David August hat keinerlei Sonderwünsche

David August hatten die meisten wohl bislang auf dem Schirm als Teil der DIYnamic Sippe aus Hamburg, als verlässlichen Hit-Lieferanten und sorgsamen Ausgestalter von Hände-in-die-Luft-Momenten. Im Prinzip hätte es so weiter gehen können. David hätte mit ein paar weiteren Konsens-Releases auf dem Kerbholz dem dicken Techhouse-Geschäft an die goldenen Eier fassen können. Aber er dachte sich, warum einfach, wenn’s auch anders geht und bringt am 08. April sein Debütalbum Times auf der Labelhomebase DIYnamic heraus, das den gängigen Club- und DJ/Producer-Konventionen die Flötentöne beibringt. Im wahrsten Sinn des Wortes.

Noisey: Dein kommendes Album unterscheidet sich in seiner Anlage sehr von deinen bisherigen Releases. Wird es jetzt in dem Stil weitergehen oder ist das Album ein für sich stehendes, geschlossenes Projekt?
David August: Das ist schon etwas Geschlossenes. Das musste mal raus, ich musste mich da mal etwas auslassen. Album ist ja auch Album. Wie die nächsten EPs oder Remixes klingen werden, das will ich nicht unbedingt vom Album abhängig machen.

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Du hast ja wahrscheinlich auch schon wieder Musik gemacht, nachdem das Album fertig war?
Nee, das mit dem Album war sehr intensiv. Ich hab mich teilweise gefühlt wie jemand, der vom Vampir gebissen wird, dem der letzte Tropfen Blut rausgesaugt wird. Ich brauchte erstmal Abstand zum Produzieren und ich musste mich auch auf mein live-Set vorbereiten. Ich will mehr live spielen und jetzt mit dem Album umso mehr. Das ist ein neues Handwerk, das man sich aneignen muss und damit war ich in letzter Zeit beschäftigt.

Wie kann man sich das live-Set-up vorstellen, was passiert da?
Ich mache das mit Ableton, zwei Controllern und einem Keyboard, um Sachen live einzuspielen.

Wie lange hast du für das Album gebraucht?
Die Idee kam vor zwei Jahren, vor anderthalb Jahren hab ich angefangen. Sehr viel ist dann 2012 passiert, auch was Feedback angeht, wenn ich mal Sachen hier ans Label geschickt habe. Das hat mir dann auch wieder Input gegeben. Im Herbst habe ich viel gemacht, kurz vor der Fertigstellung. Das war ein harter Weg.

Warum war der Weg so hart?
Du versuchst einfach, überall das Beste herauszuholen. Dich noch mal dran zu setzen, diesen und jenen Track noch mal besser zu machen. Da noch ne Hook reinbauen oder sonst was. Anfangen ist relativ leicht, den Bogen dann aber zum Ende zu spannen, das kann anstrengend werden.

Hattest du vorher schon ein Bild im Kopf davon, wie das Album sein soll?
Ich hatte eine Klangästhetik im Kopf, es sollte viele akustische Elemente enthalten, ich hatte schon Ideen, aber das meiste ist während des Prozesses entstanden. Du hast dann vielleicht einen fertigen Track und der zeigt dir dann, wie der nächste Track klingen soll, dadurch entwickelt sich dann so eine Art work in progress.

Das heißt, das Album erzählt eine Geschichte?
Auf jeden Fall. Das war beabsichtigt. Für mich beginnt da auch erst der Sinn eines Albums, wenn man etwas erzählen will. Einfach so ein Album zu machen … weiß ich nicht.

Was genau erzählst du denn auf dem Album?
Es gibt keine Handlung oder so was, aber man durchläuft einfach verschiedene Gefühlswelten. Aber es gibt keinen Protagonisten. Obwohl, vielleicht bin ich das … Es ist schon sehr persönlich. Viel Gefühl, auch etwas Melancholie.

Du sagtest gerade, das Label hat Feedback gegeben. Wie sah das Feedback aus?
Konstruktiv. Es geht hier ja nicht darum, sich den Arsch zu pudern, sondern sich gegenseitig zu helfen und voran zu bringen. Und wenn dann jemand weiß, dass aus dem anderen noch mehr rauszuholen ist, dann wird das eben auch versucht.

Klingt nach Motivationstraining. Aber gab es da auch Arrangement-Tipps oder praktischen Eingriff in die Produktionen?
Alles. Jegliche Art von Feedback findet da statt.

Bist du auch produktionstechnisch andere Wege gegangen als vorher?
Auf jeden Fall. Ich bin wie gesagt sehr ins Akustische gegangen, viele Field Recordings, hab viel mit Soundtexturen gearbeitet. Hab mir insgesamt viel mehr Mühe gegeben, war viel akribischer als bei den EPs davor. Ich wollte, dass mehr passiert, dass es aufregender wird fürs Ohr.

Was ist die ungewöhnlichste Field Recording auf dem Album?
Da muss ich kurz überlegen … Es gibt einen italienischen Sänger und Songwriter, der nicht mehr lebt. Fabrizio de André. Ich habe in einem Track ein Interview mit ihm, das ganz leise und rückwärts im Hintergrund läuft. Das nimmt man als solches eigentlich gar nicht wahr.

Wie bereitest du dich auf die Nicolas Jaar-Vergleiche vor, die garantiert kommen werden?
Wenn er oder ich zehn Jahre älter wären, dann gäbe es die Vergleiche wahrscheinlich nicht. Auch wenn wir mit unseren Alben beide nicht die klassische Clubästhetik bedienen, sind wir doch sehr unterschiedlich. Ich fürchte mich nicht vor diesen Vergleichen, ich weiß, dass ich anders bin.

War es für dein Album wichtig, dass vorher sein Album rausgekommen ist?
Nein. Aber es war schon gut zu sehen, dass da jemand ist, der auf alles scheißt und der komplett andere musikalische Wege geht. Ich hab das Gefühl, dass viele Produzenten vielleicht mehr könnten, aber es nicht machen, weil sie sich nicht trauen. Ich weiß aber gar nicht so genau, ob ich mich mit ihm überhaupt schon beschäftigt hatte, als mir die Idee zu dem Album kam.

Du hast dir mit deinen cluborientierten EPs in kurzer Zeit ein Standing erspielt. Glaubst du, du wärst genau so schnell auf diesen Level gekommen, wenn du als erstes dieses Album veröffentlicht hättest? Hätte dich das Album auf deinem Weg zu Bekanntheit oder Erfolg eher voran gebracht oder eher gebremst?
Hm, interessant. Ich weiß es nicht. Ich glaube, dass die Musik, die ich jetzt mache, reifer ist. Keine Ahnung, ob erfolgreich oder nicht, aber der Weg hätte anders ausgesehen. Wenn ich zuerst das Album gemacht hätte, hätte ich garantiert nicht diese EPs danach gemacht.

Du wirkst in machen deiner Interviews generell unzufrieden mit deinen früheren Releases.
Ich bin da ziemlich schrecklich. Man macht Musik, dann dauert es, bis sie rauskommt, dann kommt sie raus und ich hab mich an ihr überhört und ich bin im Kopf schon wieder einen Schritt weiter. So geht es bestimmt vielen, aber bei mir ist es vielleicht etwas krasser. Wenn ich erst das Album gemacht hätte, dann wären die EPs so nicht entstanden, weil dann der Anfangspunkt woanders steckt. Dann muss es logischerweise auch woanders hingehen danach. Ich wäre sicher auch in eine andere Szene gerutscht.

Du machst eine Ausbildung zum Tonmeister – ein Studium, das sich um die so genannte E-Musik dreht. Du bist Producer für so genannte U-Musik. Wie hilfreich ist das, was du in deinem Studium lernst, für deine Arbeit als Produzent?
Wenn ich das Studium nicht machen würde, hätte ich zum Beispiel Wanja nicht kennen gelernt und er würde jetzt nicht auf dem Album Klarinette spielen. Das hat mich schon beeinflusst, ich würde aber nicht sagen, dass das Album so geworden ist, weil ich angefangen habe zu studieren. Das hat andere Gründe.

Welche denn?
Weil ich versucht habe, das was ich erlebe, meine Einflüsse widerzuspiegeln. Ich wollte zeigen, was an musikalischen Welten in mir steckt.

Welche Hörsituation passt am besten zu dem Album?
Ich kann es mir unter Kopfhörern gut vorstellen, auch in Ruhe zu Hause. Man sollte sich generell ein bisschen Zeit nehmen dafür. Man entdeckt nicht gleich beim ersten Hören, was da alles drin steckt. Es ist ja auch etwas Neues, auch für mich. Man muss dem Album schon mehr als eine Chance geben.

Du hast in Interviews schon angedeutet, dass du in deinem musikalischen Leben lieber als Produzent und nicht unbedingt als DJ alt werden willst. Gibt es etwas an der DJ-Szene, das dich wahnsinnig nervt?
Nein. Der Rhythmus manchmal. Sich die Nächte um die Ohren schlagen kann schon anstrengend sein. Ich kann mir vorstellen, dass ich das in 30 Jahren körperlich nicht mehr mitmache, aber es wäre schon cool, beides zu machen. Das Auftreten ist mir aber schon wichtig, ich will meine eigene Musik ja auch nach außen repräsentieren. Solange ich beides gut verbinden kann, warum nicht?

Es ist also auch nicht unbedingt so, dass das Auflegen für dich weniger interessant ist, weil es sich in den letzten Jahren technisch so extrem vereinfacht hat?
Ein DJ ist für mich nicht dann ein guter DJ, wenn er technisch besonders sauber ist oder gute Übergänge macht, sondern jemand, der gute Musik auflegt. Andererseits heißt es jetzt auch nicht, dass jeder mit gutem Musikgeschmack automatisch auch ein guter DJ ist. Es gehört schon ein Handwerk dazu. Man braucht ein Händchen dafür, wie die Atmosphäre ist, wie die Leute drauf sind, wie die Location funktioniert. Aber es ist eben auch gerade sehr in Mode, DJ zu sein. Bei manchen denke ich mir dann schon, du willst dich doch nur geil fühlen und mehr ist es nicht. Für mich ist schon die Leidenschaft für die Musik am wichtigsten. Wenn Leuten, die diese Leidenschaft haben, der Weg zur Musik vereinfacht wird, dann finde ich die neuen technischen Möglichkeiten aber auch wieder positiv.

Was steht in deinem Tourrider?
Fünf Flaschen Champagner, drei Nutten aufm Zimmer und fünf Gramm Koks, haha. Nein, nur die Technik, die ich brauche.

Keine Sonderwünsche?
Nein, gar nicht.

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Andreas auf Twitter: @reznik

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