“Die Bobo-Szene kotzt mich an” – Jugo Ürdens über Rapperklischees, Reichenschulen und Depressionen

Jugo Ürdens ist leicht verkatert, aber dank der Kopfschmerztablette, die ich ihm gebe, und einem kühlen Soda Zitrone bekommt sein kahl rasierter Kopf etwas mehr Farbe. Wir sitzen im halbleeren Saloon, einem Lokal mit “fragwürdigem Interieur”, wie Jugo dazu sagt: Kuhfell auf den Bänken, an der Wand schimmert ein verchromter Kuhschädel. Warum zwischen Wildwest-Deko Gegrilltes vom Balkan serviert wird, weiß niemand so genau, aber Jugo schwört darauf, dass es hier die besten Ćevapi Wiens gebe.

Jugo heißt eigentlich Aleksandar und stammt aus Mazedonien, als Kunstfigur Jugo Ürdens spricht er über sein Leben als Migrant vom Balkan, “zwischen Akademiker und Gastarbeiter“. Er ist einer der Acts im Wiener Mikrokosmos, die einem sofort im Gedächtnis bleiben. Mit YUGO hat der 22-Jährige eine HipHop-Scheibe im Kasten, die aus der generischen Masse der glatten Trap-Sounds mit Dada-Gelaber durch schlichte, markante Beats und kluge Texte hervorsticht.

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Mit seinem Track “Österreicher” bekam Jugo durch eine politische Botschaft Aufmerksamkeit, der textliche Fokus der kommenden Platte ist enger, persönlicher. Auf seinem Debüt erforscht er lieber sich selbst als eine ganze Gesellschaft, kämpft mit sich statt gegen den Rest der Welt. Mit Umzügen, schwierigen Schulzeiten und einem abgebrochenen Wirtschaftsstudium ist er ein Normalo mit Migrationshintergrund. Nicht gerade Stoff, aus dem Rap-Legenden sind. Dafür würzt Jugo seine Texte mit ernster Ironie, traurigem Witz und geistreichen Albernheiten. Als der Kellner uns Brot und Ćevapi, das würstchenförmige Hackfleisch, serviert, kommt unser Gespräch in Schwung und bringt uns von Wiener Bohemiens über depressive Phasen zu berühmten Glatzköpfen.

Noisey: Du spielst mit Rapper-Klischees und kritisierst die, die “einen auf arm” machen, obwohl sie “ reicher als reich ” sind. Bist du ein bescheidener Mensch?
Jugo Ürdens: Grundsätzlich ja. Manchmal kommt es vielleicht raus, dass ich ein bisschen zu viel rede, wenn ich betrunken bin. Aber sonst bin ich eigentlich recht bescheiden.

Im HipHop ist oft von Realness die Rede. Was hältst du davon?
Ich weiß nicht, wie real das bei allen anderen ist, ich kenn die ja nicht. Ich kann nicht auf real machen. Ich bin kein Typ mit 20 Leuten, die hinter ihm stehen. Das gab’s nie und das wird’s nie geben, dass ich so was vorlüge, nur um die Credibility zu kriegen. Meine Credibility ist, wie es jetzt ist: ganz normal und ehrlich. Ohne großes Drumherum.

Das heißt, Jugo Ürdens ist eine Kunstfigur, aber du stehst dahinter?
Mittlerweile, mit diesem Album, stehe ich dahinter.

Du sagst, du hast “ Fifa gespielt, nie wie Dealer gelebt”…
Das ist eine LX-187-Hommage. Die Zeile stammt aus dem 187-Sampler vom letzten Jahr.

Willst du es mit solchen Lines denen, die auf hart machen, ein bisschen zeigen?
Nein, gar nicht. Nur dieses falsche Rumgeprotze mit dem Foto von deiner Uhr, deinem Auto, und eigentlich lebst du in so einem Drecksloch. Du hast eine Einzimmerwohnung, aber deinen teuren Schlitten – das finde ich dann immer zu viel Gepose um nichts.

Auf der einen Seite gibt es die, die auf arm machen, es aber nicht sind, auf der anderen Seite die, die arm sind, aber auf reich machen. Wo liegst du?
Ich mach nicht auf reich, ich bin nicht reich. Ich mach nicht auf arm und es ist nicht so, dass ich am Hungertuch nage. Ich bin irgendwo untere Mittelschicht, oder mittlerweile Mittelschicht. Ich will nicht über Geld und Erfolg rappen, wenn der noch nicht da ist, und über Autos, die noch nicht da sind. Auf der einen Seite gibt es die, die sagen: Schau mich an, schau, mein Auto, und gib ihm. Und auf der anderen Seite gibt es diese megareichen Bonzen, die mit zerrissenen Jeans rumlaufen. Die seit Jahren schon in Galerien abhängen und zu Sprayen beginnen, weil sie sich selbst verwirklichen wollen. Da fehlt irgendwie der Sinn der Sache. Es geht nur um das Drumherum.

Kotzt dich die Musikszene da nicht auch manchmal an?
Schon, aber eher diese Bobo-Szene, diese Künstler-Szene. So ab und an gibt es da Gratis-Alkohol, aber das war’s dann auch schon. Das ist einfach so lächerlich. Meiner Meinung nach wird da einfach so viel drumherum geredet – um nichts. Ich habe das Gefühl, die meisten machen nichts, das ist nur der Schein. Imagepflege.

Auf dem Track “Allein reflektierst du darüber, dass man alleine ein anderer Mensch ist. Würdest du sagen, dass man sich manchmal auch von seiner eigenen Blase trennen sollte?
Für viele Außenfaktoren ist es schon kritisch, wenn man sich ein bisschen in seinen eigenen Gedanken verfängt. Durchgehend ist das nicht gut, wenn man dann in einer heilen Welt lebt und es nichts anderes gibt. Ich glaube, das ist einfach so ein Mittelding, dass man sich mal ein bisschen ausgrenzt, mal mitmacht.

Du bist mit sieben Jahren von Skopje in Mazedonien nach Ottakring gekommen. Wie würdest du deine Kindheit zusammenfassen?
Skaten und Fußballspielen im Mildepark. Sonst habe ich nicht so viel gemacht.

Aber warst du glücklich?
Ja. Bis ich sieben war auf jeden Fall, bis vierzehn auch. Dann ging es ein bisschen bergab. Familiäre Dinge. Umziehen, kein Geld mehr, mit 16 samstags bei Spar in der Obst- und Gemüseabteilung arbeiten. Und nebenbei die Schule machen, und dann im ersten Bezirk in der Schule sein, mit lauter Bonzenkindern von lauter reichen Säcken. Aber jetzt ist alles wieder gut.

War es schwer, dich in der Schule zu behaupten?
Gar nicht. Ich war immer cool und lustig, dann hat das immer gepasst.

Aber so als Nicht-Bonze an einer Bonzenschule, das ist schon schwierig. Ich kenne das. Man meint zwar, es tut einem nichts, aber…
Irgendwie nagt’s schon ein bisschen an mir. “Wo warst du im Sommer?” – “Ich war im Donaupark hauptsächlich, skaten. Und du?” – “Wir waren in New York.” Und dann kommen sie alle mit ihren Hollister- und Abercrombie-Sachen aus dem Amerika-Urlaub. Man sieht es dann auch im Lokal. Im Splendid beim Schottentor zum Beispiel. Die ganze Runde bestellt, und du hast kein Geld und sagst: “Für mich nichts.” Dann sagt die Kellnerin: “Du musst was bestellen.” Dann bestellst du dir ein stilles Wasser und borgst dir noch einen Euro von deinem Kumpel. Das nagt dann schon ein bisschen. Mir ging’s aber nie so richtig schlecht.

Auf dem neuen Album wirkt es, als würde sich Jugo Ürdens manchmal als der missverstandene, einsame Prinz inszenieren.
Ich glaube, dass ich gewisse Themen manchmal ein bisschen übertrieben habe.

YUGO klingt hier und da so, als hättest du jetzt schon von deinem Traum genug. Ist das so?
Nein, es hat mich halt gerade umgeben, gerade abgefuckt. Ich hatte nichts anderes zu erzählen, als was gerade passiert, eine Momentaufnahme wie auf einem Foto. Letztes Jahr im Winter hatte ich eine sehr schlechte Phase. Depressiv und so. Bisschen zu viel gekifft, bisschen an der Psychose vorbeigeschrammt. Dann habe ich aufgehört zu kiffen. Ich bin runtergekommen und habe alles hinterfragt. Dann wusste ich, das Musikmachen ist schon das Geilste. Ich hoffe, ich kann das noch zehn Jahre machen und habe ur Bock.

Wann weißt du, dass du einen Text schreiben musst?
Zuerst kommt der Beat. Die Hälfte des Albums hat jemand anderes produziert. Die Tontechniker und ich haben dagesessen und das ausgefeilt. Die andere Hälfte habe ich produziert. Zuerst der Beat, dann ein paar Melodien hinzufügen, dann ein paar einzelne Sätze, Wörter, dann passiert das irgendwie.

Im Track “Selbe” sagst du, “es geht immer nur ums Selbe”. Was ist dieses “Selbe”?
Einfach jeden Tag saufen, Songs und Musik machen, Auftritte, Alltag.

Schreckt dich die Routine, oder ist sie etwas, in dem du dich auch wohlfühlst?
In den letzten Monaten gab es sehr viel zu tun. Das war wichtig und gut so, ein geregelter Tagesablauf. Davor im Winter war das nicht so. Da bin ich irgendwo im Nichts geschwommen. Dann verlierst du Halt. Ich habe mir Gedanken über Dinge gemacht, über die du dir nicht Gedanken machen solltest. Routine ist schon wichtig.

Wir sind beide gleich alt. Ist mit unserer Generation etwas falsch, und wenn ja, was?
Ich fühle mich nicht befugt, über eine ganze Generation zu sprechen. Was läuft falsch? Keine Ahnung. Vieles.

Das heißt, du traust dir nur zu, über dich selbst zu sprechen?
Wenn man als Teil dieser Generation über sich spricht, spricht man dann nicht auch über alles?

Schon irgendwie.
Nicht mit dem Zeigefinger. Das ist ganz schlecht. Niemanden belehren. Ich finde das einfach beschissen, wenn man das macht.

Du hast vorhin über deine Depressionen gesprochen. Ist das ein Thema bei dir und in deinen Songs?
Ganz vereinzelt. Bei “YUGO” in der zweiten Strophe gibt es die Line “Ich will doch nur, aber krieg Paroxat”. Das ist ein Antidepressivum. Ich habe das nie genommen, aber ich habe das damals verschrieben bekommen. “Ich muss die Woche überstehen, diese Psychosen überleben. Wie’s mir geht? Wie’s mir geht? Lass bloß nicht drüber reden.” Die Lines sind halt immer so verstreut. Das ist auch persönlich ein großes Thema.

Hilft die Musik dir dabei?
Manchmal ja, manchmal nicht. Manchmal macht sie es schlimmer. Aber sie ist auch oft eine Therapie.

Ich habe in einem Interview gelesen, dass du deinen Namen schon vor Voodoo Jürgens hattest. Habt ihr euch jemals darüber unterhalten?
Nein. Er hat einen Cameo-Auftritt beim “DiesDas“-Video. Ich hab ihn gefragt, ob er als Gag vorkommen möchte, das hat er gemacht. Wenn man sich sieht, grüßt man sich halt. Aber wir haben uns nie unterhalten. Der Name war ein blöder Gag von einem Freund von mir. Der hat irgendwann begonnen, mich so zu nennen, dann ist das irgendwie passiert.

Wer ist dein Lieblingsglatzkopf?
Caillou. Und an zweiter Stelle Michael Scofield.

Wirst du wirklich irgendwann Model , wenn das mit dem Rappen nichts wird?
Da bin ich zu dick dafür. Ich hab ein Wohlstandsbäuchlein.

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