Dubai wird oft als das perfekte Urlaubsziel angesehen. Die idyllischen Strände, luxuriösen Einkaufszentren und belebten Nachtclubs lassen einen jedoch auch schnell vergessen, dass das Paradies an der Golfküste auch eine sehr dunkle Seite hat. Obwohl die Vereinigten Arabischen Emirate einen Ruf als ziemlich entspanntes und moderates islamisches Land haben, gibt es dort Berichten zufolge auch viel Polizeigewalt und Rassismus, der vor allem durch eine Zweiklassengesellschaft gefördert wird, in der einige Emirater ein schönes Leben führen, während sich die Hilfsarbeiter aus der breiten Migranten-Bevölkerungsschicht für einen Hungerlohn totschuften.
Der britische Tourist Karl Williams war sich all dem nicht bewusst, als er 2012 nach Dubai reiste. Er war auch mehr damit beschäftigt, die Sonne, das Meer und den Sand zu genießen. Das Ganze sollte sich jedoch schlagartig ändern, als Williams und seine Freunde Grant Cameron und Suneet Jeerh von sechs bewaffneten Polizisten aus dem Mietwagen gezerrt und brutal zusammengeschlagen wurden. Dabei fielen wohl auch rassistische Beleidigungen.
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Die Beamten fanden im Auto schließlich mehrere Päckchen des synthetischen Cannabinoids “Spice” und Williams gibt an, dass er und seine beiden Freunde anschließend gefoltert wurden, um mehr Informationen über ihren angeblichen Lieferanten preiszugeben. Später wurde der Brite dann zu vier Jahren Haft verurteilt und damit in ein höllisches Gefängnissystem geworfen, in dem Vergewaltigungen laut Williams’ Aussage alltäglich waren, die Insassen regelmäßig unter Drogen gesetzt wurden und die russische Mafia unter der Hand das Sagen hatte. Die drei Männer wurden letztendlich jedoch begnadigt und im April 2013 aus dem Gefängnis entlassen. Ich habe mich mit Williams unterhalten, um mehr über sein Jahr hinter Gittern zu erfahren.
VICE: Hey Karl. Fangen wir doch mal ganz von vorne an: Wie kam es zu eurer Festnahme?
Karl Williams: Wir hatten uns ein Auto gemietet und gerade unsere Einkaufstour beendet, als wir das Fahrzeug beluden und dabei bemerkten, dass sich da bereits eine Tüte im Kofferraum befand, die voll mit kleinen Päckchen war. Anfangs haben wir uns da noch keine wirklichen Gedanken gemacht, aber als wir dann später vor der Wohnung meines Kumpels parkten und auf ihn warteten, kam plötzlich die Polizei. Die Beamten zogen uns aus dem Auto, schmissen uns auf den Boden, schleiften uns in die Wüste und bearbeiteten uns dort mit Elektroschockern.
Nach was haben die Polizisten dabei genau gesucht?
Einer von ihnen meinte: “Euer Dealer soll Spice herbringen!” Dabei hatte ich überhaupt keine Ahnung, was Spice eigentlich war. Er wollte dann weiter wissen, von wem wir das Zeug bekommen hätten. Ich antwortete ihm: “Mann, ich weiß nicht, wovon du hier überhaupt redest!” Dazu fielen dann auch noch eine ganze Menge an rassistischen Beleidigungen, was allerdings typisch für die dortigen Gesetzeshüter ist. Jeder, der kein reiner Emirater ist, wird als minderwertig angesehen und auch dementsprechend behandelt. Anschließend wurden wir zurück in unser Hotelzimmer gebracht, wo man mir so lange gegen die Hand trat, bis sie brach. Dazu hat man mir noch die Augen verbunden und einen elektrischen Schlagstock am Oberschenkel entlang an den Hodensack geführt.
Das klingt ja schrecklich. Wie lange musstest du dann ins Gefängnis?
Nach gut einem Jahr wurde ich begnadigt und wieder entlassen. Vorher war ich in zwei verschiedenen Gefängnissen, nämlich Port Rashid und Dubai Central Prison.
Wie waren die Zustände dort?
In Port Rashid ging es wirklich schlimm zu: Gut 300 Menschen wurden in ein Gefängnis gepfercht, das auf ungefähr 100 Insassen ausgelegt ist. Das Essen schmeckte scheußlich und im Grunde hatten dort die Häftlinge das Sagen. Im Dubai Central Prison war es dann viel besser—sowohl in Bezug auf die Sauberkeit als auch in Bezug auf das Essen. Allerdings bestimmten auch dort die Insassen das Tagesgeschehen. Die Wachen ließen sich quasi nie blicken und sonst liefen nur Spinner rum. Die russische Mafia genoss da drin noch das höchste Ansehen und die Mitglieder waren auch die nettesten Leute, die ich dort kennengelernt habe. Im Grund verhielten sie sich wie normale Menschen, zeigten viel Respekt, waren sauber und besaßen absolut korrekte Moralvorstellungen.
Welche Nationalitäten saßen noch im Gefängnis?
Ungefähr 20 oder 30 Prozent der Insassen waren Inder, Pakistaner oder Bengalen. Dazu kamen dann noch so 20 oder 30 Prozent Afrikaner, 15 Prozent Filipinos sowie die ganzen Gangster aus den Vereinigten Arabischen Emiraten.
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Wie sah es dort mit Schmuggelware aus?
Handys wurden von den Wachmännern reingebracht. Illegale Drogen waren nicht wirklich präsent, aber den meisten Insassen hat man wohl irgendwelche verschreibungspflichtigen Medikamente gegeben. Ich weiß nicht mehr, welche Medikamente das genau waren, aber einigen Häftlingen hat man Aufputsch- und anderen Beruhigungsmittel verabreicht. Mir selbst wurde aber nichts verschrieben.
Wollte man die Häftlinge damit ruhigstellen und unter Kontrolle behalten?
Ja. Oftmals wurden die Medikamente dann jedoch weitergetauscht. Ein Wachmann und ein Mithäftling haben mir außerdem noch erzählt, dass die Angestellten den Tee regelmäßig mit diversen Mittelchen versetzen—ein Beispiel für ein solches Mittel wäre Kaliumbromid.
Echt hart. Mir ist auch zu Ohren gekommen, dass Vergewaltigungen und HIV als Drohmittel in den Gefängnissen der Vereinigten Arabischen Emirate sehr häufig vorkommen. Hast du da etwas mitbekommen?
Wenn ein Verbrecher dort im Gefängnis mit irgendjemandem nicht klarkommt—zum Beispiel wenn dieser jemand einen Freund des Verbrechers erstochen hat—, dann würde er einen am HI-Virus erkrankten Insassen beauftragen, den anderen Häftling anzustecken. Außerdem gab es einen Kerl, der viele der Neuankömmlinge vergewaltigte. Ich bin jetzt keine angsteinflößender Typ oder so, aber als ich den besagten Kerl sah, musste ich lachen und meinte: “Moment, du bist der, der hier jeden vergewaltigt?” Seine Antwort: “Ja. Ich mische ihnen Drogen in den Tee und mache mich dann ans Werk.”
Und wie stand es um Gewalt?
Das Essen wurde auf Tabletts aus Metall serviert. Da haben manche Insassen natürlich direkt einige Stücke abgebrochen und dann angespitzt. Nachts konnte man oft hören, wie diese Stücke angespitzt wurden, und glaub mir, wenn man einschlafen will, dann ist es nicht gerade cool, wenn man dabei zuhören kann, wie jemand ein scharfes Stück Metall auf dem Boden wetzt!
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Wie kam es dann zur Begnadigung?
Wenn man in Dubai für ein Drogenverbrechen verurteilt wird und es sich dabei um das erste Vergehen handelt, dann liegt das Strafmaß automatisch bei vier Jahren, aber es besteht auch immer die Möglichkeit auf eine Begnadigung. Weil unser Fall so viel Publicity bekam, wurden wir wohl sogar noch früher wieder aus dem Gefängnis entlassen.
Wie hat sich das alles auf dein Leben ausgewirkt?
Anfangs noch sehr negativ, weil ich mich eine Zeit lang in Therapie begeben musste. Ich hatte viel Zeug in mir aufgestaut und musste mich natürlich auch mit vielen schlimmen Erfahrungen auseinandersetzen. Nachdem ich diese negative Phase jedoch überwunden hatte, geriet meine Kreativität auf Hochtouren. So habe ich dann nicht nur das Buch Killing Time über meine Zeit im Gefängnis geschrieben, sondern auch noch meine Musikkarriere angekurbelt. Mir fällt es nämlich leichter, Lieder über die Geschehnisse zu schreiben, anstatt mich so dazu zu äußern. Mein Album kommt noch im Laufe des Jahres raus.
Vielen Dank für das Gespräch, Karl.