Dave Hause wartet auf die typisch deutschen Fragen

Dave Hause aus Philadelphia startet gerade in Europa so richtig durch. Sein neues Album Devour erzählt uns seine persönlichen Querelen mit dem American Way of Life und dem Tod des American Dream. Der Arbeitersohn hat uns auf der Brick Lane in London erzählt, wieso er Tony Soprano eher für ein beschissenes männliches Vorbild hält, warum die deutsche Musikpresse immer mindestens eine seltsame typisch deutsche Frage bereithält und wie es ist, in Oklahoma beinahe zu verrecken.

Noisey: Dein neues Album Devour handelt davon, wie die amerikanische Art zu leben das Privatleben beeinflussen kann. Was genau meinst du damit?
Dave Hause: Amerika war zu Beginn eine wirklich großartige, fortschrittliche Idee, doch die Situation kannst du als recht bankrott bezeichnen. Nicht nur wirtschaftlich, sondern auch moralisch und ethisch. Das ist eine Schande. Mit dem Album wollte ich herausfinden, wie ich da reinpasse. Der erste Teil der Platte handelt deshalb davon, wo ich herkomme. Der Mittelteil erzählt, wie sich die amerikanische Lebensweise auf mein Leben als Erwachsener auswirkt und wirklich große Scheiße anrichten kann. Im letzten Part des Albums versuche ich dann, einen Mittelweg und Lichtblicke zu finden. Damit soll eine neue Art des American Dreams ausgedrückt werden, der auf Hoffnung und Kreativität aufbaut und es erlaubt, Mitmenschen würdevoll zu behandeln. Das Album ist insgesamt aber eher persönlich als eine große soziale Kritik.

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Devour heißt auf deutsch verschlingen, fressen. Dein Album handelt davon, wie der endlose Hunger der Amerikaner das Privatleben beeinflusst.
Historisch betrachtet macht das Sinn. Amerikaner sind die Nachfahren von Europäern und Menschen aus anderen Nationen, die mutig genug waren, tausende von Kilometer zu reisen und wirklich ganz von Neuem anzufangen. Amerikaner haben diese Wanderlust und große Träume genetisch einfach in sich. Ich finde das toll, ich bin ja auch so. Wenn du kreativ bist, brauchst du genau diese Art von Ehrgeiz. Aber wenn du diesen Ehrgeiz nicht in privaten Situationen drosseln kannst, dann wirst du eine Menge zerstören. Mir ist das so ergangen. Klar sind mit diesem riesigen Appetit auch wirklich viele gute Sachen passiert. Wir sollten jedoch bemerken, dass es auch eine dunkle Seite gibt. In Amerika kann es dir leicht passieren, dass du an einem wirklich beschissenen Ort stirbst, wenn du alt bist und wenig Geld hast. Wir brauchen mehr soziale Absicherung. Die Ressourcen dafür hätten wir ja.

Was ist denn trotz aller Kritik immer noch großartig an den Staaten?
Amerika ist ein Land, das große technologische Fortschritte hervorbringt. Und denk alleine mal an Rock’n’Roll, Jazz und Blues. Diese Musik gäbe es ohne Amerika nicht. Leider ist die amerikanische Mainstream-Kultur gerade stark auf Celebrities fokussiert, das ist eine Wegwerf-Kultur. Wir brauchen mehr Balance. Amerika kann teilweise schon sehr beängstigend sein.

Du nennst Tony Soprano eine neue amerikanische Ikone. Allerdings im negativen Sinne.
Die Tatsache, dass dieser Typ wie ein Held betrachtet wird, sagt viel über unsere Gesellschaft aus. Tony Soprano hat nämlich genau jenen unstillbaren Appetit, von dem wir gesprochen haben. Er ist immer hungrig nach mehr, mehr, mehr. Mehr Frauen, mehr Essen, mehr Macht, mehr Drogen. Aber er ist dennoch ein neues männliches Vorbild. Er behandelt seine Familie schlecht, seine Kinder sind komplett abgefuckt. Er symbolisiert die dunkle Seite des Amerikanischen Traumes.

Der erste Song auf deinem Album heißt „Damascus“. Ist das politisch konnotiert?
Nein. Das ist eine Referenz zur Bibel. Apostel Paulus fielen auf seiner Reise nach Damaskus die Schuppen von den Augen und er hatte eine spirituelle Erfahrung und sah die Wahrheit. Ich wollte diese Metapher nehmen, um zu beschreiben, wie es ist, wenn du lange durch die Dunkelheit wanderst und irgendwann das Licht siehst. Er ist der Eröffnungssong, der dich zum Thema des Albums einlädt. Er führt dich auf den Weg.

Bist du religiös?
Ich bin so aufgewachsen, aber ich bin zum Teufel nicht religiös. Haha. Devour handelt auch von dieser Reise. Ein Song auf Devour heißt „Becoming Secular“, der beschreibt, wie es ist, wenn du rausfindest, dass vieles von dem, was sie mir erzählt und versprochen haben, als ich ein Kind war, nicht wahr ist.

Zum Beispiel?
Zum Beispiel, dass du in die Hölle kommst, wenn du stirbst und kein guter Christ warst. Das ist doch verrückt, sowas einem Kind zu erzählen. Es ist eine gute Art jemanden zu kontrollieren.

Wie war dein Elternhaus?
Arbeiterklasse. Mein Vater arbeitet seit 40 Jahren für ein Steinbruchunternehmen. Sie waren eine Zeit lang sehr religiös und haben meine Geschwister und mich auf eine protestantische Privatschule gesteckt. Das war zwar einerseits beschissen wegen der ganzen christlichen Schuld, die da auf dich geladen wird, andererseits aber war das sicherlich eine bessere Schule als die öffentliche in unserem Schulbezirk in Philadelphia. Die war richtig schlecht.

Wie wichtig war Musik in deinem Elternhaus?
Sehr wichtig. Alle wichtigen Songwriter wie Bob Dylan, The Beatles, Bruce Springsteen und die Rolling Stones haben sie sehr geschätzt. Meine Eltern haben mich eigentlich in all meinen musikalischen Bestrebungen unterstützt. Als ich älter wurde, wurden meine Eltern aber immer religiöser und haben sich davon abgewandt. Irgendwann hab ich zu meinem Vater gesagt, „Hey Dad, früher hast du The Who gehört und jetzt hörst du ernsthaft Amy Grant?!“ Damit hat er zum Glück wieder aufgehört. Meine Iron Maiden- Phase fanden sie allerdings eher weniger gut. Aerosmith fanden sie auch irgendwie creepy. Aber als ich anfing Nine Inch Nails zu hören, war der Spaß vorbei. Haha.

Ich schätze mal, dass du irgendwann recht viel Punk und Hardcore gehört hast.
Ja. Das war Ende der 90er. Bands wie Sick of it all, Minor Threat, Gorilla Biscuits waren meine Favoriten. Das war aber irgendwie auch eine sehr seltsame Phase in meinem Leben. Du fängst an, Punk zu hören und angeblich bist du dann ja total vorurteilsfrei. Aber in Wahrheit habe ich alle meine anderen nicht-Punk und nicht-Hardcore-Platten weggeworfen und habe über drei Jahre nur noch Hardcore gehört. Den meisten meiner Freunden ging’s genauso. Ich habe nach dieser Zeit so viele Platten wieder neu kaufen müssen.

Wirst du dieses Jahr auf Tour gehen?
Im November bin ich ungefähr einen Monat lang in Europa unterwegs. Ich werde Shows in Deutschland, England, Belgien, Italien, Österreich und Holland spielen.

Die Deutschen lieben dich wahrscheinlich.
Ja, den Leuten gefällt wirklich, was ich mache. Aber die deutsche Presse ist total seltsam.

Wirklich? Wieso?
Du bekommst immer diese seltsamen deutschen Fragen gestellt. Gestern zum Beispiel hat mich ein deutscher Journalist gefragt: „Also wenn jetzt jemand sagen würde, dass du in deiner Musik nicht genügend Risiko eingehst, was würdest du dann antworten?“ Ich dachte mir „What the fuck?!“ und habe geantwortet: „Willst du damit sagen, dass das deine Meinung ist?“

Hahaha. Ich weiß nicht mal, was diese Frage bedeuten soll.
Ich auch nicht. Ich habe einfach gesagt, „dann hör halt was anderes.“ So eine seltsame typisch deutsche Frage.

Hab ich schon eine deutsche Frage gestellt?
Noch nicht! Ich warte auf eine.

Vielleicht ist das eine: Was würdest du sagen, wenn irgendjemand behaupten würde, du seist der nächste Bruce Springsteen?
Das ist keine deutsche Frage … Ich glaube, der Titel ist aber schon vergeben. Ich bin ein großer Fan von Bruce Springsteen. Er ist wirklich ein gutes Beispiel dafür, wie du mit Würde in diesem Business altern kannst. Klar ich will mein eigenes Ding durchziehen, aber wenn jemand Ähnlichkeiten zwischen Bruce und mir sieht, würde ich mich sehr geehrt fühlen.

Wie sind denn deutsche Fans drauf?
Insgesamt sind sie super und sehr treu. Aber es gibt immer den einen deutschen Fan. The German Fan, der Zeug raushaut wie „Yes, Sir, I quite liked your show, but it was shit compared to last time. It was a Scheiß.“ Oder „ You know, this new record, it was OK, but the last one was better.“ Und ich denke mir einfach nur „What the Fuck?! Habe ich dich gefragt?“ Es gibt immer diesen einen weirden deutschen Fan. Ihr Deutschen seid einfach brutal ehrlich. Du kannst jeden im Musikbusiness fragen. Alle reden über den German Fan.

Hahaha. Gut zu wissen. Was ist dir denn sonst noch so Kaputtes auf Tour passiert?
Ein paar Mal bin ich fast gestorben. Zum Beispiel, als ich mit meiner alten Band The Loved Ones zusammen mit Against Me! auf Tour war. Wir haben eine Show in Oklahoma gespielt, was definitiv ein Ort ist, an den du nie gehen solltest, wenn du es vermeiden kannst. In der Nähe des Clubs, in dem wir spielten, gab es nichts zu essen. Also machten wir uns auf Skateboards und Fahrrad auf den Weg, um im nächsten Kaff etwas zu essen zu finden. Wir skateten den Highway entlang. Aus purem Zufall drehe ich mich um und bemerke wie ein Auto auf uns zurast. Ich brülle „Watch out!“ und alle springen von ihren Skateboards. Das Auto ist einfach über das Skateboard unseres Bassisten gefahren. Er wäre gestorben, wenn er nicht gesprungen wäre. Das Auto ist aber einfach weitergefahren. Das war so irre. Der Fahrer war wahrscheinlich komplett dicht. Tourneen sind generell ein perfekter Magnet für krasse Geschichten. Ich habe Glück, dass mir noch nichts passiert ist. Vor allem, wenn du das Staubecken an Schnaps bedenkst, das wir in uns reingekippt haben über die Jahre.

Perfektes Ende für ein Interview.
Und keine German questions.

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