Am 22. März landete ein litauischer Mann in Barcelona und bestieg die Metrolinie 9 mit seinem Gepäck, jedoch ohne Ticket. Zeugen beschreiben, er habe sich seltsam verhalten, und als Sicherheitsleute ihn nach seinem Ticket fragten, fiel er zu Boden und entwickelte Schaum vorm Mund. Die Sicherheitsleute hätten es nicht wissen können, doch der Mann war ein Drogenkurier, ein sogenannter Bodypacker, der Kokain in seinem Bauch in das Land geschmuggelt hatte. Dieses Geschäft kann so profitabel wie tödlich sein und ist seit der Wirtschaftskrise in Spanien verbreiteter.
Der Litauer fiel hin und fing an, am Mund zu schäumen, weil der Kokainbehälter in seinem Magen geplatzt war. Es gab nichts, was die Rettungskräfte noch hätten tun können: 15 Gramm setzten seinem Leben ein Ende. Als Forensiker seine Leiche untersuchten, fanden sie 34 Kokain-Kapseln darin.
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Fälle wie dieser sind ziemlich selten. Mehrere Ärzte in spanischen Notaufnahmen sagten uns, sie hätten vielleicht einmal im Jahr einen Patienten oder eine Patientin mit geplatzten Kokain-Kapseln. Meist verlassen die kleinen Drogenpakete den Körper des Drogenkuriers über den Stuhlgang. Sie haben die perfekte Form zum Ausscheiden und können der Magensäure standhalten.
Wenn es allerdings schiefgeht, können Mediziner nur schwer herausfinden, welche Substanz der Kurier zu sich genommen hat—entweder ist die Person bewusstlos, oder sie ist unwillig, es zu verraten. In einem solchen Fall sei es „ein bisschen wie mit geschlossenen Augen arbeiten”, wie eine Ärztin, die gerne anonym bleiben will, uns gesagt hat. Manche Drogenkuriere haben mehr Angst davor, mit den Drogen erwischt zu werden, als zu sterben.
Ich habe mich mit Dr. Fernando Caudevilla unterhalten. Er ist Allgemeinarzt und auf die körperliche Wirkung von Cannabis, Kokain und synthetischen Drogen spezialisiert. Abgesehen von diesem offiziellen Job ist er auch noch medizinischer Berater für viele Drogenkonsumenten im Darknet und hat sich in Spanien durch seine Arbeit mit Energy Control, einer NGO für die Verringerung von Drogenrisiken, einen Namen gemacht. Er erklärte: „Bodypacker haben meist Kokain dabei. Sie transportieren pro Reise bis zu 200 Kapseln, und in jeder stecken zwischen 2 und 50 Gramm der Substanz. Sie sind in gelbliche Latexröhren gepackt und zweieinhalb bis fünf Zentimeter lang. Wenn jemand durch Röntgen beim Zoll erwischt wird, gibt es meist keine Symptome, die auf Drogenkonsum hindeuten. Die Bodypacker erhalten dann Abführmittel, um die Pellets auszuscheiden. Nur in sehr seltenen Fällen—0,6 bis 3 Prozent—platzt eine der Hüllen, was sehr problematisch ist.”
Eine Notärztin in Barcelona, die anonym bleiben möchte, weil sie schon Bodypacker versorgt hat, erläutert: „Wenn eine dieser Hüllen platzt, steckt der Bodypacker in ernsten Schwierigkeiten. Eine Kokain-Überdosis kann eine psychotische Episode und einen nervösen Zustand auslösen, die Sanitäter mit injizierbarem Diazepam behandeln werden. Wenn das Kokain sich im Körper verteilt hat, dann hat es meist eine gefäßverengende Wirkung. Herzinfarkt und zerebrale Gefäßverengung sind die häufigsten Todesursachen [in solchen Fällen]. Wenn wir bei jemandem Verdacht auf eine Überdosis haben, der diesen Hintergrund [als Drogenkurier] hat und sich in einem kritischen Zustand befindet, machen wir ein Röntgenbild mit Barium als Kontrastmittel. Das Barium hat auch eine abführende Wirkung. Wenn wir entdecken, dass es sich um einen lebensbedrohlichen Fall handelt, entfernen wir sofort alle Drogen operativ.”
Wenn sie anal eingeführt wurden, sind die Kapseln recht einfach herauszuholen. Wenn sie allerdings in die Vagina eingeführt wurden, ist der Vorgang um einiges traumatischer. In diesem Fall werden die Kapseln von Hand und ohne Werkzeug entfernt, um ein Reißen der Verpackungen zu verhindern. In Argentinien kommt das Problem so häufig vor, dass es in der Nähe des Flughafens Ezeiza eine eigene Station zur Behandlung von Bodypackern gibt.
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Bodypacker wissen, wie sie am Flughafen vermeiden, entdeckt und durchsucht zu werden. Arnau arbeitet am Flughafen von Barcelona und war früher dafür verantwortlich, Passagiere mit eingeschränkter Mobilität zu begleiten. Er erklärt, wie Bodypacker dabei Rollstühle für ihre Zwecke einsetzen: Er holte die Person im Rollstuhl ab und tauschte ihren eigenen gegen einen größeren, flughafeneigenen Rollstuhl, um den Passagier durch einen größeren Bodyscanner zu schicken. Wenn dabei ein Alarm ausgelöst wurde, dann tauschte man den Rollstuhl wieder aus und durchsuchte den Passagier stattdessen manuell.
„Einmal begleitete ich einen Mann in seinen Sechzigern mit einem kleinen Koffer und einer Jacke. Er beschwerte sich durchgehend. Er hatte seinen eigenen Rollstuhl dabei, und als ich ihn in den Flughafenrollstuhl setzte, rief er ständig ‚Ay ay ay ay!’. Bei seinem Scan wurde der Alarm ausgelöst, also brachten sie ihn in ein kleines Zimmer und durchsuchten ihn. Aber er schrie jedes Mal, wenn sie versuchten, ihn zu berühren. Der Sicherheitsmann durchsuchte ihn ganz sanft und ließ ihn seine Schuhe und Jacke anbehalten. Es war wirklich schwer zu beurteilen, ob er tatsächlich Schmerzen hatte oder nicht. Ich weiß noch, dass sie diese Drogentests mit den kleinen Papierstreifen machten, und der Mann bat darum, alleingelassen zu werden. Ich hatte so ein schlechtes Gewissen, dass wir all das mit ihm machen mussten. Als es vorbei war und ich ihn zum Gate brachte, erholte der Mann sich auf wundersame Weise, stand auf und lief durch die Gegend.” Manchmal sind die Anzeichen auch subtiler: Arnau wird regelmäßig von Passagieren, die eigentlich gut zu Fuß wirken, gefragt, wo denn die Rollstühle seien. Kurz darauf sieht Arnau sie dann in einem durch die Gegend rollen.
Was Kokain angeht, so gibt es die meisten spanischen Drogenfunde in Häfen oder internationalen Gewässern, wo die Drogen tonnenweise eintreffen. Drogenkuriere arbeiten einzeln und ihre Lieferung ist schnell ersetzt, falls sie erwischt werden—oder ihnen sogar etwas noch Schlimmeres widerfährt. Es gibt Statistiken zu Drogenkurieren in Spanien, doch es ist sehr wahrscheinlich, dass sie nicht repräsentativ sind, weil die Polizei sich immer mehr auf die großen Fische konzentrieren werden: Ein Frachtschiff voll mit Kokain, das zu einem Drogenboss führt, ist viel interessanter als eine Einzelperson, die sich dem Bodypacking zuwendet, weil sie finanzielle Probleme hat. Die Menschen, die Dutzende Kokain-Kapseln in ihrem Darm transportieren, sind lediglich das schwächste Glied in einer Kette, die sich anscheinend niemals völlig durchtrennen lässt.