Vor 4,5 Milliarden Jahren raste der marsgroße Planet Theia mit 14.400 km/h auf die Ur-Erde zu und knallte in sie herein. Der Crash in der Frühzeit unseres Sonnensystems sollte einen großen Einfluss auf die weitere Entwicklung unseres Planeten haben: Während das leichte Oberflächengestein von Theia in den Orbit geschleudert wurde und aus der kollidierten Masse schließlich unser Mond entstand, verschmolzen die schweren Eisenkerne der beiden Planeten zu unserer Heimat.
Diese in den 1970er Jahren aufgestellte Theorie gilt inzwischen als beste Erklärung zur Geburt unseres Mondes. Allerdings birgt sie auch die ein oder andere Unstimmigkeit: Das von den Apollo-Missionen mitgebrachte Mondgestein wollte nicht zur bisherigen Theia-Theorie passen und befeuerte eine seit Jahrzehnten andauernde wissenschaftliche Kontroverse um die Entstehung des Mondes.
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Auch wenn die Größe des Mondes und seine Position die These des Zusammenpralls stützen, will die Beschaffenheit der Gesteinsproben nicht so recht ins Bild passen. Denn um die Rotationszeiten von Erde und Mond befriedigend zu erklären, bietet sich ein sanfter Zusammenstoß in einem flachen Winkel an, bei dem Theia vollständig zerstört wird und die Trümmer des zerschellten Planeten im weiteren Verlauf den Mond bilden. Ein Großteil des Mondmaterials hätte also seinen Ursprung in Theia gefunden und müsste sich demnach damit signifikant vom Erdgestein unterscheiden. Doch die Proben von Mond und Erde sind nahezu identisch. Was ist damals vor 4,5 Milliarden Jahren wirklich passiert?
Um diesen Unstimmigkeiten auf den Grund zu gehen, wurden die Gesteine von den beiden Geochemikern des Department of Earth and Planetary Sciences in Harvard, Kun Wang und Stein B. Jacobsen, nun noch einmal einer genaueren chemischen Analyse unterzogen. Die Ergebnisse lassen den prähistorischen Zusammenprall in einem neuen, ziemlich brutalen Licht erscheinen und wurden diese Woche in Nature veröffentlicht.
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„Wir sind immer noch dabei, die alten Apollo-Proben aus den 70ern nachzumessen, weil sich die Technik in den letzten Jahren weiterentwickelt hat”, so Kun Wang gegenüber Gizmodo. „Wir können nun viel feinere Unterschiede zwischen der Erde und dem Mond messen und habe eine Menge Dinge gefunden, die wir in den 1970ern nicht festgestellt hatten. Die alten Modelle konnten die neuen Entdeckungen einfach nicht erklären.”
Wang und Jacobsen leisteten reinste Detektivarbeit, um alle möglichen Unterschiede in den Gesteinen zu identifizieren. Was sie herausfanden, ließ sie die Kollision der Planeten mit folgender Metapher zusammenfassen: „Als würde ein Vorschlaghammer auf eine Wassermelone treffen”.
Die Wissenschaftler konnten erst jetzt mit ihren hochsensiblen Methoden herausfinden, dass sich in den Absonderungen von Kaliumisotopen kleine Unterschiede zwischen Mond und Erde zeigten. Bisher hatten sich diese Indizien jenseits der zu ermittelnden Grenzwerte befunden. Erst im vergangenen Jahr hatten die beiden Geochemiker ein Verfahren entwickelt, mit dem solche Isotope zehnmal präziser festgestellt werden konnten als mit bisherigen Methoden.
Nach einer Untersuchung von sieben lunaren Gesteinen verschiedener Mondmissionen und acht terrestrischen, stellten sie einen minimalen Unterschied in Verhältnis der Kaliumisotope fest, die einen energiereichen Einschlag nahelegen—die Isotopen-Verhältnisse dienen als eine Art kosmischer Fingerabdruck, mit denen beispielsweise Meteoriten ihren Ursprungsplaneten zugeordnet werden können. So waren die Mondproben etwa um 0,4 ppm mit dem schwereren Kaliumisotop Kalium-41 angereichert.
Die einzige Möglichkeit, Kaliumisotope auf solch eine Weise abzuspalten, ist laut Wang nur in der unvollständigen Kondensation des Kalium in der Dampfphase bei einem Druck von mindestens zehn Bar möglich. Solch ein Druck herrscht nicht nach einer sanften Kollision, sondern entsteht nur in der dichten Gesteinsdampfwolke nach einem wahrhaft epischen Aufprall.
Dieses Indiz bedeutet nun, dass der Zusammenstoß von Erde und Theia keinesfalls so „harmlos” vonstatten gegangen sein kann, wie bisher angenommen. Vielmehr muss der gigantische Aufschlag so heiße Temperaturen erzeugt haben, dass Theia und auch große Teile der Erde geradezu verdampft sein müssen. Der Dampf dehnte sich daraufhin auf die 500-fache Größe der Erde aus, bevor er letzentlich wieder abkühlte und sich in seiner Kondensierung zu flüssigen Mondtropfen verdichtete. Aus diesen Bestandteilen entstand vermutlich der Mond, während der Rest des Materials auf die Erde zurückfiel.
„Laut unserer Studie muss der Aufprall, aus dem der Mond entstanden ist, viel, viel stärker gewesen sein”, so Wang, der gegenüber Gizmodo mit einer schönen Formulierung zur Macht des Aufschlags aufwartete. „Der gigantische Aufprall selbst verdient die Bezeichnung extrem gigantischer Aufprall.”
Unser treuer Begleiter Mond entstand demzufolge in einem weitaus brutaleren Akt, als wir uns bisher ausgemalt haben. Man muss einfach nur den Isotopen lauschen.