Schon seit Beginn der Geschichtsschreibung haben menstruierende Menschen Menstruationsprodukte entwickelt oder gekauft. Produkte, die allesamt dabei helfen sollen, einem Horrorszenario wie in Carrie vorzubeugen. Dabei wurden bereits die unterschiedlichsten Dinge in oder vor unsere Vagina gestopft, um unsere Periode aufzufangen—darunter unter anderem auch Tierpelze, Schwämme, Menstruationstassen und vieles mehr.
(An dieser Stelle ist wichtig, dass transsexuelle und bigender Personen schon immer Teil unserer Gesellschaft waren, Informationen über die Menstruation bis vor kurzem jedoch ausschließlich an Cis-Frauen ausgerichtet waren. Größtenteils ging und geht man außerdem davon aus, dass all diese Cis-Frauen über mehrere Jahrzehnte hinweg einen regelmäßigen Menstruationszyklus haben, was aber auch nicht immer der Fall ist. Wie dem auch sei, in diesem Artikel werden manchmal feminine Pronomina verwendet, um wiederzugeben, wie früher über die Periode gesprochen wurde. Es wird aber auch explizit auf Trans-inklusive Menstruationsprodukte eingegangen.)
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Von Tierpelzen und Papyrusrollen
Nein, das mit den Tierpelzen war kein Spaß. Bevor Massenprodukte wie Binden oder Tampons zur Verfügung standen, wurde alles, was irgendwie rumlag, dazu benutzt, das Menstruationsblut aufzusaugen. Im 5. Jahrhundert in Griechenland wurden die ersten Tampons aus in Mullbinden eingewickelten Holzfasern hergestellt. Die alten Ägypter verwendeten zusammengerollten Papyrus.
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Zwar ist es schwierig, konkrete Informationen über die allerersten Menstruationsprodukte zu finden, es gibt jedoch zahlreiche Beweise, die zeigen, dass Frauen so gut wie alles, was ihnen zur Verfügung stand, dazu verwendet haben, um den Blutfluss zu stoppen. Irgendwann gab es dann Produkte, die speziell dafür gemacht waren, das Menstruationsblut zu absorbieren—angefangen mit dem einen Menstruationsprodukt, das man entweder liebt oder hasst: der Binde.
Menstruationslumpen und dreiste Mathematiker
Binden gibt es schon seit einer gefühlten Ewigkeit. Eines der ältesten Dokumente, in der eine Art Binde erwähnt wird, stammt aus dem 10. Jahrhundert. Tatsächlich ist die Geschichte hierzu ziemlich episch: Hypatia, eine der ersten griechischen Mathematikerinnen, soll angeblich ihre Binde dazu genutzt haben, um einen ihrer männlichen Studenten zurechtzuweisen, nachdem dieser ein wenig übermütig geworden war. Nachdem ihr Student sein romantisches und sexuelles Interesse an Hypatia zum Ausdruck brachte und darüber ihre Intelligenz und ihre Kompetenz als Lehrerin vergaß, zückte Hypatia ihren benutzten und blutigen Menstruationslumpen und zeigte ihn ihrem Studenten. Hypatia soll ihrem Studenten während diesem Vorfall auch „niedere Gelüste” vorgeworfen haben.
„Lister’s Towel Sanitary for Ladies”
In den 1890er-Jahren kamen in den USA die ersten Einmalbinden auf den Markt. Hergestellt und verkauft wurden die Einmalbinden von dem Unternehmen Johnson & Johnson, das die Binden zunächst als Teil der Geburtsausrüstung an Geburtshelfer und Hebammen verkauft hat. Doch Johnson & Johnson gab den Binden den wohl schlimmsten Namen, den man sich hätte vorstellen können: Lister’s Towel Sanitary for Ladies.
Die Produktnamen wurden fast bis zur Lächerlichkeit geschönt, weil das Unternehmen jede direkte Erwähnung von Perioden oder Menstruationsblut vermeiden wollte und sich damit im Grunde weigerte den grundsätzlichen Bedarf, den die Binden decken sollten, anzusprechen.
Anschnallen bitte!
Während des 20. Jahrhunderts gab es viele verschiedene Ausführungen der Binde, aber eine ganz besondere Entwicklung in der Bindentechnik muss an dieser Stelle unbedingt erwähnt werden: der Bindengürtel. In den 20er-Jahren wurden Binden mithilfe eines Gürtels, der stark an ein BDSM-Geschirr erinnert, an Ort und Stelle gehalten.
Eine Binde zu tragen bedeutete damals, dass man einen elastischen Gürtel um die Hüften schnallte und elastische Gurte am vorderen und am hinteren Ende der Binde mit Sicherheitsnadeln befestigte (man kann sich das Ganze wie Hosenträger vorstellen, die man um die Hüften statt um die Schultern trägt und die die Stoffbinde und nicht die Hose oben halten). Und ja, diese Binden waren ziemlich riesig: Die Stoffbinden reichten vom Anfang der Schamlippen bis hinter zur Poritze.
Die ersten Tampons waren keine Tampons
Tauchen wir ein in die Geschichte des Tampons—das Menstruatiosprodukt, das regelmäßig in dich eintaucht. Allgemein sind Tampons ein deutlich simpleres Produkt als Binden und haben sich tatsächlich seit der Zeit, als sie noch aus zusammengerolltem Papyrus bestanden, nicht viel verändert. Ende der 1800er-Jahre wurden Tampons jedoch nicht dazu benutzt Menstruationsblut zu absorbieren, sondern wurden in erster Linie von Ärzten verwendet, um einer Patientin Medikamente über die Vagina zu verabreichen.
Ein ausgestopftes Kondom, das ein Tampon sein wollte
In der frühen 1920er-Jahren, ungefähr zur selben Zeit, als der Bindengürtel auf den Markt kam, hatte ein Mitarbeiter von Kimberly-Clark eine Idee für ein einführbares Einwegprodukt, mit dem die Menstruationsblutung absorbiert werden sollte. Und es war … seltsam. John Williamson stopfte das Innere einer Einmalbinde in ein Kondom, machte Löcher rein und brachte seine „Erfindung” zu seinem Vater, der ebenfalls bei Kimberly-Clark arbeitete. Williamsons Vater machte sich über die Idee lustig, welche daraufhin an Ort und Stelle starb.
Aber wer war der Erfinder des echten Tampons?
1931 bekam Tampax das Patent für den ersten Einmaltampon mit Applikator. Im Großen und Ganzen sah der Tampon genauso aus wie die Tampons, die heute verkauft werden. Der Erfinder war Dr. Earle Cleveland Haas, ein Allgemeinarzt aus Denver, der—laut Tampax—eine bequemere Lösung für das Mentruationsblut finden wollte, als die unförmigen und umständlichen Bindengürtel.
Nachdem ihm eine Freundin erzählte, dass sie während ihrer Periode einen Schwamm einführte—so sagt es die Tamponlegende—hatte Haas die Idee, dass gepresste Baumwolle denselben Zwecks erfüllen könnte. Später in seinem Keller hat Haas dann schließlich die ersten modernen Tampons zusammengenäht und sie in ausgeklügelte Papierröhrchen gesteckt, die den Tampon vor dem Einführen sauber zu halten und zugleich auch beim Einführen selbst helfen sollten. Tampon-Einführhilfen sind allerdings bis heute ein eher amerikanisches Phänomen, im guten, alten Europa behilft man sich da mit den eigenen Fingern.
Hoch die Tassen
Die Menstruationstasse—ein einführbarer, wiederverwendbarer Becher, der das Menstruationsblut sammelt—gibt es bereits seit Anfang des 20. Jahrhunderts. Es ist zwar nicht ganz sicher, wann die erste Menstruationstasse erfunden worden ist, aber die erste patentierte Menstruationstasse stammt aus den USA. Sie wurde von Leona Chalmers designt und aus Gummi hergestellt. Chalmers Patent erschien im Jahr 1937, aber die Tasse selbst wurde kein großer Hit—unter anderem auch, weil Gummi zu Beginn des Zweiten Weltkriegs knapp war.
Ende der 50er-Jahre versuchte Tassette die Menstruationstasse zurückzubringen, jedoch ohne Erfolg. Zu diesem Zeitpunkt ging es vor allem um den Kampf um das Ende der Tabuisierung der Menstruation. Frauen wollten ihrer Vulvas und Vaginas damals einfach nicht anfassen, weshalb die Tasse eine unattraktive Alternative darstellte.
Heutzutage gibt eine kleine, aber äußerst loyale Gruppe aus Menstruationstassenliebhabern. Die beliebtesten Marken im deutschen Markt sind RubyCup, MeLuna, DivaCup und Lunette. The Keeper, die es seit 1987 gibt, ist eine der ältestens und bis heute beliebtesten Marken in den USA.
Leute, die ihre Periode haben
Nach und nach wird immer mehr berücksichtigt, dass auch Transmänner ihre Periode bekommen. Zeitgleich mit der Trans-inklusiven Aufklärung über gynäkologische Gesundheitsfürsorge wurden auch Menstruationsprodukte speziell für Transmänner entwickelt. Zuvor wurden transgender und bigender Personen vollkommen von der öffentlichen Aufklärung wie auch von der Zielgruppe für Menstruationsprodukte ausgeschlossen.
2015 hat die Firma THINX Menstruationshöschen auf den Markt gebracht, die explizit für „Leute, die ihre Periode haben” gedacht sind. Damit wird auch die Tatsache anerkannt, dass nicht nur ein Geschlecht (Cis-Frauen) seine Tage bekommen kann. Die Höschen von THINX sind wie Unterwäsche mit eingebauten Binden, die man während der Periode waschen und wiederverwenden kann. Um Transmänner und Bigender in der Welt der Menstruationsprodukte willkommen zu heißen, gibt es von THINX auch androgyne Menstruationshöschen, die an Männerunterwäsche erinnern.
Die ganze Zeit über gab es im Grunde immer nur zwei Möglichkeiten, wie man seine Regelblutung handhaben konnte: entweder das Blut fließt nach draußen in eine Binde oder man sammelt es für kurze Zeit innerhalb des Körpers. Tampons werden vielleicht nicht mehr aus Holz gemacht und wir brauchen auch keine Befestigungsgurte mehr für unsere Binden, aber es scheint, als gäbe es in der Welt der Menstruationsprodukte weitaus weniger Entwicklungen, als anzunehmen wäre. Mit dem steigenden Bewusstsein für die Bedürfnisse von Transgender scheint es aber immerhin so, als würden die Fortschritte weniger damit zusammenhängen, wodurch unser Blut aufgefangen wird, sondern vielmehr mit der Frage, wie wir darüber sprechen und wer von uns blutet.