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Wir von Noisey, wir gehören zu den Guten. Wir lassen euch nicht im Stich. Wir lassen nicht zu, dass ihr euch irgendwo blamiert. Ganz auf euer Wohl bedacht, haben wir euch daher schon den Knigge für Hardcore-Shows zusammengeschrieben und euch ausgiebig erklärt, wie ihr euch im Club nicht wie komplette Idioten benehmt. Für alle Sonnenkinder unter euch, die ihr lieber zu Cold War Kids weint und eure Freundin zu Alt-J löffelt, haben wir nun auch ein paar Benimmregeln für all die Indie-Partys und –konzerte zusammengeschrieben. Villeicht können wir euch mit diesem Knigge sogar dazu motivieren, in den kommenden, kalten Monaten eure warme, mit Arctic-Monkeys-Postern tapezierte Höhle irgendwann einmal zu verlassen.
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Suche dir stundenlang dein Outfit zusammen
… damit es im Endeffekt danach aussieht, als hättet ihr das Erstbeste angezogen, was euch aus eurem Vintage-Schrank entgegengefallen ist. Hierfür haben The View bereits eine güldene Regel aufgestellt: „I’ve had the same jeans on for four days now, I’m gonna go to a disco in the middle of the town. Everybody’s dressing up, I’m dressing down.“
Werter Typ, lass dich aber nicht beirren—dein Look funktioniert. Du siehst tatsächlich aus wie ein wahrgewordener feuchter Traum: Eine Mischung aus Pete Doherty und WiewarnochmalseinName, ihr wisst schon, dem niedlichen Sänger von The Kooks. Deine mühsam 25 Minuten lang verstrubbelte Out-Of-Bed-Wuschelfrisur und diese unfassbar knallenge Jeggings, die dein an den rechten Oberschenkel gepresstes Gemächt so gut zur Geltung bringt, wird sich bei deinem Objekt der Begierde bezahlt machen. Glitzer geht übrigens auch immer, egal ob über das Haupt gestreut oder auf die Wangen geklebt. Ihr wisst schon, das ist süß und sensibel und so.Und als Indie-Mann von Welt kehrt man seine sensible Seite nach außen. Verletzlichkeit rules.
Als Mädchen (merke: Mädchen. Du bist keine Frau. Du bist Mädchen.) strebst du danach, in den Olymp der Indie-Elfen aufzuschweben. Du hast vermutlich seit deinem elften Lebensjahr nicht mehr zugenommen, hegst ebenfalls eine Vorliebe für hyperenge Jeans und bändigst deine lange, ungebürstete Mähne lediglich mit geflochtenen Stirnbändern. Auch hier ist Glitzer gefragt, außerdem dürfen gern Federn, Muscheln und andere Zeichen der unbedingten Naturverbundenheit in deine Frisur eingehen. Äste und Geweihe erfordern allerdings eine Selbstsicherheit beim Tragen, die nicht jeder mit sich bringt, also: Obacht!
Foto: Flickr | Alex-501 | CC By 2.0
Glüh vor
In Zeiten von StudiVZ hat man noch härter vorgeglüht, als man dann letztendlich Party gemacht hat. In letzter Zeit haben wir das Gefühl, dass weniger vorgeglüht wird. Vielleicht ist es auch nur unser Alter und die Tatsache, dass wir Freitags nach der Arbeit meist erstmal ein bisschen schlafen, bevor wir ausgehen. Oder es ist die Tatsache, dass wir mittlerweile genug Geld haben, um nüchtern in einen Club reinzugehen und betrunken wieder rauszukommen. Oder es ist die Tatsache, dass wir uns hauptsächlich auf Partys mit elektronischer Musik bewegen, die eh nicht vor halb zwei richtig anfangen. Ok, uns fällt gerade auf, dass das tatsächlich alles Alterserscheinungen sind. Bei Indie Partys ist es auf jeden Fall irrsinnig wichtig, dass ihr euch vorher mit euren 4-8 besten Freunden trefft und euch ordentlich betrinkt. Vielleicht kocht ihr auch etwas in der Wohnung von dieser einen, die eine große Küche hat. Jeder bringt ein paar Bierdosen mit, und irgendjemand einen Rotwein. Dabei läuft im Hintergrund ein Mixtape (60% Neues, 40% Klassiker) und erzählt ihr euch gegenseitig, wie euer Studium der Vergleichenden Literaturwissenschaft voran kommt. Gegen halb zwölf seid ihr dann betrunken genug, euch endlich in einer Meute richtig Indie Club zu bewegen.
Sei textsicher
Auf Partys mit elektronischer Musik kannst du gehen ohne einen einzelnen der gespielten Tracks zu kennen. Auf Indie Partys ist das anders. Da geht es ums Mitsingen, Mitgröhlen, Mitfühlen. Nach eben diesen Kriterien wirst du auf der Tanzfläche bewertet werden- Deshalb ist es extrem wichtig, dass du den Text von Klassikern und den aktuellen Hits kennst. Der Trick ist dabei natürlich der, das du nicht den gesamten Text kennen musst, sondern nur die Keylines: Durch den Teil zwischen „Let’s dance to Joy Division!“ und „we’re so happy, we are so happy!” kannst du dich mit Murmeln retten, wenn du am Anfang und Ende des Refrains nur überzeugend und laut genug singst und dabei die Arme hochreißt.
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Bestell die richtigen Getränke
Indie-Kids haben tatsächlich oft wenig Geld. Und selbst wenn sie welches haben, gehen sie trotzdem immer noch am liebsten in Second Hand Shops. So trinken sie auch. Komm also nicht auf die Idee, dir einen Cocktail oder den doppelten Wodka-Red Bull zu bestellen. Wodka geht nur in Verbindung mit Mate, und das auch erst seit ca 2009. Davor waren als Spirituosen nur Obstler und Jägermeister akzeptabel. Am besten bleibt man ohnehin bei Bier oder Spritzer, das ist ehrlich und geht immer. Wer wirklich Eindruck schinden will, bestellt Cider. Damit wird man gefühlt nicht betrunken, zeigt aber seine Verbundenheit mit UK oder so.
Gib dich der Nostalgie hin
Lebe den Moment? Pfff, you’re in the wrong neighbourhood, Baby! Indie ist Nostalgie und Verklärung vergangener Zeiten. Wenn nicht gerade hart auf der Tanzfläche zu „Let’s Dance to Joy Division“ abgespackt wird, stellt ihr euch in kleinen Grüppchen zusammen und erinnert euch gemeinsam daran, wie toll alles beim Glastonbury 2008 war. Oder halt beim Nürnberg Pop, wenn man brutal ehrlich zu sich selbst ist. Zwischendurch solltest du dich ruhig alleine an die Bar stellen und mit leerem Blick in die Ferne eine Zigarette drehen. Nippe ein bisschen an deiner Mate und lächle verklärt. Sollte dich der freundlich-verstrahlte Dealer dabei ins Visier nehmen, so zögere nicht, ihm mit ein paar Euronen seinen Abend zu erleichtern. Neben einem gut ausgeklügelten Sortiment an Koffeintabletten hat er jetzt nämlich auch irgendeinen superheißen, vollbiologischen Shit aus Acaibeeren und Kuhmist im Angebot.
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Schüttel deinen Speck
Frisch mit Koffein versorgt, kann dich jetzt nichts mehr daran hindern, dem eigentlichen Zweck des Abends nachzugehen: Tanzen, Kind! Du musst tanzen! Das gesamte verranzte Kellerloch muss mit Liebe und rhythmisch zuckenden Körpern ausgefüllt werden! In wildem Twostep darfst du im Kreis herumsteigen, während deine Arme wahllos durch die Luft rudern, deine Finger unsichtbare Luftballons zerstechen und die sorgsam ungegelte Haarpracht geschüttelt wird. Beim Refrain von absolut jedem Lied krümmst du dich dann nach vorne, schnippst mit den Fingern und starrst dem unbekannten Tänzer dir gegenüber in die Augen, während ihr Beide enthusiastisch mitsingt. „BUT IT WAS NOT YOUR FAULT, BUT MIIIIINE…“ Dabei schön mit dem rechten Bein stampfen. Textsicherheit wird vorausgesetzt (s.o.) Spätestens um eins schießt dann der euphorischste der drei bis sieben Vögel hinter dem DJ-Pult Fratellis „Chelsea Dagger“ raus—das ist dein Stichwort, um endgültig den Verstand zu verlieren. Ab sofort wird ausschließlich gehüpft und während du dich um dich selbst drehst, schleuderst du die Arme so hoch in die Luft, dass dein Strickpullover einen sexy Streifen Bauch freigibt. Danach stolperst du selig lächelnd in Richtung Bar und holst dir ‘ne neue Mate. Wenn du richtig gut drauf bist sogar mit einem Schuss Wodka (s. ebenfalls oben)
Unterdrücke frühkindliche Prägungen
Sollte der Party ein Konzert vorausgegangen sein: Verschrecke nicht die universelle Liebe, die sich in mühsamer dreistündiger Arbeit zwischen allen glückstrunkenen Besuchern aufgebaut hat, indem du wild zu klatschen anfängst. Geklatscht wird nicht. Niemals. Du schaffst es ohnehin nicht rhythmisch. Sollte jemand in deiner unmittelbaren Umgebung anfangen zu klatschen, strafe ihn/sie mit eindeutig missfallenden Blicken, eventuell sogar einem leichten Rempler, der klar macht: Zum Klatschen gehst du bitte zu einem Helene Fischer-Konzert. Zeige deine Begeisterung stattdessen durch ein sanftes „Wuuuuu“, wiege dich in der Menge, schließe verzückt deine Äuglein und honoriere im Anschluss die Bemühungen der verschwitzen Band mit einem letzten Foto. HashtagSCHAUMALICHWARAUCHDA.
Bleib nicht zu lang
Im Berghain hängen die Druffis von Freitagnacht bis Montagfrüh? Das ist definitiv nicht dein Style. Schließlich musst du Samstags noch in den veganen Supermarkt, weil du abends mit Freunden gemütlich kochst und am Sonntag willst du möglichst früh zum Flohmarkt, weil deine beste Freundin da neulich diese unfassbar schöne Kommode gesehen hat, die so perfekt in deinen Flur passen würde, und du hast Angst, dass sie wer anders kauft. Aber weißt du, die besten Partys finden eh zwischen 23 und 2 Uhr statt, und das Schönste an einem guten Konzert ist doch, danach glücklich in deinem Bett zu liegen und deine Freundin zu löffeln. Aber Vorsicht: Wenn du früh abhaust, verpasst du die Phase zwischen drei und wenn das Licht angeht (halb vier), wo sich alle in den Armen liegen und abwechselnd „Don’t Look Back In Anger“ und irgendwas von Tomte oder so gespielt wird. Sieh es mal so: Zumindest musst du nicht ohne Körperkontakt nachhause.
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