„Man sagt, dass wir Leute in Phrae soviel Blut essen, dass es uns gemein macht!” Diese Worte stammen von Decha Jankaew, einem eigentlich freundlich wirkenden Restaurantbesitzer aus dieser kleinen Stadt in Nordthailand, die eine große Vorliebe für rohes Fleisch hat.
Ich bin ein amerikanischer Schriftsteller und Fotograf und lebe gerade in Thailand. Jetzt sitze ich in dem Restaurant von Herrn Jankaew in Phrae und versuche, das blutrünstige kulinarische Repertoire der Stadt zu erkunden. Nach vielen Jahren in Nordthailand kann ich sagen, dass so ziemlich jede Stadt ein Restaurant namens Laap Phrae hat, gewöhnlich ein dunkel gehaltener, oft etwas bedrohlicher Ort, an dem Männer das gleichnamige Gericht essen und trüben Alkohol trinken. Und obwohl heutzutage viele außerhalb Thailands mit laap (das im Ausland auch unter larb oder lahp bekannt ist), ein thailändischer ‚Salat’ aus Hackfleisch, Kräutern, Limettensaft und Chili, vertraut sind, kennen nur wenige—sogar in Thailand—die nördliche Variante des Gerichts, ein weitaus bedrohlicheres—und blutigeres—Essen.
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„Echtes laap nach phraetypischer Art wird aus Rindfleisch gemacht und roh serviert”, erklärt Herr Jankaew. Wie ich jedoch gelernt habe, kannst du alle Vorstellungen hinsichtlich eines kalt servierten und künstlerisch angerichteten Tatarbeefsteaks sofort wieder verwerfen. Stattdessen gehören zu einem für Phrae typischen laap rohes Blut, unfassbar bitteres nam phia (der Panseninhalt einer Kuh) und noch bitteres nam dee (die ungekochte Galle aus der Gallenblase einer Kuh). Dazu noch gummiartige Streifen von gekochtem Gekröse sowie eine würzig-scharfe, um nicht zu sagen betäubende, Gewürzpaste und fertig ist das Festmahl, das mehr mit dem Tatort eines blutigen Verbrechens als mit haute cuisine zu tun hat. Somit gehört laap zum umfangreichen Repertoire von Gerichten, die mit Phrae und Nordthailand in Verbindung gebracht werden und sich um ungekochtes Fleisch, Blut, Innereien und Galle drehen.
Obwohl Männer (kulturelle Vorschriften sorgen dafür, dass nur wenige Frauen rohes Fleisch konsumieren) in Nordthailand schon seit Langem laap und andere ungekochte Fleischgerichte essen, ist diese Essensgewohnheit nicht ohne Risiko. Laut Dr. Daniel Schar, einem amerikanischen Veterinärmediziner, der in Bangkok lebt, sind das Hauptproblem sogenannte zoonotische Krankheitserreger, also solche, bei denen eine Übertragung von Tier auf Mensch möglich ist. In diesem Zusammenhang sind unter anderem Trichinellose, eine durch Würmer hervorgerufene Infektionskrankheit, die durch den Verzehr von rohem Fleisch infizierter Tiere (vor allem Hausschweine, Wildschweine und Bären) entsteht, sowie Streptococcus suis, eine Bakterienart, mit der du dich während des Schlachtprozesses oder durch den Verzehr von rohem Fleisch oder Blut infizierter Schweine infizieren kannst, zu nennen. Dr. Schar fügt hinzu, dass du auch mit anderen Zoonosen rechnen musst, unter anderem mit „Milzbrand, Brucellose, Rindertuberkulose, Salmonellen, Tollwut, Bandwürmern und Taeniasis, ein parasitärer Bandwurm, der mit dem Verzehr von rohem Schweine- (Taenia solium) und Rindfleisch (Taenia saginata) verbunden ist.
Trotz der Tatsache, dass dieses Jahr allein durch Streptococcus-suis-Infektionen schon vier Menschen gestorben sind, und trotz zahlreicher durch die Regierung in Auftrag gegebener Aufklärungskampagnen (das Werbegesicht für eine der letzten Kampagnen war Paa Maa, ein thailändischer Popstar, dessen Vater durch den Verzehr von rohem Fleisch gestorben ist), verzehren die Thailänder—aus geschmacklichen und traditionsgebundenen Gründen—weiterhin rohes Fleisch. Außerdem sind sie sich oft nicht der möglichen Konsequenzen bewusst oder sehen diese mit Skepsis. So meint Thanyaphorn Wongthip, seit dritter Generation Köchin im Paa Maa, ein Restaurant in Phrae, das eine Vielzahl an ungekochten Rindfleisch- und Schweinegerichten auftischt: „Wir essen diese Dinge mittlerweile seit Generationen. Wir sind daran gewöhnt, und unser Magen kann das vertragen.”