Drogen

Der VICE Guide zum Kiffen in der Schweiz

Fast jeder dritte Mensch in der Schweiz hat in seinem Leben schon mal gekifft – bei den 20- bis 35-Jährigen hatte über die Hälfte bereits einen Joint im Mund. Das sind ziemlich viele, wenn man bedenkt, dass sich jeder einzelne davon strafbar gemacht hat. Im europäischen Vergleich ist die Schweiz mit rund sechs Prozent regelmässigen Kiffern unter 15- bis 35-Jährigen eher vorne mit dabei. Auch wenn am Basler Rheinufer kaum jemand blöd schaut, wenn du dir einen Joint anzündest und dort sogar die Polizei dir wenig Beachtung schenkt, weil sie meistens besseres zu tun hat, gibt es immer noch viele Orte in der Schweiz, an denen Kiffer deutlich öfter mit der Polizei zu tun kriegen.

Der letzte Versuch, Cannabis in der Schweiz zu legalisieren (die Volksintiative “für eine vernünftige Hanf-Politik mit wirksamem Jugendschutz”) scheiterte 2008 mit über 60 Prozent Nein-Stimmen beim Volk. Trotzdem steht die Schweizer Drogenpolitik nicht still. 2013 wurde die “geringfügige Menge” an Cannabis, die laut Gesetz straffrei ist, erstmals auf 10 Gramm definiert – die Umsetzung dieser Regel beschäftigt die Verwaltung und Gerichte allerdings bis heute. Aktuell plant der Verein “Legalize it!” eine neu überarbeitete Initiative, um Gras zu legalisieren. Da seit 2016 THC-armes CBD-Gras ganz gewöhnlich in Kiosken gekauft werden kann und erste CBD-Läden ein Stück holländische Coffee-Shop-Kultur in Schweizer Innenstädten versprühen, scheint eine Legalisierung immer realistischer.

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Einer repräsentativen Umfrage nach wollen zurzeit zwei Drittel aller Schweizer Cannabis legalisieren. Ob jemand auf dem Land oder in der Stadt lebt, macht wie auch das Alter kaum einen Unterschied. Einzig, dass die sonst vergleichsweise liberale Romandie weniger stark für die Legalisierung von Gras ist, überrascht. Im Tessin, wo 2008 nur 33 Prozent für die Legalisierung stimmten, wären es heute sogar 80 Prozent. Verändert sich die politische Grundstimmung in der Schweiz nicht grundsätzlich, ist es also keine Frage, ob Gras in der Schweiz legalisiert wird, sondern wann. Bis es wirklich soweit ist, wird VICE die Schweiz auf ihrem Weg zum legalen Kiffen begleiten. Der VICE Guide in der Schweiz sorgt dafür, dass du im Paragraphendschungel den Durchblick behältst – für ein entspannteres Kiffen in der Schweiz.

Darf ich jetzt kiffen oder nicht?
Das ist eigentlich ziemlich einfach zu beantworten: nein. Der Konsum von Cannabis ist in der Schweiz illegal, wenn das Gras oder Hasch mehr als 1 Prozent THC enthält. Dazu gibt es auch keine Ausnahmen für Eigenbedarfsmengen oder das Kiffen im Privaten. Auch die Weitergabe und der Handel sind illegal.

Kann ein Arzt dafür sorgen, dass ich Kiffen darf?
In der Schweiz kannst du gemeinsam mit deinem Arzt eine Ausnahmebewilligung für eine Therapie mit THC-Präparaten beantragen. Diese Bewilligung haben aber schweizweit lediglich einige hundert bis tausend Personen. Dazu kommt: Die Bewilligung erlaubt dir nur Präparate wie Tinkturen, nicht aber das Rauchen von Blüten und Harz. Darum versuche gar nicht erst, als gesunder Mensch deinem Arzt etwas vorzumachen, um Kiffen zu dürfen.

Darf ich Gras selbst anbauen, wenn ich eine Bewilligung für THC-Medikamente habe?
Selbst mit staatlichem Rezept für Cannabis-Medizin darfst du kein Gras für den Eigengebrauch anbauen. Generell darfst du auch für dich selbst keine Kleinmengen anbauen (zu diesen Kleinmengen erfährst du später mehr).

Was, wenn mich mein Nachbar anzeigt, weil ich auf dem Balkon gekifft habe?
Dann kommt es zu einem ordentlichen Verfahren, das dich – solange die Tat auch bewiesen werden kann – zwischen 200 und 1.000 Franken kostet und unter Umständen auch Durchsuchungen und Prozesse zur Folge haben kann. Wenn die Polizei meint, dass du süchtig bist, kann dich das Verfahren auch deinen Führerschein kosten. Auf jeden Fall zerrüttet es die Beziehung zu deinem Nachbar tiefgreifend.

Kostet mich Kiffen, wenn ich erwischt werde, immer 100 Franken?
Ja, mit Betonung auf erwischt werden. Erwischt dich die Polizei auf frischer Tat, kann sie dir eine einfache Busse über 100 Franken geben, die du entweder gleich in bar bezahlst oder über einen Einzahlungsschein mit Bedenkfrist. Lässt du diese Frist verstreichen, wirst du gewöhnlich verzeigt, hast dann aber auch die Möglichkeit, dich gegen eine Strafe vor Gericht zu wehren. Der Joint wird dir weggenommen. Die 100-Franken-Busse kann die Polizei aber nur ausstellen, wenn du nicht beim Kauf oder der Weitergabe erwischt wurdest, sondern einzig beim Kiffen. Die Busse wird nirgends registriert und erhöht sich im Wiederholungsfall auch nicht.

Eine Ordnungsbusse für den “Herr auf der Mauer” | Bild zur Verfügung gestellt von hanflegal.ch

Ob du jedoch angezeigt wirst oder die 100-Franken-Busse erhältst, entscheidet die Polizei – du hast grundsätzlich kein Recht darauf, nur mit 100 Franken gebüsst, anstatt ordentlich angezeigt zu werden. Fragt dich die Polizei, ob du früher schon mal gekifft hast und du bejahst früheren Konsum (die Übertretung für Konsum verjährt nach drei Jahren), Kauf oder Verkauf von Gras, muss sie dich sogar anzeigen. Das gleiche gilt, wenn sie das Gefühl hat, dass weitere Delikte im Zusammenhang mit dem Gras vorliegen. Dazu kommt, dass manche Kantone öfter oder seltener Bussen verteilen als andere.

In welchen Kantonen muss ich am wenigsten befürchten?
Das Betäubungsmittelgesetz ist national geregelt. Trotzdem haben es Kiffer in Zürich schwerer als in Bern. Die Polizei in der Hauptstadt scheint sich weniger für Kiffer zu interessieren: 2016 fielen pro 1.000 Einwohner in Bern 0.19 Bussen an, in Zürich waren es 4.7, rechnete tsüri aus. Die grösseren Unterschiede zwischen den Kantonen gibt es aber bei den Regelungen zum Besitz.

Was passiert, wenn ich mit etwas Gras in der Tasche erwischt werde?
Geht es nach dem Gesetz: gar nichts. Der geringfügige Besitz von bis zu 10 Gramm Gras ist straffrei, egal wie viel THC-Gehalt dieses hat. Die Polizei darf dir das Gras nicht einmal wegnehmen. Das gilt aber wirklich nur, solange du einfach Gras bei dir hast und nicht damit handelst oder beim Konsum erwischt wirst.

Lange Zeit wurde dieses Gesetz von den verschiedenen Polizeikorps ignoriert, das Gras trotzdem konfisziert und die Betroffenen gebüsst. Anfang September zog ein Betroffener aus Basel-Stadt seine Busse – er wurde mit weniger als 10 Gramm erwischt, ohne zu konsumieren – bis vors Bundesgericht und wurde freigesprochen. Weil ein Entscheid des Bundesgerichts ein Präzedenzfall ist, müssten eigentlich Polizisten in allen Kantonen aufhören, Mengen bis 10 Gramm zu konfiszieren. Die Polizisten in der Westschweiz scheint das allerdings nicht zu interessieren, in Solothurn überlegen sie es sich noch und in St. Gallen “will man sich nicht für dumm verkaufen lassen” und büsst einfach weiter. In Zürich, Luzern, Basel oder Bern wird der Bundesgerichtsentscheid hingegen umgesetzt.

Gilt das alles auch für Hasch?
Für Hasch gelten die gleichen Grenzwerte für den THC-Gehalt und für geringfügige Mengen.

Wie kann die Polizei wissen, dass ich legales Cannabis rauche?
CBD-Zigaretten mit weniger als 1 Prozent THC-Gehalt kannst du jetzt sogar im Grossverteiler kaufen, CBD-Weed gefühlt in jedem zweiten Kiosk. Lange Zeit büsste die Polizei oft zu Unrecht legale CBD-Kiffer und wusste erst nach teuren Labortests, dass sie falsch lag. Im Kanton Zürich konfiszierte die Polizei sogar schon CBD-Zigaretten. Nun haben erste Kantonspolizeien einen Schnelltest, um dein Gras auf THC zu testen, was aber noch lange nicht überall in der Schweiz gemacht wird.


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Kann ich mein konfisziertes Weed zurückfordern?
Das ist momentan noch umstritten. Bislang ziehen viele Polizisten das Gras mit dem Vorwand zur “Verhinderung einer Straftat” ein. Wahrscheinlich ist der Aufwand, um dein Gras zurückzuholen, zurzeit zu gross. Auf kurz oder lang werden sich die Polizisten aber auf eine einheitliche Praxis einigen müssen: “Es kann nicht sein, dass wir eine schweizweite Strafprozessordnung haben und 26 unterschiedliche Anwendungen. Das gibt Probleme, weil es ja auch übergreifende Polizeiaktionen gibt”, erklärte Max Hofmann, Generalsekretär beim Schweizer Polizeibeamtenverband, gegenüber SRF.

Was passiert, wenn ich meinem Kumpel etwas Gras schenke?
Sobald du Gras oder Hasch mit mindestens 1 Prozent THC weitergibst, egal welche Menge, begehst du ein Vergehen und kannst angezeigt werden. Das kann einen Eintrag im Strafregister bedeuten – und gilt auch für Hanfsamen, aus denen Pflanzen mit mindestens 1 Prozent THC wachsen können.

Was, wenn meine Frage immer noch nicht beantwortet ist?
Hier findest du ausführliche Antworten zu allen Fragen zur Rechtslage und Praxis rund um Cannabis in der Schweiz. Sucht Schweiz bietet zudem Rat bei Suchtproblemen.

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