Normalerweise hab ich mein Leben halbwegs im Griff, nur beim Fortgehen hängt’s mich teilweise so aus, dass ich nicht nur materielle Verluste, sondern auch ideelle Verluste hinnehmen muss. Es gibt die Art von Story, die man wahrscheinlich niemals gerne und belustigt erzählt—auch wenn sie schon sehr lange her ist. Meine Kreativität und mein impulsives Köpfchen haben mich in so manchen alkoholberauschten Nächten in wirklich blöde Situationen gebracht.
Natürlich scharren sich nur Freunde um mich, die ähnlich gestört sind und so blicken wir gemeinsam reuevoll auf eine reichhaltige Alkohol-History zurück. Meistens freue ich mich fast, wenn ich nach dem Fortgehen nur mein Handy verloren habe. Wirklich. Allerdings geht der “Handy verloren”-Zustand meistens mit irgendeinem krassen Scheiß einher, den ich wirklich nicht erfahren will. Und so weine ich seltener um mein Handy als wieder um ein Stückchen Selbstwert.
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Das eine Mal, als ich mit Kotze am Pulli gefeuert worden bin
Eines Abends war ich unter der Woche bei meiner besten Freundin daheim. Wir haben uns entschlossen, einen angenehmen Mädchenabend zu machen und sind in ein Geschäft gegangen, um Wein, noch mehr Wein, Wodka und Klopfer einzukaufen. Der Wein, der Wodka und die Klopfer waren eigentlich für das Wochenende gedacht. Aber da haben wir die Rechnung ohne uns gemacht. Seitdem weiß ich, dass man Alkohol nicht vorkaufen sollte.
Damals habe ich einen Job in Floridsdorf bei einer Lotto-Stelle gehabt. Also das war ein Geschäft, in dem man Rubbel-, Lotto-, Toto-Lose und ähnliches Zeug kaufen konnte. In Floridsdorf. Stellt euch die Kunden vor. Ich war nach jeder Schicht duschen und weinen. Jedenfalls—oh, Wunder—haben wir aus dem Mädelsabend unabsichtlich ein ziemlich arges Besäufnis gemacht und sind dann in den Queens Club weitergefahren, in dem der Schwarm meiner Freundin war. Jener hat uns dann im eh schon katastrophalen Suff, Wodka-Flaschen besorgt. Irgendwann—nachdem ich mich wie der letzte Mensch aufgeführt habe—habe ich ihren Schlüssel genommen, um heimzufahren. Immerhin musste ich ja um 06:30 Uhr am nächsten Tag in Floridsdorf sein und arbeiten.
Ich kam also bei der Wohnung meiner Freundin an und ich war der Mensch mit dem Schlüssel, während sie keinen Schlüssel hatte. Also legte ich ihren Schlüssel unter die löchrige und dünne Türmatte. Außerdem fand ich es in meiner Bsuff-Logik gut, die Wohnungstür offen zu lassen, damit sie mich nicht weckt. Die Wohnung war in 1160 Wien. Ich stellte meinen Wecker und fiel ins Koma. Ich weiß nicht, wie viel Schlaf ich hatte, aber mehr als drei Stunden für fünf Promille waren nicht drinnen.
Ein Job ist nur etwas für Leute, die mit ihrem AMS-Geld nichts anfangen können. (Ich habe eh nie AMS-Geld empfangen, weil ich auch dafür zu faul war). Alle Fotos von der Autorin.
Am nächsten Tag bin ich um 09:00 Uhr statt 06:30 Uhr aufgewacht, weil meine noch betrunkenere Freundin mein Handy genommen hat, um Musik zu hören. Und einfach den Wecker ausgestellt hat. Ich habe extrem panisch ein Taxi gerufen. Im Taxi bin ich draufgekommen, dass ich meine Geldbörse angebaut habe. Also habe ich dem Taxler mein Handy als Einsatz gegeben. Dann bin ich in Floridsdorf rausgestürmt und habe ewig lange das Schlüsselloch gesucht. Das gesamte Geschäft ist verglast—ihr dürft nicht vergessen, ich hatte sicherlich noch an die vier Promille.
Jedenfalls beobachtete mich die Chefin, wie ich das Schlüsselloch gesucht habe und holte mich irgendwann rein. Es folgten zehn richtig unangenehme Minuten meines Lebens—ich war nicht geduscht, nicht mal umgezogen und vier Stunden zu spät. Sie fragte so etwas wie: “Arbeiten Sie nachts in der Gastronomie?” Was ein wirklich netter Strohhalm war, den ich gleich ergriffen habe. Ich wurde gefeuert und bin mit einem “Verstehe ich eh ur” gegangen. Sie hat mich zurückgerufen, um “Sie haben den Schlüssel vergessen” zu sagen, was noch mal ein schöner Ego-Tritt für meine erste und letzte Kündigung war.
Ich kam zur Wohnung meiner Freundin zurück und sie machte mir Tür auf. Ich so: “Oida, ich bin gefeuert worden.” Sie so : “Fredi, da ist Kotze auf deinem Pulli”. Es folgten mühselige Stunden mit dem Taxi und meinem Handy, sowie der Suche nach meiner Geldbörse, die mich zu meiner ersten Afterhour überhaupt brachte: einer Goa-Afterhour. Aber das ist eine Geschichte für ein anderes Mal. Sie ist noch immer mit dem Typen zusammen und ich im Endeffekt glücklich, dass ich die schwachen, armen AMS-Menschen in Floridsdorf nicht weiter ausbeute, sondern mit ihnen feiern kann.
Das eine Mal, als ich in Amsterdam meinen Schmuck versetzt habe
Fuck you, materielle Werte.
Zu dieser Vorgehensweise hat mich eine Freundin (die von der ersten Geschichte. Hiermit ein Shout Out an unsere Zeiten. Gut, dass sie vorbei sind) inspiriert. Auch ihr ist am letzten Tag in Amsterdam das Geld ausgegangen und sie hat ihren Schmuck ad hoc im erstbesten Geschäft liegen lassen. Irgendetwas mit “von Oma”. Mein Schmuck war eine Kette aus Silber—naja, egal. Ein bisschen beweine ich das Ganze, aber dann wiederum—nein, ich beweine es. Damals war es DIE Idee, um weiterhin Amsterdam in vollen Zügen genießen zu können. Ich war jung und brauchte das Geld.
Das eine Mal, als ich einer 8-Jährigen unabsichtlich Schnaps statt Wasser gab
Es war im Familienurlaub und ich war ein Teenager. Jemand hielt es für eine gute Idee, mich auf kleine Kinder aufpassen zu lassen. Ich habe mich den ganzen Tag mit anderen Teenagern vergnügt, womit diese Geschichte ihre Berechtigung bei “Scheiß, der mir beim Fortgehen passiert ist” hat.
Jedenfalls komme ich aufs Zimmer, Kind ist beschäftigt, also lege ich mich hin und spiele GameBoy. Irgendwann kommt das Kind und sagt, es sei durstig. “Null Problemo”, denke ich mir, immerhin ist es mein Job, genau solche Bedürfnisse zu stillen. Also greife ich nach der erstbesten Plastikflasche und reiche sie dem Kind.
Kind nimmt einen großen, durstigen Schluck und fängt an zu spucken und zu weinen. Es hat sich herausgestellt, dass meine Eltern und die Eltern des Kindes Alkohol umgefüllt haben, um ihn über die Grenze zu hustlen. In Panik habe ich nach einer anderen Flasche gesucht und reichte dem Kind Eistee. Das Kind nahm wegen der brennenden Pappen einen noch viel größeren Schluck. Vom Whiskey, wie es sich unmittelbar herausgestellt hat. Kind hat geweint, ist aber relativ flott und unproblematisch eingeschlafen. Ich wurde nie verpetzt, wahrscheinlich wegen Erinnerungslücken. Manchmal frage ich mich, was aus diesem Kind geworden ist. Oder aus allen Kindern, auf die ich jemals aufgepasst habe.
Das eine Mal, als wir ein Taxi prellen wollten, aber so besoffen waren, dass uns der 50-jährige Taxler eingeholt hat
Ich habe in meiner Jugend nichts verpasst, so viel ist sicher.
Ich glaube der Titel erklärt die Geschichte ganz gut. Lügen haben kurze Beine oder in unserem Fall einen wackeligen Gang. Beziehungsweise gar keinen Gang. Hochmut kommt vor dem Fall, passt noch besser. Übrigens: Wir dachten, dass es ur einfach wird, weil er alt und dicker war. Was wir nicht wussten: Er war nicht mal im Ansatz so ein blödes Arschloch wie wir und so ist auch diese Geschichte ohne Polizei und mit vielen besoffenen Tränen meinerseits zu Ende gegangen. Seine erste Frage war: “Hobt’s vergessen zu zahlen oder woa des a Fluchtversuch?” Enough said.
Das eine Mal, als uns die Polizei beim Strippen im Park erwischte
Diese Geschichte ist auch schon länger her und sie hat mit mehr Malibu zu tun, als ich zugeben wollen würde. Wir tranken auf dem Balkon eines Freundes, alles war ganz normal. Wir spielten “Wahl, Wahrheit oder Pflicht” und ziemlich schnell resultierte das Spiel in eine Sauforgie mit Bekenntnissen unserer jungen Sexualität.
Jedenfalls haben wir irgendwann besoffen beschlossen, in ein nahegelegenes Schwimmbad einzubrechen und dieses Spiel weiterzuspielen. Ab da reißen die Erinnerungen langsam ab—unterschätzt niemals die Kraft des Malibus—und ich weiß nur noch, wie wir auf einer Hauptverkehrsstraße von einem Polizei-Auto aufgehalten worden sind.
Irgendwie hat mich die Polizei im Park strippen gesehen—es war das Spiel, OK?—und hat uns dann alle aufgehalten. Wir waren noch dazu laut und haben randaliert. Die Geschichte ging dann so aus, dass wir uns ihre Dienstnummern aufgeschrieben haben, sie sich unsere Daten und wir voneinander nie wieder gehört haben. Sagen wir mal, dass sich die Polizei in der Situation nicht adäquat geäußert hat und wir kleinen Ratten es für uns nutzen konnten.
Das eine Mal, als ich Silvester verschlafen habe, weil ich bereits um 22:00 Uhr hacke war
Ich weiß, so etwas passiert einigen Leuten. Aber ich habe das Gefühl und dringende Bedürfnis, es hier als “Scheiß” zu labeln. Wer nicht mal Silvester durchhält, hat entweder ein wahnsinniges Alkoholproblem, oder. Nein. Kein Oder. Aber ich hatte Herzschmerz, OK? Allerdings ging es mir am Tag danach besser als meinen abgestürzten Kollegen. Ich bin überhaupt der Typ Mensch, der sich bum zu nicht verabschiedet, um in einen tiefen, langen Schlaf irgendwo auf Gottes Erde zu fallen. Das folgende Mal wurde mir der polnische Abgang zum Verhängnis:
Das eine Mal, als ich von meiner eigenen Party am Klo aufgeweckt und rausgeworfen wurde
Ich hoffe inständig, dass es niemand aus meinem Kollektiv liest, weil ich stets drauf poche, dass man als Veranstalter nüchtern ist und alles im Griff hat. Das stimmt eh auch. Zum Teil. Am besagten Abend war ich halt auch DJ, oder zumindest etwas Ähnliches, und ich habe ab irgendwann nur noch Wodka im Backstage gefunden.
Ich war nervös und nicht hauptverantwortlich für den Abend, weil wir eben nur einen Floor hatten. Also trank ich meine Nervosität so gut runter, dass ich am nächsten Tag um 08:00 Uhr in der Früh aufgeweckt worden bin, weil Securitys die Klo-Kabine gestürmt und mich rausgebeten haben. Alle meine Freunde waren weg. Es wäre schon so peinlich, aber hier wurde ich am Anfang des Abends den Securitys als eine der Organisatoren vorgestellt.
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