“Ich weiß, dass ihr alle sehr kreativ seid!”, sagt YouTube-Star Bianca “Bibi” Claßen zu ihren Fans. “Und ich glaube, diese App wird euch ganz, ganz viel Freude bereiten!” Bereits im September 2017 preist die Beauty-Influencerin auf YouTube ihr neues Produkt an: Die Foto-App Bilou. Bilou heißt auch Bibis Duschschaum, mit dem sich ihre rund 5,4 Millionen YouTube-Abonnenten und Abonnentinnen einschäumen können. Mit der Bilou-App wiederum können die sehr kreativen Fans ihren Bilou-Schaum, ihre Freundinnen oder einfach sich selbst fotografieren und diese Fotos mit Stickern verzieren. Es gibt rote Kussmünder, Blümchen, Sternchen – und ein Schaum-Männchen, das aussieht wie ein weißes Kack-Emoji.
“Die App ist natürlich absolut kostenfrei”, betont Bibi in dem Video. “Ihr müsst sie einfach mal kostenlos runterladen und selbst ausprobieren!” Bibi gilt als die größte deutsche YouTuberin, sie verzeichnet auf Instagram 6,3 Millionen Follower, auf Twitter sind es zwei Millionen.
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Im selben Video promotet Bibi ein Gewinnspiel, drei iPad Pros möchte sie verschenken. Wer an der Verlosung teilnehmen möchte, müsse nur ein Foto mit der Bilou-App erstellen und mit dem Hashtag #bilouapp auf Instagram posten. Zum Posten von mit der App erstellten Fotos auf sozialen Netzwerken gibt es aber in den AGB der Bilou-App einen seltsamen Passus, den Bibi in dem Video nicht erwähnt. Wer den Passus liest, könnte meinen: Nutzerinnen müssten der Firma hinter Bibis Pflegeprodukten, Nuwena, die Nutzungsrechte an ihren Fotos abtreten, sobald sie sie auf zum Beispiel Instagram veröffentlichen.
Wenn man die Fotos aus der App “auf einer Social-Media-Plattform veröffentlicht”, gilt den AGB zufolge: “Du als App-Nutzer räumst Nuwena ein einfaches, vergütungsfreies, zeitlich unbefristetes Nutzungsrecht an den Fotos ein”. Mit diesem Nutzungsrecht könne Nuwena die Fotos der Bibi-Fans “für eigene Werbezwecke im Zusammenhang mit der Marke Bilou” einsetzen und veröffentlichen, heißt es weiter. Als Beispiele werden die Website oder die Instagram-Seite von Bilou genannt. Von sich aus übermittelt die App aber keine Fotos an Dritte, die Bilder werden lokal gespeichert.
Das klingt beunruhigend – und ist in der Tat Unsinn. Auf Anfrage von Motherboard stellt eine Rechtsberaterin von Nuwena klar: Diese Klausel der AGB sei “faktisch ohne Funktion”. Nutzerinnen und Nutzer müssen also nicht befürchten, dass sie plötzlich gegen ihren Willen zu Werbegesichtern werden. Aber eines nach dem anderen.
Warum die AGB-Klausel der Bilou-App keine Funktion hat
Seit der Veröffentlichung 2017 wurde die Bilou-App allein im Google Play Store mehr als 100.000 Mal heruntergeladen. Rund 5.000 Nutzerinnen und Nutzer haben dort Bewertungen hinterlassen. Allein unter dem Hashtag #bilouapp sind knapp 8.000 Instagram-Posts zu finden. Die Mehrzahl der Posts zeigt Duschschaum-Dosen, auch Bibi und ihr Mann Julian sind häufig zu sehen; nur selten zeigen Fans sich selbst.
“Verwendung der Bilder zu Werbezwecken ist nicht erfolgt”
Wer die App aus dem Google Play Store herunterlädt und probeweise ein paar Fotos erstellt und speichert, wird zu keinem Zeitpunkt aktiv über die seltsame Klausel informiert. Der Hinweis lässt sich nur finden, wenn man den Button “AGB” im App-Menü anklickt und sich durch den Fließtext arbeitet. Es ist wohl nicht gerade wahrscheinlich, dass 13-jährige Bibi-Fans mit einem Faible für Herzchen-Sticker vor ihrer Foto-Session erst einmal ausführlich die AGB studieren.
Aber hat Nuwena denn jemals, wie in den AGB beschrieben, Fan-Fotos aus der Bilou-App für Werbung genutzt? Das verneint die Firma auf Anfrage von Motherboard. “Eine Verwendung der Bilder zu Werbezwecken ist nicht erfolgt”, heißt es in einer E-Mail der Rechtsberaterin von Nuwena. Auch Motherboard konnte dafür keine Hinweise finden. Ohne Zustimmung oder Einwilligung der Eltern werde die Firma das auch nicht zukünftig tun, heißt es weiter.
Die Klausel würde für sich genommen auch mehrere juristische Probleme aufwerfen, wie die auf Datenschutz und Urheberrecht spezialisierte Berliner Rechtsanwältin Beata Hubrig gegenüber Motherboard erklärt. Da Minderjährige nicht voll geschäftsfähig seien, könnten sie auch keine Verträge abschließen, so Hubrig. Das bedeutet: Egal, welche Nutzungsrechte die Firma verlangt, Jugendliche können den AGB ohnehin nicht ohne ihre Eltern wirksam zustimmen. Hinzu komme ein Problem mit der neuen EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Demnach ist eine ausdrückliche Zustimmung nötig, wenn etwa Fotos für Werbezwecke verwendet werden.
Bibis Bilou-App ist Teil der kommerziellen Influencer-Welt
Auf Anfrage von Motherboard erklärt die Rechtsberaterin von Nuwena: Tatsächlich bräuchte die Firma, bevor sie die Bilder der Fans verwenden dürfte, eine Einwilligung und müsse die “elterliche Zustimmung” sicherstellen. Die AGB seien zudem entworfen worden, bevor die DSGVO in Kraft getreten ist. Damals sei noch nicht klar gewesen, “ob und wenn ja und in welcher Form die mit der App entstehenden Bilder unter welchen Voraussetzungen verwendet werden könnten”.
Demnach hat die problematische Klausel in den AGB schlicht keine Wirkung mehr – und ist auch in der Vergangenheit offenbar nie zum Einsatz gekommen. Die Klausel ist höchstens ein Zeichen dafür, wie leicht wir Dinge in AGB und Nutzungsbedingungen übersehen, weil es einfach zu anstrengend ist, sie durchzuackern.
So oder so: Die Bilou-App ist die konsequente Eskalation einer durch und durch kommerzialisierten Influencer-Welt. Sie ist nicht viel mehr als ein Werbeprodukt für den Bilou-Duschschaum, der wiederum zu Bibis stetig wachsender Merchandise-Palette gehört. Auch wenn die App seit mehr als einem Jahr erhältlich ist: Die seltsame Quatsch-Klausel in den AGB scheint noch keinem aufgefallen zu sein.
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