Julian Reichelt ist außer sich. Die deutsche Demokratie ist beschädigt, wird unterwandert und ausgehöhlt! Und schuld daran, schreibt der Bild-Chefredakteur, sind die Ausländer. Beziehungsweise die Ausländer in der SPD.
Worum es geht: Die SPD plant, in den nächsten zwei oder drei Wochen einen Mitgliederentscheid darüber abzuhalten, ob sie in einer großen Koalition mit der CDU regieren soll oder nicht. Und die SPD-Führung hat sich verpflichtet, die Entscheidung ihrer Basis zu respektieren: Wenn die Mehrheit dagegen ist, platzt die Koalition, und Deutschland muss sich wieder nach einer neuen Regierung umsehen.
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Das bedeutet, dass die 463.723 SPD-Mitglieder – etwas weniger Menschen als die Einwohner von Duisburg – über die Zukunft der gesamten deutschen Politik entscheiden. Julian Reichelt findet das “absurd” – obwohl es eigentlich schon immer so war, dass die Parteien nach Abschluss der Verhandlungen in irgendeinem Gremium darüber abstimmen, ob sie nun koalieren wollen oder nicht. Manche fragen den Parteivorstand, andere organisieren extra Parteitage. Die SPD hat eigentlich nur die größte Abstimmung von allen, weil sie eben alle Mitglieder befragt (zum ersten Mal hat die Partei das übrigens 2013 gemacht). Bei anderen Parteien stimmen meistens noch weniger Menschen darüber ab – 2013 entschied bei der CDU zum Beispiel ein kleiner Parteitag aus gerade mal 181 Delegierten darüber. Und es ist gar nicht lange her, dass Christian Lindner eigenhändig die Jamaika-Sondierungen abgebrochen und das ganze GroKo-Elend erst ausgelöst hat. Nebenbei: Sogar Lindner findet, dass die Mitgliederbefragung der SPD eine gute Idee ist:
Was ist also das Problem? Nun, die Bild hat herausgefunden, dass man kein deutscher Staatsbürger sein muss, um SPD-Mitglied zu werden. Tatsächlich muss man dafür noch nicht mal in Deutschland leben. “Alle Menschen auf der Welt dürfen SPD-Mitglied werden”, erklärt Philipp Geiger, Pressesprecher der SPD auf Anfrage von VICE. “Die einzige Einschränkung: Man muss mit den Grundwerten der SPD übereinstimmen.” Wie viele Mitglieder ohne deutschen Pass die SPD hat, wusste Geiger aber nicht.
Die Bild hat für ihre Geschichte ein paar davon gefunden und interviewt: einen Franzosen, der im EU-Parlament in Brüssel arbeitet, einen türkischen Rentner in Duisburg (aha!), einen in Berlin lebenden Luxemburger, einen Flüchtling und noch ein paar andere. Manche von ihnen wollen für, manche gegen die große Koalition stimmen, aber alle wirken so, als hätten sie sich gut überlegt, warum – und warum sie überhaupt in die SPD eingetreten sind.
Für Reichelt ist das trotzdem ein Skandal: “Nur Deutsche können entscheiden, wer Deutschland regiert”, schreibt er in seinem Kommentar – und ergänzt ein ominöses “Sollte man meinen”. Online bekommt der Bild-Chef dafür bereits heftigen Gegenwind:
Lob gibt es aber auch – von der AfD:
Was für ihn die richtige Alternative zur Mitgliederbefragung wäre, erklärt Reichelt in seinem Kommentar übrigens nicht: Vielleicht, allen ausländischen Mitgliedern das Stimmrecht abzuerkennen? Obwohl, Reichelt findet ja offenbar die ganze Befragung “absurd”. Das kann eigentlich nur heißen, dass der Bild-Chef es demokratischer fände, wenn zum Beispiel Parteichef Martin Schulz das einfach alleine entscheidet. Und das ist wirklich absurd.
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