Dich mit deinem Kater abzufinden, ist das Erwachsenste, was du jemals tun wirst

Titelfoto: Corrie Barkliemore / Flickr / CC BY 2.0. Dieser Artikel ist zuerst bei THUMP UK erschienen

Es gibt nur drei Sachen, die wirklich gegen einen Kater helfen. Die erste ist, eine Dose Cola unter der Dusche trinken, die zweite sind drei Zigaretten und fünf Tassen Kaffee zu einer Folge Gordon Ramsay: Chef ohne Gnade und für die dritte musst du dich splitterfasernackt auf den unbequemsten Stuhl setzen, den du finden kannst, und versuchen, Malcom Lowreys unfassbar alkoholtriefenden Roman Unter dem Vulkan zu lesen, bis dich der literarische Schnapsdunst in einen tiefen und deprimierten Schlummer fallen lässt und du deinen Kater ausschläfst. Das war’s.

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So verlockend dir ein Teller mit gebratenem Knorpel und Fett in dem Augenblick auch vorkommen mag – das deftige Frühstück kannst du dir sparen. Und nein, es ist absolut sinnlos, Bio-Apfelessig mit Bio-Rohhonig, Wasser und rosagetöntem Himalayasalz zu mischen und du willst garantiert auch nicht schon wieder in die gleiche Kneipe gehen, aus der vor ein paar Stunden erst rausgetaumelt bist, um tapfer eine Bloody Mary runterzukippen und dabei Tabasco-Soße auf deinen Kapuzenpulli zu tropfen, mit einem penetranten Kotzreiz zu kämpfen, während du dich bemühst, geistreiche Bemerkungen zu einer Gentrifizierungsdiskussion beizusteuern.

Nein, die einzigen Dinge, die dich vor einem verschwendeten Tag bewahren können, sind Koffein, Nikotin und der Anblick von Ramsay, der den armen Konditor eines amerikanischen Diners anschreit, weil er abgelaufenes Rapsöl verwendet hat. Schreib dir das auf einen Zettel und pack ihn in dein Portemonnaie, lass es dir auf deine Innenlider tätowieren, kratz es in zwei Meter hohen Buchstaben in die Hauswand gegenüber. Ganz egal. Tu alles, was du tun musst, damit du dich daran erinnerst, wenn du das nächste Mal mit einer schmerzenden Matschbirne aufwachst.


Aus dem VICE-Netzwerk: Auf ein Bier mit Schwester Doris:


Kater sind genauso Teil der Clubkultur wie 3,50 Euro-Döner und die Vorstellung, dass undergroundige Ambient-Partys eines Tages die Welt verändern werden. Das Runterkommen – der bösartige Zwilling des Katers – ist natürlich bei manchen Menschen noch mehr mit einer richtigen Partynacht verbunden – also einer solchen, bei der du dein monatliches Lebensmittelbudget für ein Säckchen Milchzucker, gemahlene Schädel und Pulver ausgegeben hast, das mal kurz neben etwas Kokain gelegen hat. Der etwas bescheidenere Kater plagt die Menschheit allerdings schon, seit unser alter Freund Dionysus sich dazu entschieden hat, uns alle abzufüllen.

Wenn du noch jung bist, sind Kater dieses ferne, unbekannte Land, jenseits eines Meeres, das du noch gar nicht erreicht hast. Ein ausgewachsene Kater ist eine dezidiert erwachsene Angelegenheit, eine Manifestation des voranschreitenden Verfalls durch das Alter. Er ist ein unumstößlicher Beweis dafür, dass die Jugend wertgeschätzt, gefeiert, ja, sich an ihr festgeklammert werden sollte, weil die Alternative geradezu höllisch ist. Erwachsen zu sein, heißt fett zu werden, Haare zu verlieren, unglücklich, ausgelaugt und verkatert zu sein. Das, denkst du dir als zarter Teenager, der sich noch voller Wonne billigen Fusel in den Rachen kippt, werde ich niemals sein. Ich werde nie alt sein. Ich werde nie verkatert sein.

Foto: Mark on Beach / Flickr / CC BY-SA 2.0

Das wirst du aber. All diese Dinge werden dir geschehen, während du langsam aber sicher im Treibsand der Zeit versinkst: deine Hüften werden breiter, das Haupthaar dünner und diese bewundernswerte Fähigkeit, ohne Folgen saufen zu können, wird schon bald mit deinen Hoffnungen, Träumen und Erwartungen verschwinden. Es wird passieren, wenn du 23 oder 24 bist, und erwischt dich wie Schnellzug. Es gibt keinen Ausweg, du kannst das System nicht austricksen oder dich mit gutem Benehmen aus der Affäre ziehen. Wir alle sind zu diesem schmerzvollen Lebensabschnitt, dem Katerdasein verdammt.

“Bier”, soll der bekannte Drachenflieger und Gründervater der USA Benjamin Franklin einmal gesagt haben, “ist der Beweis, dass Gott uns liebt und will, dass wir glücklich sind.” Nichts für ungut, Herr Franklin, aber das ist totale Scheiße. Wenn überhaupt ist Bier der Beweis dafür, dass Gott, sollte er existieren – und seien wir ehrlich, eine Seite für Clubmusik ist wahrscheinlich nicht der beste Ort für schwierige Glaubensfragen – dass Gott uns hasst. Oder Gott zumindest die Menschheit mit einer gewissen Abscheu betrachtet, die an Sadismus grenzt. Ein gutmütiger, fürsorglicher und liebender Gott hätte uns kein Bier gegeben. Von Bier bekommen wir nämlich einen Kater und Kater erfüllen keinen anderen Zweck, als uns daran zu erinnern, dass wir uns mit jedem Tag etwas mehr einem klaffenden, gleichgültigen und dunklem Grab nähern.

Aber jetzt haben wir den Salat, aka Bier, und müssen damit klarkommen. Wir müssen die Tatsache akzeptieren, dass sechs Flaschen glutenfreies Biopils am Samstag zwangsläufig in einen Sonntag führen, an dem jede Faser deines Körpers nach Erlösung schreit. Eine gute Nacht bedeutet leider auch fast immer ein furchtbarer Nachmittag, an dem du mit leerem Blick auf Wände starrst, unter der Dusche heulst, deine Organe sich gefühlt neu ausrichten und du langsam zum Kiosk stolperst, um dir dort ein isotonisches Erfrischungsgetränk (Elektrolyte!) und eine Packung Kippen zu kaufen.

Die Sache mit dem Kater im Kleinen und dem Erwachsensein im Großen ist die, dass sie selbst in ihrer schlimmsten, in ihrer fiesesten und allumfassendsten Ausprägung eigentlich noch ganz … OK sind. So ein Kater ist auch nur Kopfschmerzen, ein sensibler Magen, ständiges Zittern, Übelkeit, Panik, Reue, Angst, Niedergeschlagenheit und dieser leise, sehr leise Wunsch nach einem schnellen Tod. Abgesehen davon ist so ein Kater doch total OK!

Foto: Andy Wright / Flickr / CC BY 2.0

Viel zu schnell denkt man, das Erwachsenendasein wäre eine endlose Plackerei durch Hausratsversicherungsdokumente, Bausparverträge und so zu tun, als wüsste man plötzlich den Geschmack und die Vielseitigkeit von Blumenkohl zu schätzen – und zu denken, dass diese Dinge kompliziert und schmerzvoll sind und weniger Spaß machen, als Schnapsflaschen zu leeren und lustige Kostüme zu tragen. Unfug.

Solange du es nicht als echtes Erwachsensein betrachtest, ist das Erwachsenendasein dieser schrecklichen Post-Teenagerzeit-Todeszone in jedem Fall vorzuziehen, in der du keine Ahnung hast, wer du bist und was du willst. Ein wichtiger Aspekt davon, die Vorzüge des Erwachsenendaseins in dein Leben zu lassen, liegt darin, den Wert von Verantwortung zu akzeptieren.

Abgesehen von den richtigen und ernsthaften Verantwortungen, die dir wahrscheinlich auf deinem Weg gen Tod begegnen werden, ist das Wichtigste, mit dem du dich als junger Mensch mit einer Affinität zu ausufernden Clubnächten auseinandersetzen musst, der Kater. Du musst dich ihm stellen, ihm in die Augen schauen, ihn Willkommen heißen, ihm die Hand geben und ihn reinlassen. Biete ihm ein paar Scheiben Toast und Tortilla Chips an und legt euch zusammen auf ein gammeliges Sofa wie zwei graue, verwitterte menschliche Wesen, die sich ihrer Mängel bewusst sind.

Die Ratschläge, die ich dir zu Beginn gegeben habe, werden deine besten Freunde werden. Die Cola bringt dich wieder ins Lot, Ramsay wird dir bald dermaßen auf den Sack gehen, dass dir nichts anderes übrig bleibt, als vor die Tür zu gehen. Malcolm Lowry wird in dir immerhin das Gefühl aufkommen lassen, nie wieder trinken zu wollen.

Nun, das alles gilt etwa bis 16 Uhr, wenn deine Mitbewohnerin das erste Konterbier aufmacht.

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