurden. Jeder weitere Anschlag eines Terroristen, der den Behörden bereits bekannt war, belegt, wie wenig diese Strategie funktioniert hat.

Folge VICE auf Facebook, Instagram und Snapchat.