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Was tun, wenn einer deiner Hoden platzt?

Ein altertümlicher Hoden aus einem altertümlichen Anatomie-Buch

Jeder Mann mit zumindest einem funktionierenden Ei hat irgendwann schon mal einen Schlag in die Weichteile kassiert, der die Kronjuwelen so richtig poliert hat. Die universell verständliche Komik und der quasi greifbare Schmerz einer solchen Situation bescheren TV-Sendungen wie Upps! – Die Pannenshow bis heute gute Quoten. Hoden halten jedoch mehr aus, als man vielleicht denkt, und deshalb hat so ein kleiner Sackhieb abgesehen von ein paar Minuten qualvoller Schmerzen meistens keine weiteren Folgen.

Manchmal kommt aber alles zusammen und ein Hoden wird hart genug oder genau an der richtigen bzw. eher falschen Stelle getroffen. Dann kann es auch vorkommen, dass dieser Hoden platzt. Wie geht man in einem solchen Fall vor? Wie repariert man ein kaputtes Ei und wird es jemals wieder richtig funktionieren? Wer sind die meist unbekannt bleibenden Helden, die das empfindlichste (und wohl auch wichtigste) Organ des Mannes operieren?

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Der Genitalurologe und onkologische Chirurg Dr. Simon McRae gehört zu diesen Helden. Aus morbider Neugierde und aufgrund unserer journalistischen Verpflichtung haben wir uns dazu entschieden, Dr. McRae anzurufen. Wir wollten herausfinden, was genau passiert, wenn ein Hoden platzt, und wie man eine solche Verletzung behandelt.

VICE: Was war die schlimmste Hodenverletzung, die Ihnen jemals untergekommen ist?
Dr. Simon McRae: Ich weiß noch, wie hier mal ein Eishockey-Spieler eingeliefert worden ist, der von einem Puck in die Weichteile getroffen wurde. Dabei ist auch einer seiner Hoden aufgeplatzt. Wir haben ihn ganz normal untersucht, eine Diagnose getroffen und dann entschieden, dass eine OP nötig sei. Es geht jedoch auch noch schlimmer. Ich meine, nach dem Eingriff war bei dem Sportler ja alles wieder gut. Ein paar Wochen später konnte man von der Verletzung gar nichts mehr sehen.

OK, aber was war denn nun die schlimmste?
Das war wohl der Polizist mit der Waffe in seiner Tasche. Es löste sich ein Schuss und der Rückstoß quetschte einen seiner Hoden zwischen Pistolengriff und Schambein ein. Das Ganze war im Vergleich zum Eishockey-Spieler etwas „chaotischer”, weil es sich hier um eine kompliziertere Ruptur handelte. Der Hoden des Polizisten war danach nur noch halb so groß—was dem Beamten als machomäßigem Typen ziemlich peinlich war.

Kann man an einem geplatzten Hoden sterben?
Nein, das Ganze ist nicht lebensbedrohlich. Im schlimmsten Falle verliert man beide Hoden. Bei mir ist so etwas aber noch nie vorgekommen.

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Männer, die nur einen Hoden verloren haben, aber schon?
Ja. Ich erinnere mich noch an einen Mountainbike-Unfall, bei dem der Typ wirklich einen Hoden verloren, ja quasi komplett zerstört hat. Er ist mit voller Wucht und seinem ganzen Körpergewicht auf den Fahrradrahmen gekracht. Da war gar keine Hülle mehr da, die man hätte nähen können, damit das Innere wieder geschützt ist. Deshalb haben wir den Hoden einfach komplett entfernt und mit einer Prothese ersetzt.

Sie reden hier von Hüllen und vom Inneren. Was genau passiert, wenn ein Hoden platzt?
Ein Hoden besteht aus Parenchym, also dieser weichen und gummiartigen Masse. Die ist umgeben von einer dünnen Hülle, die man Scheidenhaut nennt. Bei stumpfer Gewalteinwirkung wird diese Hülle beschädigt, die das Innere des Hodens zusammenhalten soll. Das Ganze sieht aus wie ein aufgeschlagenes Ei und das schleimige Parenchym quilt durch die beschädigte Scheidenhaut heraus. Das wird dann alles entfernt und die Hülle wieder zugenäht.

Wie diagnostiziert man einen geplatzten Hoden?
Es gibt Männer, die hier ständig mit geschwollenen Hodensäcken auftauchen. Da können wir aber nur wenig machen. Als erstes gilt es, solche Leute von den Patienten zu unterscheiden, die wir wirklich behandeln müssen. Zur Diagnose führen wir eine Ultraschall-Untersuchung durch, bei der man auf ein paar Dinge achten muss. Der Hoden sollte gut durchblutet sein. Falls sich etwas verdreht hat, muss man es wieder entwinden. Danach schaut man, ob die Hülle komplett intakt ist und ob auch wirklich kein Parenchym austritt. Zwar kann das Ganze optisch wirklich gruselig wirken—also wenn der Hodensack schön blau angelaufen und geschwollen ist—, aber wenn ein normaler Blutfluss gegeben und die Scheidenhaut nicht beschädigt ist, dann können und werden wir da nichts machen.

Foto: Jake Guild | Flickr | CC BY 2.0

Wie behandelt man dann einen verletzten Hoden, bei dem keine OP nötig ist?
Mit einem Suspensorium, entzündungshemmender Medizin und regelmäßiger Kühlung. Nach ein paar Wochen geht man dann zur Wärmetherapie über—zum Beispiel mit heißen Bädern.

Wie lange dauert es, bis man sich von einer Hodenoperation komplett erholt hat?
In der Regel eine Woche. Zwar wird der Hodensack danach noch weitere vier oder fünf Wochen lang geschwollen sein und weh tun, aber die Funktion ist nicht mehr eingeschränkt. Man hat am Anfang jedoch keine große Lust, irgendetwas zu machen, und für die Arbeit sind die Schmerzen auch noch zu groß.

Ab wann kann man dann wieder Sex haben?
Wenn sich der Patient bereit dazu fühlt. An sich kann beim Sex nichts passieren, außer man bringt irgendwelche Sachen wie beispielsweise Cockringe ins Spiel. Ansonsten lasse ich meinen Patienten da freie Hand. In der ersten Woche hat da in der Regel allerdings noch niemand Lust drauf—auch aus Angst, sich erneut zu verletzen.

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Hat ein geplatzter Hoden irgendwelche langfristigen Folgen? Beeinflusst eine solche Verletzung zum Beispiel den Testosteronspiegel oder die Zeugungsfähigkeit?
Selbst wenn man einen Hoden verlieren sollte, wirkt sich das nicht auf die Hormone aus. Man hat ja schließlich noch einen zweiten, der den Verlust kompensiert. Es gibt viele Männer mit nur einem Hoden, die vor Testosteron nur so strotzen und viele Kinder haben.

Gibt es irgendeine Möglichkeit, sich vor einem Unfall mit solch schlimmen Folgen wie einem geplatzten Hoden zu schützen?
Eigentlich kann man nur gefährlichen Situationen oder Aktivitäten aus dem Weg gehen. Eine andere Möglichkeit gibt es nicht.

Also sollte man selbst als Polizist keine Waffe bei sich tragen?
Genau.