Drogen

Die Ampel muss Cannabis sofort legalisieren – alles andere wäre feige

Cannabis-Pflanzen, die in Deutschland bald legal sein sollen

Hurra, jetzt wird alles gut! So haben wohl viele gedacht, als die Ampelkoalition im November ankündigte, Cannabis legalisieren zu wollen. Nie wieder sollten sich Regierungsvertreter entblöden, längst widerlegte Schauermärchen von Cannabis als Einstiegsdroge zu verbreiten. Rationale Argumente haben gesiegt. Die Kriminalisierung Millionen Konsumierender sollte ein Ende haben.

Aber seitdem fühlt man sich, als schaue man das letzte Viertel eines nervenaufreibenden Hollywood-Films: Segelt der Held ins Happy End oder scheitert er doch noch kurz vorm Ziel?

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Die neueste Antwort darauf: Mal sehen.

Es gebe noch keinen Zeitplan zur Umsetzung, “Priorität hat der Kampf gegen die Pandemie“, sagte der FDP-Gesundheitspolitiker Andrew Ullmann zum Jahresende der Funke-Mediengruppe. Und der SPD-Innenpolitiker Sebastian Fiedler fand: “Aktuell ist es kein guter Zeitpunkt für einen Cannabis-Gesetzesentwurf.” Ein Nullargument – dazu gleich mehr –, aber über das Thema entscheiden in der Ampelkoalition ohnehin andere. “Auf Eis”, wie die Berliner Zeitung schrieb, liegt die Cannabis-Legalisierung deshalb nicht. Auch Justizminister Marco Buschmann versprach dem Weedmob auf Twitter noch einmal, die Legalisierung “wird kommen”. Dennoch: Besonders nach Fiedlers Aussage muss man offenbar noch einmal erklären, warum es hier nicht um ein “Vielleicht irgendwann mal”-Thema geht. Die Regierung muss jetzt handeln. Nicht erst, wenn Corona überwunden ist.


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Aber was höre ich da vom Biertisch herüberbellen? “Die Kiffköpfe können warten!”, “Es gibt Wichtigeres!!!” Ja, Wichtigeres gibt es immer. Besonders in der Politik. Aber wer so denkt, sitzt einem Irrtum auf. Cannabis zu legalisieren, bedeutet nicht (nur), Menschen einen sicheren Konsum zu ermöglichen. Es bedeutet vor allem, Leid zu beenden.

Welche dramatischen Folgen die Kriminalisierung von Cannabis ganz akut hat, kann man jeden Tag beobachten. Dafür muss man nicht mal von Menschen erzählen, die wegen ein paar Joints in den Knast wandern. Die mit Vorstrafen gezeichnet werden. Oder die an Streckmitteln wie synthetischen Cannabinoiden sterben, weil die sich auf dem unregulierten Markt immer weiter verbreiten. Auch das muss aufhören. Aber es klingt nach exotischen Geschichten, von denen man vielleicht mal bei VICE liest, aber nie selbst betroffen sein wird. Dabei greift die Kriminalisierung viel tiefer in unsere Leben ein.

Da verlieren nüchterne Menschen ihren Führerschein, weil sie Tage vor einer Autofahrt einen Joint geraucht haben. Oder sie verlieren ihn, obwohl sie gar nicht Auto gefahren sind, einfach nur, weil sie regelmäßig kiffen. Auf Führerscheinverlust folgt oft Jobverlust, der auch denjenigen nach einer Verurteilung wegen Cannabis generell droht, die mit Minderjährigen arbeiten oder sie ausbilden. All das verändert Lebenswege und trifft dabei nicht Schwerkriminelle, die mit blutroten Augen an der Verdummung der Jugend arbeiten (oder wie sich das Unionspolitiker und konservative Polizeigewerkschafter eben vorstellen). Es trifft Menschen in allen Bevölkerungsschichten. Über 188.000 dieser leichten Delikte mit Cannabis-Bezug bearbeitete die Polizei 2020. Ein Irrsinn. Diese Menschen werden noch immer wegen Gesetzen verfolgt, von denen die neue Bundesregierung sagt, dass sie nichts brächten. Und die sie deshalb abschaffen will.

Man könnte jetzt sagen, Corona zerstört Leben, aber die Cannabis-Kriminalisierung tut es auch. Wahrscheinlich würde sich spätestens bei Twitter jemand beschweren, wie “plakativ, unterkomplex und dümmlich” dieser Satz doch sei. Aber diese Analyse trifft auch auf das Argument zu, man müsse erst die Pandemie besiegen, bevor man Cannabis freigeben könne. Natürlich hat der Kampf gegen die Pandemie Vorrang. Aber wer so tut, als könne sich die Bundesregierung daneben um nichts anderes mehr kümmern, hat ein schlechtes Bild von ihr.

In allen drei Ampelparteien sitzen Expertinnen und Experten, die sich seit Jahren mit der Cannabis-Freigabe beschäftigen und im Falle der Grünen sogar schon das ausgearbeitete Cannabis-Kontrollgesetz in der Schublade haben. Natürlich müsste man es noch an die Vorstellungen der Koalitionspartner anpassen, auch das klingt machbar. Aber schon jetzt könnte man das Betäubungsmittelgesetz im Paragraph 29 so verändern, dass Polizisten Konsumierende nicht mehr verfolgen müssen. Der Bernauer Jugendrichter und Cannabis-Aktivist Andreas Müller, der dafür eine Obergrenze von 30 Gramm vorgeschlagen hat, berät sicher gerne.

Eine Gemeinsamkeit zwischen Corona und Cannabis gibt es dann doch noch. Bei beiden Themen scheitern auch gut gebildete Menschen daran, wissenschaftlich gut belegte Erkenntnisse zu verstehen: dass Impfen hilft, dass Legalisierung hilft. Wenn wir uns beeilen.

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