Alles fing mit einem Haufen Müll an. Chris Jordan ging in seiner Heimatstadt Seattle zum Hafen und fotografierte die Verpackungen und Tüten, die der Ozean anspülte. Die Bilder stellte der Fotograf in seinem Studio aus und als er mit einem befreundeten Aktivisten sprach, traf er eine Entscheidung: Er wollte die riesige Müllinsel ablichten, die inmitten des pazifischen Ozeans herumschwimmen soll. 2009 machte sich Chris auf die Reise, nur um feststellen zu müssen, dass der Müll in Inselform zumindest im Pazifik so nicht existiert. Stattdessen stieß er auf etwas viel Traurigeres.
Das Midway-Atoll liegt im nördlichen Pazifik genau zwischen den USA und Japan. Aufgrund seiner Lage wirkt das kleine Inselpaar wie ein Sieb für den Müllstrudel des Ozeans. Den Preis dafür zahlen die Vögel, die zu Tausenden zum Brüten jedes Jahr auf das Atoll kommen. Oft verwechseln die Tiere den herumschwimmenden Müll mit Futter und füttern damit ihre frisch geschlüpften Jungen. Die verenden dann qualvoll an dem Plastik in ihren Mägen. Chris Jordan dokumentierte das Sterben der Tiere.
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VICE: Warst du der Erste, der die tödlichen Mageninhalte der Babyalbatrosse entdeckt hat?
Chris Jordan: Nein. Als ich zum ersten Mal vom Midway-Atoll hörte, gab es bereits um die 25 Fotos von toten Vögeln voll mit Plastikmüll. Diese Bilder gingen schon eine ganze Weile durch das Internet, aber kaum jemand interessierte sich dafür. Man merkt immer, wenn ein Fotograf seinen Motiven mit Ehrfurcht begegnet. Ich hatte nicht den Eindruck, dass das bei diesen Bildern der Fall war. Ich wollte auf diesen Inseln einen Weg finden, die Tragödie auf eine angemessene Art und Weise zu erzählen.
Aus dem VICE-Universum: Pilze: Das Plastik der Zukunft
Wie kann ich mir das Midway-Atoll vorstellen?
Der Name Midway – also Mitte – sagt eigentlich schon alles. Ich war umgeben von unzähligen toten Babyalbatrossen voll mit Plastik und gleichzeitig flogen diese anmutigen Kreaturen völlig angstfrei um mich herum. Ich fühlte mich wie in der Mitte zwischen Himmel und Hölle. Ich glaube, an diesem Punkt befindet sich auch die Menschheit: zwischen Zerstörung und der Möglichkeit, die Welt zum Besseren verändern. Es liegt halt an uns.
Wie hast du versucht, diese beiden Seiten einzufangen?
Ich habe versucht, meine Aufgabe als Dokumentarfotograf zu erfüllen: akkurat zu dokumentieren, was ich sehe. Und selbst die schrecklichsten Situationen haben fast immer irgendwo noch etwas Wunderschönes an sich. Sich nur mit dem Horror zu beschäftigen, ist keine Dokumentarfotografie.
Nachdem du all das gesehen hast: Machst du dir um unsere Zukunft Sorgen?
Seit die Verschmutzung der Ozeane richtig ins kollektive Bewusstsein gerückt ist, hat sich schon einiges geändert. Letztendlich haben wir unsere Zukunft selbst in der Hand – das stimmt mich optimistisch und pessimistisch zugleich.
Chris Jordans Dokumentation ‘Albatross’ wird ab dem 8. Juni auf der dazugehörigen Website kostenlos verfügbar sein.