Einigen Polizisten scheint es nicht mehr zu reichen, beschlagnahmte Drogen vor der Presse säckeweise aufzutürmen oder abzufackeln. Sie schaffen aus Pillen und Kokainblöcken kleine Kunstwerke.
Christoph Harig vom Institut für Internationale Beziehungen der Technischen Universität Braunschweig hat diese Entwicklung vor einigen Jahren bei Recherchen zum Drogenkrieg in Brasilien bemerkt. Regelmäßig postet er die absurdesten, witzigsten und traurigsten Pressefotos bei Twitter. Der Sicherheitsexperte bezeichnet sich inzwischen auch scherzhaft als “Kurator für Drogenrazzien-Fotokunst”.
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Wie man auf den Pressefotos sehen kann, arrangieren Beamte die beschlagnahmten Röhrchen, Päckchen und Pillen gerne in der Form von Gesichtern, Logos, Mustern und Wörtern.
“Mir ist aufgefallen, dass sich viele Polizeibehörden große Mühe bei ihren Präsentationen für die Presse geben. Man hat häufig den Eindruck, dass die Arrangements mehr Zeit in Anspruch nehmen als die Razzien selbst”, sagt Harig.
Die Fotos zeigen fein säuberlich arrangierte Ecstasy-Pillen, Kokainröhrchen und Drogenbriketts. Ein beliebtes Motiv ist der jeweilige Name der Antidrogeneinheit, die die Substanzen beschlagnahmt hat.
Ein Video zeigt sogar einen Mini-Domino-Day aus Kokainblöcken.
Laut Harig ist die brasilianische Polizei die aktivste und kreativste in Sachen “Drogenkunst”, besonders die Militärpolizei von Minas Gerais steche hervor, einem Bundesstaat im Südosten des Landes. Antidrogeneinheiten in der Türkei und Italien produzieren vereinzelt ähnlich aufwendige Arrangements.
Brasilianische Antidrogeneinheiten haben einen brutalen Ruf, insbesondere die, die in den Favelas von Rio de Janeiro aktiv sind. Wenn sie mit festgenommenen Verdächtigen oder beschlagnahmten Drogen posieren, tragen sie häufig Abzeichen oder T-Shirts mit dem stilisierten Punisher-Totenkopf. “Das sagt einem viel über ihre Selbstwahrnehmung als rechtschaffene Verbrechensbekämpfer, die sich vom Gesetz zurückgehalten fühlen”, sagt Harig.
“Diese Bilder sind witzig und traurig zugleich”, so der Forscher weiter. “Abgesehen von den künstlerischen Fertigkeiten der Beamten zeigen sie die Tragik und Sinnlosigkeit des Kriegs gegen die Drogen. Die Präsentation von winzigen beschlagnahmten Mengen als Erfolg gegen den Drogenhandel zeigt, wie weit diese Polizeiarbeit inzwischen vom Versuch entfernt ist, echte Probleme zu lösen.”
Aber nicht nur die Strafverfolgungsbehörden sind kreativ. Anfang Februar gab die libysche Polizei bekannt, dass 323 Blöcke “Lemon Haze”-Haschisch mit Porträts von Wladimir Putin mit Joint im Mund an einem Strand in der Nähe der Stadt el Merdj angespült wurden.
Ein paar Tage davor hatten Einheimische weiter östlich an der libyschen Küste eine große Menge Haschischblöcke mit Bildern von Pablo Escobar gefunden.