Musikvideos sind meist nicht mehr als schlechtgemachte Werbeclips eines neuen Albums. Sie sollen eifirge YouTube-Nutzer davon überzeugen, sich den Künstler zu merken und im besten Falle sein Album bei iTunes zu laden. Oder aber sie werden von Leuten missbraucht, die sich in einem besonders grellen Licht darstellen wollen. Deswegen drückt dir täglich irgendein Musiker seine unglaublichen Visionen in Form seines tollen neuen Videos auf. Dass der dann doch nur in einem x-beliebigen Raum steht und seinen Überhit gelangweilt in die Kamera lallt, ist sicherlich total durchdacht und metaphorisch gemeint. Gleiches gilt auch für Bands. Egal ob Rock-, Hardcore- oder Metalband, sie alle erreichen sehr schnell ihren kreativen Horizont, wenn sie einmal ihren Song auf eine originelle Art visualisieren sollen. Es endet ja doch meist damit, dass sie in einem Wald oder einer alten Lagerhalle stehen und rund drei Minuten damit verbringen, wie Rumpelstilzchen rumzuspringen und auf ihre Instrumente einzudreschen.
Mit ihrem Musikvideo zu „Razoreater“ zeigen Amenra aus Belgien, dass du mit deinem Musikvideo auch ein kleines Meisterwerk abliefern kannst. Sogar ohne mit diesen Dildo-förmigen Dr.Dre-Speakern auffällig in die Kamera zu fuchteln. Zwar war der Song schon Teil des 2011 erschienenen Mass IIII, doch wurde er jetzt für eine Split-EP als Akustik-Version neu vertont. Der Text blieb unberührt, Sänger Colin sinniert immer noch über ihn quälende Suizidgedanken. Etwas anderes solltest du bei einem Songtitel wie „Razoreater“ aber auch wirklich nicht erwarten. Während Zeilen wie „Hand me the razor, feed me the pain“ im ursprünglichen Song durch brachiale Gitarrenwände und markerschütterndes Gekreische eine hoffnungslose, bedrohliche Stimmung erzeugten, spenden dir die gezupften Gitarren und der sanfte, leicht weinerlich hohe Gesang der neuen Version einen gewissen Trost.
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Amenra sind mehr als eine Band. Sie sind eine Kunstinstitution, die ihre Live-Shows als Rituale inszenieren, bei denen Colin schon an seiner eigenen Haut in Jesus-Pose in der Luft hing. Diese Hingabe findet sich auch im Musikvideo zu „Razoreater“ wieder, dass sich wie ein siebenminütiger Kurzfilm anfühlt. Regisseurin Nathalie Teirlinck nutzt Schatten als Stilmittel, um sowohl faszinierende, als auch verstörende Bilder zu erzeugen. Zentrum des Films ist ein Mann, der in seiner kargen Wohnung wohl genau das durchlebt, was Colin besingt: lähmende, sein Leben dirigierende Verzweiflung. Im Zusammenspiel mit der Musik entsteht eine zutiefst fremdartige Stimmung, die sich weit über die Grenzen deines viereckigen Bidschirms hinweg ausbreitet.
„Razoreater (Acoustic)“ ist Teil des Amenra & Madensuyu-Splits, der am 15. August erscheint. Vorbestellen kannst du ihn hier.
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