Das passiert hinter den Kulissen von KFC

Also, klar, ich habe mich schon darüber lustig gemacht, wie jemand aus einem Eimer essen kann. Aber soweit ich mich erinnern kann, habe ich mich nie für das geheime Rezept des Colonels mit elf Kräutern und Gewürzen interessiert. Der Zinger Burger hat mich auch nicht scharf gemacht, obwohl er das bei jedem sollte. Und ich habe niemals an einem der KFC Hähnchenteile geknabbert.

Klar, ich habe schon mal gebratenes Hähnchen gegessen: In Berlin zum Beispiel gibt es ein Paradies für Grillhähnchenfans, wo man zum frittierten Vogel noch Kartoffelsalat und einen ordentlichen Kanten Brot bekommt. Oder er wird auf einer lenkradgroßen Portion Reis und Kichererbsen mit eingelegtem Gemüse aus einem Goldfischglas serviert.

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Als ich also die Einladung bekam, einmal in einem KFC-Restaurant mitten in London zu arbeiten, sagte ich sofort zu. Klar. Ich wollte sehen, was zwischen den heißen Hochdruckfritteusen und den riesigen Waschbecken wirklich passiert, zum einen weil das Wohl der Tiere, aber auch das der einfachen Arbeiter ein wichtiges Thema für mich ist. Ich würde allerdings auch als Bestatterin, Maurerin, Kosmetikerin, Putzkraft, Kanalarbeiterin, Grundschullehrerin oder Schneiderin arbeiten. Ich will dadurch vor allem verstehen, was Menschen jeden Tag machen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen – vor allem wenn ich obendrauf noch ein Gratisessen bekomme.

Das Erste, was mir in der Filiale auffällt, ist eine riesiger, überlebensgroßer Eimer mit Hähnchenstückchen aus Plastik. Später sehe ich, wie eine Frau mit beneidenswerten Wimpern, sich das Werbekostüm über Kopf und Brust stülpt und mit einem Tablett mit Barbecuesauce umhertänzelt.

Die Autorin (2. v. l.) zusammen mit anderen Teilnehmern der „Open Kitchen” in einem KFC in London. Foto mit freundlicher Genehmigung von Freuds/KFC

In Großbritannien hat sich die Fast-Food-Kette entschieden, ihren Kunden in 100 Filialen einen Abend lang einen Einblick in die Welt des panierten Hähnchenfleischs, der Hochdruckfritteusen und der Mayonnaisepistolen zu geben. Das nennen sie dann „KFC Open Kitchen” und soll den Kunden einen Blick hinter die Kulissen ermöglichen.

Ich finde solche Ideen super. Es ist gut, wenn wir darüber nachdenken, woher unser Fleisch kommt – in diesem Fall ist es eine Plastiktüte mit Hähnchenstückchen, die in einem metallenen Eimer aus dem Kühlraum geholt wird. Oder wer unser Fleisch zubereitet – ein Typ mit KFC-Cap und Bartnetz, der, wie die meisten KFC-Angestellten, wahrscheinlich den gesetzlichen Mindestlohn erhält. Und was es heißt, Essen in solchen Größenordnungen zu kochen – nämlich dass viel Essen, das eigentlich absolut in Ordnung ist, „gespendet” wird, wegen strikter logistischer Vorgaben und unvorhersehbarer Bestellmengen.

Bevor ich mit den anderen Teilnehmern hinter die Theke darf, müssen wir unsere Schuhe erst mal rutschfest machen. Dafür bekommen wir Gummiüberzieher, die mich – theoretisch – davor bewahren sollen, auf einer Ölpfütze auszurutschen und kopfüber in einem Haufen rohen Hähnchenfleischs zu landen. Außerdem bekomme ich eine schicke weiße Schürze mit der Aufschrift „Open Kitchen”. Sitzt bei mir so gut, dass man denken könnte, ich werbe für einen offenen Brustkorb. Ach und dann waren da noch das Haarnetz und die schwarze Cap. Irgendwie bin ich in diesen Look verliebt.

Foto von der Autorin

Vorbei an den beleuchteten Menüboards und Regalen voll mit goldbraunem Fried Chicken geht es in die Küche, die erstaunlich klein ist. Klar, wir drei werden gerade gleichzeitig herumgeführt, aber wenn man bedenkt, wie viele Menschen hier bei einer normalen Schicht arbeiten – zehn, wenn richtig Betrieb ist – und dass sie alle irgendwelche frisch frittierten Sachen umhertragen, ist es irgendwie beeindruckend, dass nicht viel öfter was schiefgeht. Um zum Waschbecken zu kommen, muss ich mich an zwei Männern vorbeizwängen, die ich dabei wahrscheinlich gegen zwei große Hochdruckfritteusen aus Edelstahl dränge. Aber ich muss mir nunmal die Hände gründlich mit Seife waschen und danach desinfizieren.

Rob, der Chief Operating Officer von KFC, hatte uns vor diesem Abend in einem kurzen PR-Gespräch erklärt, dass es für ihn bei diesem Event vor allem um „Vertrauen” und „Transparenz” gehe. Rob hat drei Kinder. Rob trägt ein kariertes KFC-Shirt und wenn er über Hähnchen spricht, verwendet er oft die Wörter „richtig” und „echt”. Doch als er so neben einer Metallluke steht und die Worte „austretender Dampf verursacht schwere Verbrennungen” sagt, frage ich mich, ob es diese Art von „echter” „Transparenz” war, die er sich vorgestellt hatte.

Die geheime Gewürzmischung von KFC. Foto von der Autorin

Als Nächstes erzählt uns ein anderer führender Mitarbeiter von KFC, der gegen eine weißgeflieste Wand lehnt, etwas über das „geheime Rezept” der Kette und streichelt währenddessen liebevoll eine silberne Tüte, die aussieht wie Astronautennahrung. Das, erklärt er uns, sei die legendäre Gewürzmischung. Die wird mit einer Milch- und Eipulvermischung sowie Backmehl vermischt. Dann zeigt er auf zwei riesige – halb so groß wie ich – cremeweiße Waschschüsseln gefüllt mit feinem weißen Pulver. Julio, der Manager, taucht neun gewaschene Hähnchenstücke hinein, wir sollen doch auch mal probieren. Die Flügel, Keulen und Bruststücke werden zehn Mal in Mehl gewendet, die ganzen Hähnchenschenkel bekommen zwei Schichten Panade.

Ich muss da kurz mal etwas loswerden: Wie kann man ein Hähnchen in neun Teile aufteilen? Warum gibt es nur eine Brust? Genau diese Fragen wollte ich eigentlich stellen, aber ich werde schon zur Mehlschüssel geführt, um einem der Flügel (die werden vor dem Frittieren noch „verknotet”) und einer Keule eine Abreibung mit Mehl zu verpassen. Ich schüttle sie, stoße meine Handgelenke vorsichtig zusammen, um so überschüssiges Mehl abzuschütteln und packe das Fleisch auf das Blech.

Ich kann mir nur schwer vorstellen, wie es an einem Samstagabend in dieser kleinen Küche sein muss: Alle Fritteusen sind auf einmal an, die Kollegen rennen mit Eimern mit rohem Hähnchen und Blechen mit frittiertem Fleisch hin und her, während das computergesteuerte Bestellmanagementsystem einem die ganze Zeit im Nacken sitzt – und nicht zu vergessen der Manager. Vielleicht ist es viel besser, als ich es mir vorstellen kann. Vielleicht aber auch viel schlimmer.

Die Autorin verpackt ihren selbst gemachten Burger. Foto mit freundlicher Genehmigung von Freuds/KFC

Bei KFC wird das Hähnchen schon vor der Bestellung der Kunden frittiert, sodass immer genug fertiges Fleisch da ist, wenn ein Kunde die Filiale besucht. Wegen dieser Vorgehensweise überschreitet vieles die vorgegebene Wartezeit und muss weggeschmissen werden. Der Manager sagt mir, dass es „gespendet” wird, aber einmal beobachte ich, wie ein Mann acht immer noch essbare Hähnchenfilets in einen schwarzen Müllsack kippt. Vielleicht hatte er sich geirrt. Aber ich kann mir vorstellen, dass das öfters passiert. Ich weiß immerhin nicht, wie lange ein durchgegartes Stück Hähnchen gut ist oder wie lange es dauert, bis das Essen auch bei den Leuten, an die es gespendet wird, landet.

Nach dem Panieren und Frittieren machen wir jetzt Burger. Auch dieser Arbeitsbereich ist ungefähr halb so groß wie dein kleines WG-Zimmer. Bis zur nächsten Wand oder Arbeitsfläche bleiben uns knapp 50 cm. Der Bereichsleiter führt uns herum und erzählt uns, dass ein normaler Angestellter (einer, der den Mindestlohn erhält) vier Burger pro Minute herstellt. Vom Brötchen bis in die Verpackung. Ich brauche allein für einen 36 Sekunden. Aber das so sind die Erwartungen: vier Burger pro Minute und das oft stundenlang. Brötchen toasten, Mayonnaise mit einem Gerät draufgeben, das aussieht wie eine Kartuschenpistole aus dem Baumarkt, das Filet draufplumpsen lassen (das man mit einer Zange vom einem der Bleche auf Kopfhöhe nimmt), ein bisschen Salat drüber, die Verpackung schließen, sich umdrehen und es zur Theke reichen.

Ich will ja nicht schon wieder ein Spielverderber sein, aber man rechne sich mal aus, wie viele Pappschachteln das sind. Schachteln, die nur ein paar Minuten später im Müll landen. Man muss kein Klimaforscher sein, um zu erkennen, dass das möglicherweise nicht ganz so nachhaltig ist.

Foto von der Autorin

Raus aus der Küche geht es in den Gastraum. Ich sitze gegenüber Jack, dem Innovationsleiter von KFC, und öffne meine Burger-Box, um mein Werk zu begutachten. Ein weiches helles Brötchen mit einem Spritzer Chipotle-Mayo, einem Stück frittierten Hähnchen und einer Portion Salat so groß wie meine Handfläche. Schmeckt lecker. Die Mayo ist gut. Frittiertes Essen ist immer gut, oder?

Neben mir steht eine kleine Tafel, auf der steht, dass KFC allein im letzten Jahr in Großbritannien 4,9 Millionen Liter Sauce verkauft hat. Damit könnte man zwei olympische Schwimmbecken füllen. Ganz schöne viele nicht recycelte Saucenbecher aus Plastik.

Während wir essen, erzählt mir Jack etwas über die „Tradition” und die „Südstaaten-Wurzeln”, auf die KFC stolz ist. Außerdem bekommen wir leckere Maiskolben, Pommes und noch ein Stück gebratenes Hähnchen. Beim Essen überlege ich, ob das das Stück war, dass ich vor nur ein paar Minuten aus dem Mehlbottich gefischt habe.

Alle fünf Jahre wird die Einrichtung bei KFC verändert, erzählt mir Jack. Sie wollen an den großen Food-Trends dranbleiben.

Ich frage ihn, ob es bei KFC jemals Fleisch aus Freilandhaltung geben wird. Immerhin haben sich schon einige Hersteller entschlossen nur mit Eiern aus Freilandhaltung zu arbeiten oder nur Produkte zu verkaufen, die keine Eier aus Käfighaltung enthalten. Und KFC hat einen Marktanteil – in Großbritannien verkaufen sie in über 890 Restaurants 14 Millionen Stück Hähnchen jede Woche –, bei dem sie sicher einen vernünftigen Preis für Freilandhühner raushandeln könnten. Vielleicht könnten sie sogar die Art der Geflügelhaltung in Großbritannien verändern.

„Unser Hauptfokus liegt auf dem Geschmack”, meint Jack und guckt ein bisschen komisch. „Also, natürlich ist uns das Tierwohl wichtig. Unsere Hähnchen kommen aus zertifizierter Haltung, ausschließlich aus Großbritannien und Irland. Aber wir müssen auch wettbewerbsfähig bleiben. Und der Geschmack ist uns am wichtigsten.”

Foto von der Autorin

Nicht gerade die beste Rechtfertigung, die ich gehört habe. Eigentlich überhaupt keine. Bei Freilandhaltung geht es nicht nur um den Geschmack, es ist etwas, das vielen Menschen wichtig ist. Das könnte eine Möglichkeit für KFC sein, für eine wichtige Sache führend einzutreten. Stattdessen reden wir wieder über Mayonnaise mit schwarzem Pfeffer und den „Dirty Louisiana Burger”.

Rob kommt zurück und erzählt mir, dass bei KFC niemand mit Null-Stunden-Verträgen eingestellt wird. Sie zahlen den gesetzlichen Mindestlohn, aber keinen Lohn, der die Lebenshaltungskosten decken könnte. Ich wische mir einen Rest BBQ-Sauce von der Wange. Mittlerweile ist es 21 Uhr und ich könnte immer noch weiteressen. Aus den Lautsprechern kommt „Call Your Girlfriend” von Robyn, die riesige Plastikschüssel mit den Chicken Nuggets lehnt wie eine schlaffe Hüpfeburg gegen die Wand und ich habe mein Haarnetz abgenommen. In den letzten zwei Stunden habe ich mehr Hähnchen als in den zwei Monaten zuvor gegessen. Und genug Mayonnaise, um eine ganze Lok zu ölen.

Ich glaube, es ist Zeit nach Hause zu gehen. Und ein bisschen Gemüse zu essen.