Kolumbiens zweite Liga ist wie viele andere (zweite) Ligen auf der Welt: Man spielt vor einem kleinen Publikum, verdient nicht allzu viel und muss mit der ständigen Angst leben, dass der eigene Verein pleite gehen könnte. Alles in allem ist es also ein Ort, an dem man nicht länger als nötig bleibt.
Radamel Falcao gab sein Profidebüt genau hier. Er spielte noch als Jugendlicher für einen mittlerweile aufgelösten Verein namens Lanceros Boyacá, bevor es ihn nach Argentinien zu River Plate zog. Falcaos Zeit bei Lanceros war nicht besonders prägend, was vor allem daran lag, dass er in anderthalb Jahren auf gerade einmal acht Einsätze kam, zeigt aber gleichzeitig, wie buchstäblich weit entfernt von der großen (europäischen) Fußballbühne die Karrieren von hochtalentierten Juniorenspielern in Kolumbien beginnen. Die zukünftigen Xavis und Iscos beginnen zwar bei deutlich niederklassigeren Vereinen irgendwo in Spanien, spielen dafür aber in der Nähe von den großen Namen der Primera División und deren Scouts. Darum winken bei guten Leistungen auch renommierte Jugendakademien. Es kann also schnell voran gehen, wenn das nötige Talent da ist.
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Falcao hingegen musste einen ziemlichen Umweg einschlagen, bis er endlich bei Vereinen von internationalem Rang landen konnte. Er spielte vier Jahre lang für die Jugendmannschaft von River Plate, bevor er 2005 den Sprung zu den Profis schaffte. Anschließend ging er dort für vier weitere Spielzeiten auf Torejagd und zeigte dabei Jahr für Jahr beeindruckende Leistungen. Das weckte natürlich Begehrlichkeiten bei Vereinen im Ausland. Es kursierten Gerüchte über Angebote von Fluminense, dem AS Rom oder auch Aston Villa. Am Ende wechselte er zum FC Porto. Wir schrieben das Jahr 2009 und Falcao war da 23 Jahre alt.
Porto ist ein merkwürdiger Verein. Die Portugiesen holen oft vielversprechende Spieler aus Südamerika, doch fehlt es ihnen meist am nötigen Kleingeld, um sich die gesamten Transferrechte zu sichern, was dazu führt, dass 20, 30 oder 40 Prozent der Rechte in den Händen von umtriebigen Agenten oder undurchsichtigen Investmentfirmen landen. Infolgedessen haben Spieler, die einen Zwischenstop beim FC Porto (oder auch bei Benfica und Sporting Lissabon) eingelegt haben, nicht immer vollen Einfluss auf den weiteren Verlauf ihrer Karriere. Im Klartext heißt das: Sie landen manchmal bei Vereinen, die nicht unbedingt auf ihrer Wunschliste stehen.
Porto hat 2009 60 Prozent der Rechte an Falcao erworben. Es ist nicht ganz klar, ob die übrigen 40 Prozent von Dritten gekauft wurden oder ob sie einfach im Besitz von River Plate blieben. Doch spätestens im Sommer 2011—nämlich dann, als Doyen Sports Investments die Hälfte der Ablösesumme (40 Millionen) für Falcaos Wechsel zu Atlético Madrid finanzierte—gehörte der Kolumbianer zumindest teilweise einer Drittpartei. Nachdem er zwei Jahre lang unter Beweis gestellt hatte, dass er einer der besten Neuner der Welt war, brodelte mal wieder die Gerüchteküche. Die Gazetten waren voll davon, dass Falcao zu Chelsea oder sogar zum großen Stadtrivalen wechseln könnte. Stattdessen zog es ihn zur Überraschung vieler zu den Neureichen vom AS Monaco, wo er zwar deutlich mehr Geld verdienen konnte, aber aus sportlicher Sicht einen Rückschritt machte. Schließlich wurde Atlético in der folgenden Saison nicht nur Meister, sondern zog sogar ins Finale der Champions League ein.
Ob Falcao nun wirklich aus eigenem Wunsch zu Monaco wechselte, bleibt ein Rätsel, fest steht nur, dass er 2013 im Fürstenstaat ankam und gute Leistungen zeigte (auch wenn er nicht ganz an seine früheren Leistungen anknüpfen konnte). Dann riss er sich im Januar 2014 das vordere Kreuzband und verpasste deswegen auch die WM in Brasilien. Nachdem man Monaco den Geldhahn weitgehend zugedreht hatte, kam Falcaos große Chance, endlich für einen ganz Großen auf der europäischen Fußballbühne auflaufen zu können, als er vergangenen Sommer zu Manchester United ausgeliehen wurde.
Das Problem ist aber, dass er nicht mehr derselbe Spieler ist, der Atlético bis in die Champions League geschossen hat. Egal ob es nun an seinen kaputten Knochen liegt oder nur mit seinem Alter (Falcao wurde dieses Jahr 29) zu tun hat, Falcao ist mittlerweile in einer anderen Phase seiner Karriere. Auch wenn seine Statistiken noch immer recht ansehnlich sind—ein Teil seiner Probleme lässt sich wohl auch auf die wenig inspirierende Spielweise von United schieben, die einem Spieler seiner Art, der Tore verwandelt, statt sie selber herauszuspielen, nicht unbedingt entgegenkommt—, ist er einfach nicht mehr der Gleiche. Und das auf eine Art, die man bei Spielern auf seiner Position nur schwer auf den Punkt bringen kann. Aber so viel sei gesagt: Seine Sprints eröffnen einfach nicht mehr die Räume wie früher. Seine feinen Tricks können kaum noch seine Gegenspieler foppen. Und die Tore, die er heute schießt, wirken mehr wie mit der Brechstange erzielt.
Und wenn Topleistungen ausbleiben, kann man sich sicher sein, dass schon bald die scharfzüngige englische Presse auf den Plan tritt. So wird Falcao schon jetzt als Transfer-Flop bezeichnet und manche Kommentatoren unterstellen ihm sogar, eh nie ein so großer Spieler gewesen zu sein. Was natürlich ziemlich dreist ist, aber eben nur durch viele Tore nachhaltig widerlegt werden kann. Denn das, was Falcao um das Jahr 2010 geboten hat, als er neben Messi und Ronaldo einer der torgefährlichsten Spieler der Welt war, haben englische Fans entweder nie so richtig mitbekommen oder schon längst wieder vergessen. Damals hat er aus fast jedem Winkel den Ball auf unnachahmliche Weise ins Tor geschlenzt und war, sobald er im Strafraum auftauchte, eine echte Tormaschine.
Berichten zufolge soll Real Madrid am Kolumbianer dran sein, aber in seiner aktuellen Form hätte er gegen Karim Benzema nicht den Hauch einer Chance, sodass ein Transfer zu den Königlichen aus sportlicher Sicht nur wenig Sinn machen würde. Außerdem besteht noch die Möglichkeit, dass ihn United zum Saisonende kaufen wird, auch wenn sie dafür bestimmt nicht die von Monaco geforderten 55 Millionen Euro bezahlen würden. Die Wurzel aller Probleme hat im Fall von Falcao einen eindeutigen Namen: Timing.
Fußballspieler haben, im Vergleich zu anderen Athleten, eine relativ kurze Haltbarkeitsdauer und es scheint, als hätte Falcao seine besten Jahre im Trikot von Porto und Atlético verschenkt, während er tief im Herzen (und vollkommen berechtigt) von den ganz großen Adressen in Europa träumte. Er spielt jetzt zwar für Manchester United, doch was die Krönung seiner Karriere werden sollte, wurde für Falcao eher zur Enttäuschung. Den Kolumbianer jetzt als Versager abzustempeln, wie es einige englische Zeitungen tun, hat er definitiv nicht verdient. Und wer weiß, vielleicht hat er auch noch einiges im Tank, was er—in einem anderen System oder Team—endlich wieder zeigen könnte. Doch eine Sache scheint sicher zu sein: Mit den vielen, wohl zu vielen Zwischenstationen (bei denen wohl auch wenig altruistische Dritte ihre Finger mit im Spiel hatten) auf seinem Weg bis nach Old Trafford hat sich Falcao und seiner Karriere keinen Gefallen getan.