Vor zehn Jahren wäre es mir mit Sicherheit nicht so leicht gefallen, innerhalb von Sekunden die absurdesten Gegenstände in einem einzigen Geschäft zu finden. Zum Glück ist der Online-Handel aufgeblüht und der ehemalige Google-Ingenieur Peter Szulczewski gründete 2011 die Online-Shopping-Plattform wish.com. Inzwischen überstrahlt der Hype um Wish sowohl Amazon als auch den chinesischen Verkaufsriesen AliExpress. Es ist weltweit die am häufigsten heruntergeladene Shopping-App: 2019 kamen knapp 169 Millionen Downloads zusammen.
Die Angebote auf Wish sind komisch, dumm und durcheinander gewürfelt – sie erinnern eher an einen Trash-Flohmarkt aus den hintersten Ecken von Willy Wonkas Unterbewusstsein. Wie wäre es mit einer Handvoll Mehlwürmer? Braucht jemand furzsichere Cargohosen? Oder eine Bauchtasche, die wie eine Bierwampe aussieht? Wish hat all das – meist sogar nur für wenige Euro.
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Bei vielen Nutzerinnen und Nutzer lösen die auf Wish angebotenen Gegenstände eine Mischung aus Faszination und Ekel aus. So gibt es auf Facebook zum Beispiel die Seite “What has wish advertised to me today OH NO”. Davon inspiriert habe ich beschlossen, einige der bizarrsten Wish-Artikel selbst zu bestellen und auszuprobieren.
Die Hodensack-Maske (22 Euro)
Bei Wish gibt es viele Kostüme, die höchstens ein Karneval-Fanatiker auf dem Höhepunkt seiner Jeckheit anziehen würde. Wie diese “Cross-border special party”-Maske mit einem Hodensack als Kinnersatz. Sie riecht nach einem Ölfleck. Und als ich das Gummimonster über mein Gesicht ziehe, bekomme ich fast eine Panikattacke. Selbst am darauffolgenden Morgen hängt der Geruch der Maske noch auf meiner Haut. Ich hasse diese Maske. Wenn ich mein Bauchgefühl für das Produkt in einem Wort zusammenfassen müsste, würde ich sagen: “krebserregend”. Komischerweise wurde der Verkäufer trotzdem durchschnittlich mit 4,1 von 5 Sternen bewertet.
Der Regenschirm-Hut (3 Euro)
An einem der verregnetsten Tage des Jahres schnalle ich mir dieses Teil auf meinen Kopf und treffe mich mit einer Freundin zum Abendessen. Bleibe ich auf dem Weg zum Restaurant trocken? Zum Glück. Ist das Ganze dennoch verdammt peinlich? Ohne Zweifel, ja. Wenn du willst, dass irgendwelche Arschlöcher im Auto neben dir herfahren und dich wegen deiner Kopfbedeckung lauthals auslachen, dann ist der Wish-Regenschutz genau das Richtige für dich.
Die Frettchen-Leine (2 Euro)
Warum gehen Menschen so selten mit ihren Hamstern spazieren? Vielleicht, weil sie keine passende Leine besitzen. Diese bezaubernde und verstellbare Leine für Nagetiere in Himmelblau hat schon fast 400 Drei-Sterne-Reviews bei Wish erhalten. Die User loben dabei besonders die Qualität und die Passform des Produkts. Ich probiere das Ganze mit Rollo aus, dem Meerschweinchen meiner Freundin Maddy. Rollo schafft es sofort, sich mit einem schrillen Quieken aus dem Leinengeschirr zu winden. “Ich finde das Kunstleder und die kleine Glocke echt super”, sagt Maddy, “aber insgesamt war das doch ein Fail.”
Die Maske für straffe Wangen (7 Euro)
Der Hersteller dieser Maske behauptet, sein Produkt könne meine Wangen straffen. Der verstörend leere Blick des Models auf der Wish-Seite spricht jedoch Bände. Als müsste man für das Bisschen mehr Jugend seine Seele verkaufen. Wie in der Gebrauchsanweisung beschrieben trage ich die Maske jeden Abend 20 Minuten lang. Nach einer Woche hat sich mein Gesicht tatsächlich verändert: Ich habe einen leichten Ausschlag an meinem Kinn, den wohl der kratzige Stoff verursacht hat.
Der Babybauch zum Umschnallen (36 Euro)
Mit umgerechnet 36 Euro ist dieser falsche Babybauch eines der teuersten Gadgets von Wish. Ich bestelle mir direkt den “8-10 Monate”-Bauch, denn ich will ja auch die maximale Schwangerschafts-Experience für mein Geld haben. Was bei mir zu Hause ankommt, ist schließlich ein wabbeliger Silikonklumpen mit dünnen Klettverschlussstreifen, die ich um meine Hüfte legen soll. Wenn du damit draußen rumläufst, musst du dir auf jeden Fall ständig Sorgen machen, dass dein “Babybauch” abfällt. Wer aus irgendwelchen Gründen mal eine Schwangerschaft vortäuschen möchte, findet bestimmt bessere Möglichkeiten.
Der Sack für die Katze (3 Euro)
Ein altes Sprichwort sagt, man soll nicht die Katze im Sack kaufen – deshalb bietet Wish den Sack ohne Katze an. Es handelt sich um einen Pflegebeutel der Marke “LadyPeiPei”. Er verspricht, dass meine Katze mich nicht beißt und kratzt, wenn ich sie darin bade oder untersuchen lasse. Für meinen Test borge ich mir Davie aus, die kleine getigerte Katzenlady meiner Freundin Kate. Zwar schaffe ich es, Davie mit Leckerlis in den Beutel zu locken, aber das Tier schafft es immer wieder, aus seinem Nylon-Gefängnis zu schlüpfen. Dabei bleibt Davie mit ihren Krallen im Stoff hängen und kippt zur Seite. Kate und ich schauen still dabei zu, schließlich bricht Kate das Schweigen: “Das Ganze erscheint mir ein wenig grausam.”
Ein paar blutige Hände und Füße (3 Euro)
Diese “realistisch designten und angemalten” Gliedmaßen wurde von fast 2.000 Menschen mit Lob überschüttet. So schrieb ein User zum Beispiel, dass dieses Produkt eine “tolle Requisite für einen Erste-Hilfe-Kurs” sei. Für mich klingt das eher nach letzter Hilfe. Die abgetrennte Hand, die dann in meinem Briefkasten landet, wirkt dank des herausstehenden Knochens auch erstmal ziemlich beeindruckend. Meine Freude ist aber nur von kurzer Dauer. Denn eigentlich halte ich da nur ein weiches, schlecht gefertigtes Gummiteil in der Hand, das stechend nach Farbe riecht.
Der Fallschirm für Jogger (5 Euro)
Dieses Gadget ist optimal für alle, die sich das Leben gerne unnötig schwer machen: Es soll dich beim Rennen ausbremsen. Das Foto auf Wish zeigt einen fokussierten Sportler, dessen schwarzes Outfit perfekt zu dem Fallschirm passt, den er hinter sich herzieht. Das Ganze könnte auch aus einer Laufschuh-Werbung stammen. Was nach meiner Bestellung dann aber bei mir ankommt, ist eine herbe Enttäuschung: ein knallroter Nylonsack mit einem elastischen Hüftband. Ich probiere den Schirm beim Fußballtraining aus und renne damit einmal übers Feld. Tatsächlich spüre ich einen Widerstand und muss mich ein bisschen mehr anstrengen. Die meiste Mühe habe ich aber damit, meine Scham zu unterdrücken.
Die Fisch-Latschen (5 Euro)
Wohl keiner verkauft so viele bescheuerte Gummi-Produkte wie Wish. Auf diese außergewöhnlichen Fisch-Flip-Flops habe ich mich besonders gefreut. Leider habe ich mich beim Bestellen in der Größe geirrt, weshalb ich jetzt die Kinder-Variante in den Händen halte. Immerhin ist die Liebe zum Detail der Wahnsinn: Der Verkäufer “Popular Shirt” hat auf der Sohle sogar das zweite Fischauge platziert.
Die Ziehharmonika-Flasche für Kinder-Pipi (5 Euro)
Würdest du dein Kind in eine kleines, zusammenfaltbares Gefäß mit Froschgesicht pinkeln lassen? Falls ja, dann herzlichen Glückwunsch, Wish macht es möglich. Da ich kein Kind habe, ist dieses “für Mütter essenzielle” Produkt in meinen Händen etwas sinnlos. Ich will jedoch fair sein und checke zumindest, wie wasserdicht der Schlauch ist: Ich fülle ihn mit Wasser und trage ihn den ganzen Tag in meinem Rucksack herum. Es läuft nichts aus. Trotzdem ist es mir jedes Mal total unangenehm, wenn ich das Teil anschaue.
Der Schraubstock für Zehennägel (1 Euro)
Das kleine Gerät, das mich eher an ein Folterinstrument aus Saw erinnert, kommt ohne Gebrauchsanleitung bei mir an. Klar, es weiß ja jedes Kind, wie man einen Schraubstock verwendet, der eingewachsene Zehennägel wieder richtet! Bei einem Preis von einem Euro gibt es auch nicht den geringsten Grund, an seiner Qualität zu zweifeln. Also versuche ich etwas hilflos, das Ganze an meinem kleinen Zeh anzubringen. Ohne Erfolg. Das Teil rutscht immer wieder ab. Ich bin mir sicher, dass irgendjemand da draußen das Gerät bei BDSM-Sessions einsetzt, aber ich habe keine Ahnung, wie.
Der Schrubber für den Fuß (7 Euro)
Meine Füße fühlen sich manchmal wie Schleifpapier an. Deswegen setze ich große Hoffnungen in diesen Wunderschlappen. Als mir mein Paketbote dann einen übergroßen Flip-Flop aus hartem Plastik überreicht, bin ich etwas enttäuscht. Vorsichtig bringe ich die Saugnäpfe auf dem Boden meiner Dusche an und gönne meinen Füßen das komplette Wellnessprogramm. Leider fühlen sie sich nach der Fahrt durch die kleine Kitzel-Waschanlage nicht weicher an.
Das Glitzerkissen mit Nicolas Cage (4 Euro)
Es gibt Dinge, die eigentlich keinen Grund haben, überhaupt zu existieren, mich aber trotzdem glücklich machen. Ein Beispiel: Schnabeltiere. Ein weiteres Beispiel: dieses Kissen. Wen juckt es, dass die Pailletten nicht gerade bombenfest angebracht sind, wenn du dafür stundenlang Nicolas Cages Gesicht streicheln kannst? Ich stimme einer Bewertung voll zu, in der ein User wahrscheinlich aus vollem Herzen schreibt: “Genau das, was ich erwartet habe. Ich liebe es.”
Das Maschinengewehr “für Kinder” (31 Euro)
Mit dem M249-Maschinengewehr werden seit den 80er Jahren Menschen umgebracht, in Afghanistan und im Irak war die Waffe fester Bestandteil des Arsenals der US-Armee. Es spricht also nichts dagegen, dieses jahrzehntealte Tötungswerkzeug in ein Spielzeug für Kinder zu verwandeln! Das Gadget mit dem verwirrenden Namen “Ananas Wasserpistole” wirkt so täuschend echt, dass ein Kollege zur Sicherheit eine Notiz daran anbringen will, damit niemand denkt, das hier sei ein echtes Maschinengewehr.
Bei der mitgelieferten “Munition” handelt es sich um kleine Kügelchen, die man in Wasser einlegen soll. Sie schwellen dann zu geleeartigen Geschossen an. Funktioniert das Ganze auch? Nicht wirklich. Erst nachdem ich die Gebrauchsanleitung mithilfe von Google Translate übersetzt habe, kann ich die Wasserpistole richtig laden. Ein paar halbherzige Schüsse, dann gibt die “Ananas Wasserpistole” auf. Erbärmlich.
Der Elektroschocker fürs Gesicht (7 Euro)
Geräte, die auf magische Weise das Gesicht schöner machen sollen, scheinen auf Wish besonders beliebt zu sein. Dieses Teil kostet genauso viel wie die Bandagenmaske, bietet zusätzlich aber noch das Risiko eines Stromschlags. Ein echtes Schnäppchen also! Ich lege zwei AAA-Batterien in das Gerät und schließe die beiden Pads an. “Die wundervolle Kombination verschiedener Impulse wird bei Ihnen das wahre Gefühl einer Akupunktur hervorrufen”, verspricht die Bedienungsanleitung. Und ich spüre wirklich etwas. Aber ich glaube, so fühlt es sich höchstens an, wenn man von einem Tamagotchi-Ripoff leichte Elektroschocks verpasst bekommt.