Vanessa Spanbauer ist Österreicherin, Schwarze Wienerin, Mitarbeiterin der Doku ‘Schwarz in Wien’ & Chefredakteurin von fresh – Black Austrian Lifestyle. Dieser Text erschien in leicht geänderter Fassung zuerst auf Vanessas Blog.
Rassismus ist kein einfaches Thema, wie der ORF in einem ZIB Magazin-Beitrag vom Montag, dem 30. Juli 2018, festhält. “Kaum jemand möchte über dieses Thema reden”, heißt es. Das stimmt so nicht ganz. Viele wollen es nur nicht hören – so auch der ORF selbst, wie er aktuell beweist, indem er eine abgesegnete Dokumentation mit Sendetermin doch nicht spielt, ohne eine Begründung dafür abzugeben.
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Der Hashtag #metwo – also “ich zwei”, wie in: zwei Identitäten – holt seit Kurzem Alltagsrassismus vor den Vorhang im deutschsprachigen Raum – einen Vorhang, der immer halb transparent ist, bei dem aber jeder so tut, als ob er blickdicht wäre. Während viele Menschen fast täglich Diskriminierung aufgrund ihrer Herkunft oder ihrer Wurzeln erfahren, ist das Thema für einige Menschen, die damit bisher keine direkten Berührungspunkte hatten, noch völlig neu. Perfekt also, um den öffentlich-rechtlichen Auftrag ernst zu nehmen und einen wichtigen Teil unserer Gesellschaft abzubilden. Zumindest theoretisch.
Rassismus hat verschiedenste Facetten. Anscheinend ist der ORF selbst nicht immun dagegen, mit diesem Thema ungeschickt bis rassistisch umzugehen.
Der patscherte Umgang der Österreicherinnen und Österreicher mit Schwarzen Menschen – oder besser: der patscherte Umgang weißer Wienerinnen und Wiener mit Schwarzen Wienerinnen und Wiener – war einer der Gegenstände einer Dokumentation, die der ORF Wien in Auftrag gegeben, inhaltlich absegnet und kurz vor der Ausstrahlung aus dem Programm gekickt hatte. Patschert ist der Umgang mit Menschen, die Wurzeln in anderen Ländern oder Kulturen haben, ja oft – und rassistisch leider auch. Genau das zu erzählen, wäre die Idee der Doku gewesen; aber wie es aussieht, ist der ORF selbst nicht immun dagegen, mit diesem Thema eher ungeschickt umzugehen. Von der Problematik will man inzwischen jedenfalls lieber doch nichts hören oder erzählen.
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Rassismus hat verschiedenste Facetten. Nicht alle sind auf den ersten Blick zu erkennen. Vieles spielt sich abseits der Lebenswelt vieler Wienerinnen und Wiener auf, die in ihrer heilen Parallelwelt leben, weil sie selbst nicht betroffen sind und in ihrer Blase niemanden kennen, der sie mit diesen Erfahrungen konfrontiert. Die Doku Schwarz in Wien – Von Soliman bis Alaba hätte einen wichtigen Beitrag leisten können, um die Lebensrealitäten vieler Menschen in dieser Stadt und in diesem Land abzubilden und endlich sichtbarer zu machen. Die Produktion hatte das Ziel, Schwarze Menschen vor die Kamera zu holen, die ihre Erfahrungen und Erlebnisse schildern. Menschen, die sich ganz selbstverständlich als Teil dieses Landes fühlten, bis es ihnen jemand absprach; und das in manchen Fällen das ganze Leben lang.
Von kleinen Kommentaren nebenbei über wüste Beschimpfungen und Handgreiflichkeiten, bis hin zu Polizeigewalt und Diskriminierung bei der Wohnungs- und Arbeitssuche – das Leben als Schwarzer Mensch in Österreich fordert enorme Stärke. Die Verarbeitung, der Umgang und die Erlebnisse variieren von Person zu Person. Was bleibt, sind Geschichten, die eine Plattform brauchen – damit sich diese Geschichten nicht endlos wiederholen müssen.
Eine solche Plattform zu finden, ist dabei nicht immer einfach. Schließlich ist die österreichische Medienwelt mit ihren meist sehr homogenen, weißen Redaktionen häufig betriebsblind, was diese Problematik angeht – oder sie wollen aus genau diesem Grund den Betroffenen einfach kein Forum bieten. Schwarze Menschen dürfen als Kriminelle auftreten, Sport machen, singen und brav mit Trommeln im Afrikadorf sitzen. Einfach nur Teil dieser Gesellschaft sein und damit genauso viel Vielfältigkeit haben wie andere Bevölkerungsgruppen, das dürfen sie in der Öffentlichkeit allerdings eher nicht.
In Österreich berichtet man über etwas – meist, ohne die betroffenen Gruppen einzubeziehen. Repräsentation ist anscheinend zu viel verlangt.
Diversität und die österreichische Medienwelt sind also keine guten Freunde. Journalisten und Journalistinnen sind mehrheitlich weiß, ohne Migrationshintergrund und kommen eher nicht aus den sogenannten Arbeiterfamilien. Man berichtet “über” etwas – über den Islam, über “Brennpunktschulen”, über Migration. Meist tut man das, ohne die betroffenen Gruppen einzubeziehen und bildet damit nur eine Seite ab; etwas, das der ORF bei anderen Themen konsequent zu vermeiden versucht. Repräsentation ist anscheinend zu viel verlangt – oder sie geht nur, wenn es gerade “thematisch passt“. Und schnell merkt man, es passt nie.
Warum spielt der ORF eine fertige, abgesegnete, vom Verantwortlichen als “toll” und “stark” bezeichnete und in Auftrag gegebene Doku nicht und lässt sie kurz vor dem Sendetermin am 5. August, um 18:20 Uhr auf ORF 2, im Archiv verschwinden? Warum ist die Direktorin des Landesstudio Wien, die in letzter Minute die Reißleine zog, bis jetzt nicht bereit, ein Statement mit einer Begründung abzugeben und lässt alle mit ihrer Entscheidung im Ungewissen?
Erklärung gibt es keine. Wir können nur vermuten. Ist es die Verweigerung der Auseinandersetzung mit dem eigenen Rassismus? Ist es Angst vor der Meinung einiger “besorgter Bürger”? Oder geht es sogar um die Angst vor Konsequenzen aus der Politik – besonders, weil die Regierung angeblich daran feilt, den ORF zu schwächen oder ihn zu “unterwandern”? Spekulationen, die man sich schwer verkneifen kann. Während darüber diskutiert wird, ob man Rechtsextremen eine Plattform bieten soll, dürfen die Menschen, die von der aufgeladenen Stimmung im Land am meisten betroffen sind, offenbar keine bekommen. Eine Stimmung, zu der die Medien viel beigetragen haben.
Als Mitarbeiterin, die diese Doku begleitet hat, als Chefredakteurin eines Mediums für die 2. und 3. Generation von Menschen mit afrikanischen Wurzeln und Wurzeln in der Diaspora, als Schwarze Frau und als Wienerin finde ich diese Vorgangsweise eines öffentlich-rechtlichen Senders unwürdig und völlig inakzeptabel. Besonders das Fehlen einer Begründung empfinde ich als Schmähung der Lebensrealitäten Schwarzer Menschen.
Ich spreche mich hiermit für eine diversere Darstellung der Bevölkerung aus – vor allem in einem Medium, das uns allen gehören und für uns alle da sein sollte. Geschichten über Alltagsrassismus, über strukturellen Rassismus und Diskriminierung sind österreichische Geschichten – erlebt von Österreicherinnen und Österreichern, ausgeführt von Österreicherinnen und Österreichern. Es ist an der Zeit, dass der ORF seinen eigenen Claim – “ORF wie wir” – endlich ernst nimmt; und uns nicht länger in “uns und euch” einteilt.
Wir haben seither auch den Regisseur der Doku, Teddy Podgorski, und das ORF-Landesstudio Wien um Statements gebeten. Der Regisseur und Produzent Teddy Podgorski sagt zu dem Vorfall:
“Ich bin nur verblüfft, dass eine redaktionell bereits abgenommene Story aus dem Programm gekegelt wird und den Interviewpartnern keine offizielle Begründung dafür gegeben wird. Es gibt im Film keinerlei Kommentierung; keinen Off-Text, keine Bildstrecken, keine Musikuntermalungen. Ich bin als Gestalter also nur eine Nebenfigur.”
Das ORF-Landesstudio Wien erklärt in einer Stellungnahme die Entscheidung, die Doku aus dem Programm zu nehmen, so:
“Die abgelieferte Doku hat technisch, formal und inhaltlich nicht dem beauftragten Konzept entsprochen. Bei der Sendungsabnahme wurde deshalb von den Verantwortlichen der geplante Sendetermin verschoben und der Gestalter wird mit einer Überarbeitung beauftragt.”
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