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Der Sternekoch, der vom Graffiti kam

„Wenn du irgendwann mal einen Platz im Septime bekommst”, erzählte uns Léo Bourdin, Redakteur bei MUNCHIES in Frankreich, „wird dich die Einfachheit garantiert umhauen!”

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Der Pariser Koch Bertrand Grébaut bei der Arbeit im Lyle’s in London. Alle Fotos von Liz Seabrook

Léo hat uns schon einiges über Bertrand Grébaut, dem Koch hinter diesem Restaurant, erzählt: Bertrand war erst Graffiti-Künstler, dann Schüler von Alain Passant und leitet jetzt das Septime. Gefeiert wird das Restaurant, das im 11. Arrondissement der französischen Hauptstadt liegt, als „Neo Bistro”, die neue Art der französischen Bistros: Dank der extrem lockeren Herangehensweise an die französische Küche ist ein regelrechter Hype um das kleine Restaurant ausgebrochen.

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Da will man sich doch sofort in den nächsten Flieger nach Paris setzen …

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Grébaut und der Chefkoch vom Lyle’s, James Lowe

„Grébauts Küche ist nicht das, was du erwarten würdest. Sie überrascht einen immer, je nach Saison, ist aber dabei immer sehr elegant”, fügt Léo hinzu. „Grébaut hat es irgendwie geschafft, dass sein Sternerestaurant wie ein typisches restaurant de quartier, eine Art „Kiezrestaurant”, aussieht. Und genau das will in Paris doch gerade jeder: ein heimeliger und bodenständiger Laden, wo man essen und trinken kann, als gäbe es kein Morgen mehr.”

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Das will man zur Zeit wahrscheinlich nicht nur in Paris. Das Septime passt da voll rein: Die Weinkarte beschränkt sich auf einige kleinere Winzer, das Menü reicht von Hühnerleberpastete bis hin zu Ceviche mit geräuchertem Thunfisch. Das Restaurant kann sich nicht nur mit einem der berühmten Sterne schmücken, sondern heimst auch einen Platz auf der Liste der 50 besten Restaurants weltweit ein.

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Wir haben uns mit Bertrand Grébaut in London getroffen, als er bei einem der berühmten Dinnerevents im Lyle’s als Gastkoch eingeladen war. Er hat uns mehr von seiner„Kiez-Sterneküche” erzählt.

MUNCHIES: Hi Betrand! Du hast eigentlich überhaupt keinen Food-Hintergrund, oder? Erzähl doch mal ein bisschen vor deinem vorherigen Leben. Bertrand Grébaut: Urpsrünglich bin ich Grafiker. Ich habe die Ausbildung eigentlich nur gemacht, weil das einzige, was mich damals wirklich inspiriert hat, Graffiti waren, insbesondere die auf den Zügen oder den Métros in Paris und anderen Städten.

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Das ist ein ganz schöner Sprung, der sich aber anscheinend ausgezahlt hat: Die französische Zeitung L’Express hat mir dir schon die neue Generation „New French Bistrot” ausgerufen. Was hältst du davon? Die französischen Medien lieben einfach Schubladen und wollen jeden irgendwo hineinstopfen. In diesem Fall aber hatten sie Recht: Die Bezeichnung „Generation New French Bistrot” bezieht sich auf Köche, die keine Hemmungen kennen, die mit einer sehr persönlichen Note in einer lockeren, ungezwungenen Atmosphäre kochen. So wird das auch der Öffentlichkeit nähergebracht.

Natürlich gibt es gute große Restaurants. Aber wir glauben, dass man auch in einem bescheideneren Rahmen Wunder vollbringen kann und alles bei moderaten Preisen und mit einer weniger elitären Atmosphäre.

Aber das ist ja auch eine Frage der Zeit. Wer weiß, vielleicht will ich in 20 Jahren in meinem Restaurant nur weiße Tischdecken und feines Tafelsilber sehen.

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Deinen ersten Stern hast du als Küchenchef des L’Agapé erhalten. Wie hat deine Arbeit dort deinen heutigen Kochstil beeinflusst? Im L’Agapé war ich zum ersten Mal Küchenchef—meine ersten Schritte sozusagen. Das war eine interessante Übung. Ich hatte zwar weniger Freiheiten, aber diese Grenzen haben mich auch geformt und ich konnte mir einen Namen machen. Meine eigene Vorstellung vom Kochen habe ich aber während eines Praktikumsbeim L’Arpège entwickelt: Für mich ist Kochen etwas Natürliches, nicht etwas Hochtechnisches oder Systematisches.

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Und diese Vorstellung hattest du auch, als du das Septime eröffnet hast? Wir hatten ALLE diese Vorstellung vom Kochen. Wir, also ich und mein Geschäftspartner Théo Pouriat, haben alles gemeinsam entwickelt. Ursprünglich wollten wir alles, was wir an den französischen Bistros, den Drei-Sterne-Restaurants und unseren kulinarischen Entdeckungen in Frankreich und der Welt so liebten, an einem Ort zusammenbringen.

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Das Septime wird für seine Fusion aus Edelgastronomie und lockerer Bistro-Atmosphäre gefeiert. Kommt das in Paris seltener vor? Heutzutage ist das nichts Neues mehr. Die französische Küche zeichnet sich insbesondere durch ihre Vielfältigkeit aus. Mittlerweile gibt es großartige Restaurants, Restaurants, wo alles aus einer Feder kommt, hochqualitative Weinlokale, Bäckereien mit ganz eigenem Stil … Die Gastroszene war noch nie so vielfältig. Yves Camdeborde—und später auch Iñaki Aizpitarte—haben dafür den Weg geebnet und die Kochwelt förmlich demokratisiert.

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Das Septime hat bereits kurz nach der Eröffnung einen Michelin-Stern erhalten. Hat dich der schnelle Erfolg des Restaurants überrascht? Das ist schon beeindruckend, wie schnell das alles ging, aber das lag nicht nur an uns. Die Medien verstärken den Effekt zusätzlich. Ich vermute, das Septime hat nur auf eine bereits bestehende Nachfrage reagiert.

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Inwiefern unterscheiden sich die Gastronomie in London und in Paris? Ich habe nur wenig Ahnung von der britischen Food-Szene, aber ich glaube, auch hier gibt es ein ähnliches Phänomen wie in Paris mit Restaurants wie dem Lyles’ und The Clove Club oder auch Köchen wie Nuno Mendes. Aber im Gegensatz zu Paris, ist die Londoner Küche wesentlich authentischer und bunt gemischt. Sie ist weniger mit den Traditionen verwurzelt, dadurch haben junge Köche größere Chancen, sich selbst auch auszudrücken.

Danke dir für das Gespräch!

Alle Fotos von Liz Seabrook.