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Das Leben als professioneller Kerkermeister für ‘Dungeons & Dragons’

Wer noch nie Dungeons & Dragons gespielt hat, glaubt vielleicht, dass zu dem Rollenspiel nicht mehr gehört als 20-seitige Würfel und ein paar spielwillige Freunde. Man legt fest, wer der weise Zauberer und wer der kämpferische Zwerg ist, und zieht los, um fantastische Kreaturen abzumurksen.

Doch ohne den Dungeon Master gibt es kein magisches Abenteuer. Denn mit dem Spielleiter steht und fällt jedes Erlebnis: Er entwirft die Szenen, denkt sich die Handlung aus, verkörpert alle Nebencharaktere, tritt als Gegner gegen die Spieler an und achtet darauf, dass alle Spielregeln eingehalten werden.

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Schon als Teenager in den 80er Jahren schlüpfte der Kanadier John Dempsey am liebsten in die Rolle des Dungeon Masters. Inzwischen verdient er sogar seinen Lebensunterhalt damit: Als “Dungeon Master for Hire” können ihn seit 2016 sowohl D&D-Neulinge als auch erfahrene Spieler buchen.

Wir haben mit Dempsey über sein Leben als professioneller Kerkermeister, verschiedene Spielertypen und die Rolle der Netflix-Mysterie-Serie Stranger Things am neu erwachten Hype um D&D gesprochen.

Motherboard: Wieso bist du Dungeon Master geworden?

Dempsey: Das erschien mir damals als logischer Schritt. Ich war der Typ, der alle Bücher dazu hatte und kannte keinen anderen Dungeon Master. Meine Freunde und ich wollten D&D spielen, also übernahm ich eben die Rolle des Spielleiters. Und dann machte mir das richtig Spaß.

Wieso hast du dich dafür entschieden, dein Hobby zum Beruf zu machen?

Die Idee hat sich aus einem finanziellen Engpass heraus entwickelt. Ich unterrichte auch Kampfsport und arbeite als Shiatsu-Therapeut. Eines Tages saß ich bei einer Tasse Tee da und dachte mir: ‘Mann, ich wünschte, ich könnte mit D&D Geld verdienen, weil ich es so sehr liebe.’

Ich dachte mir, dass das eine Geschäftsidee für vielbeschäftigte Berufstätige sein könnte – Leute, die keine Zeit haben, um sich alle nötigen Bücher durchzulesen [es gibt das Spielerhandbuch, das Spielleiterhandbuch und das Monsterhandbuch, um nur ein paar zu nennen], die Runden zu organisieren oder einen Dungeon zu bauen. Solche Leute möchten vielleicht einfach, dass jemand zu ihnen kommt und ihnen die lästige Arbeit abnimmt. Zum Glück lag ich mit dieser Vermutung richtig.

2016 hatte John Dempsey einen Gastauftritt im Musikvideo der kanadischen Band BADBADNOTGOOD. Nachdem sich die Bandmitglieder eine erbitterte Partie Dungeons and Dragons geliefert haben, bewirbt Dempsey sein Business.

Wie hast du das Ganze ins Rollen gebracht?

Ich habe meinen Freunden von der Idee erzählt, und sie hielten sie alle für bescheuert. Etwa anderthalb Monate lang erhielt ich auch keinen Auftrag. Da habe ich schon an meinem Plan gezweifelt. Doch im August letzten Jahres erhielt ich dann den ersten Auftrag und in den nächsten Monaten konnte ich 14 Gruppen als Kunden gewinnen. Inzwischen hat es sich fast zum Vollzeitjob entwickelt.

Kannst du von D&D leben?

Momentan verdiene ich etwa 75 Prozent meines Lebensunterhaltes damit.

Was bekommt man denn, wenn man dich für eine Runde D&D mietet?

Ich komme zu dir nach Hause, bringe das Spiel mit, baue es auf, leite die Runde, du bezahlst mich und ich haue wieder ab. Ich unterstütze auch Gruppen, die D&D mal kennenlernen wollen, aber kein ganzes Abenteuer durchspielen möchten. Das sind Leute, die sich sagen: “Hey, letzte Woche haben wir Volleyball ausprobiert, lasst uns diese Woche mal Dungeons & Dragons spielen.”

Du bietest auch Spielrunden für Kinder an. Wie reagieren die auf das Spiel?

Sie lieben es. Die sind alle ganz verrückt nach Stranger Things. Durch die Serie habe ich viele neue Kunden gewonnen. Viele Kinder hatten vorher noch nie von Dungeons & Dragons gehört, daher bringt die Serie vielen jungen Leuten das Spiel näher.

Wollen heute mehr Menschen Dungeons and Dragons spielen? Woran liegt das deiner Meinung nach?

In meiner Jugend spielten nur wenige Leute D&D. Damals spielte vielleicht einer von 1.000 Teenagern das Spiel und wurde schnell als Nerd abgestempelt. Doch jetzt erfährt es ein Comeback.

Die Leute wünschen sich die soziale Interaktion, die bei Online-Spielen fehlt. Sie wollen wieder old-school mit anderen Leute um einen Tisch sitzen und ein Spiel spielen.

Dazu gibt es heute nicht mehr viele andere Möglichkeiten.

Genau. Es ist einfach nicht mehr alles wie vor 30 Jahren: Durch das Internet kapseln wir uns sozial immer weiter ab und vielen Menschen fehlt es an allen Ecken und Enden an Sozialkompetenz. Die Leute, die sich jetzt für D&D interessieren, vermissen gesellschaftliche Interaktion.

Überraschen dich die Spieler manchmal während des Spiels?

Eine ganz wichtige Fähigkeit für Dungeon-Master ist es meiner Meinung nach, flexibel zu sein. Du kannst Stunden in die Planung einer Runde stecken, aber in 99,9 Prozent der Fälle machen die Spieler dann irgendwas, womit du nie gerechnet hättest. Dann musst du die Dinge nehmen, wie sie kommen, und improvisieren.


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Hast du Tipps für neue Dungeon-Master, die sich ein Abenteuer ausdenken?

Versucht, das Abenteuer so aufregend wie möglich zu gestalten, ohne zu viele Narrative. Im Endeffekt kommt es aber sehr auf die Gruppe an. Einige Gruppen lieben mysteriöse Hintergrundgeschichten und lösen gerne Rätsel. Andere Gruppen interessiert das gar nicht, sie wollen einfach drauflos kämpfen und Monster töten, denen geht es nur um viel Action.

Hast du irgendwelche Verhaltenstipps für die Spieler selbst?

Ich kenne Spieler, die keine echten Teamplayer sind. Vielleicht konzentrieren sie sich einfach zu sehr auf ihren Charakter, aber sie spielen insgesamt sehr egoistisch, und das stört dann die anderen Spieler in der Gruppe.

Wie möchtest du dein Geschäftsmodell in Zukunft weiter ausbauen?

Ich würde die Spiele gerne für Teambuilding-Übungen anbieten. Unternehmen versuchen ständig, die Teamfähigkeit ihrer Mitarbeiter zu steigern und was könnte da besser sein, als sie in einen Kerker voller Monster zu werfen?