Popkultur

Diese Künstlerin hat sich als Milliardärin in New Yorker Luxuswohnungen geschummelt

case de bogati din new york

One Madison, 432 Park Avenue, 277 Fifth, 520 West 28th Street, 56 Leonard. Vielen Leuten werden diese Adressen in New York City absolut nichts sagen, aber für einige wenige privilegierte Menschen bedeuten sie Zuhause: Es sind die Adressen einiger der luxuriösesten Wohnungen, die Manhattan zu bieten hat.

Die Gebäude sind wie die Schmuckstücke der US-Metropole. Sie bieten unglaublichen Luxus, Exklusivität und konkurrenzlose Ausblicke, die die meisten von uns niemals zu Gesicht bekommen werden. Bis jetzt.

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Von 2016 an dokumentierte die in Budapest lebende bildende Künstlerin und Architektin Andi Schmied die Aussicht aus den exklusivsten Immobilen von Manhattan. Natürlich konnte sie nicht einfach mit einer Kamera in die Gebäude spazieren und mit dem Aufzug zu einem Penthouse hochfahren. Deswegen erfand Schmied ihr Alter Ego Gabriella, eine ungarische Milliardärin, die für sich, ihren Mann und ihr Kind ein neues Zuhause sucht. Als Gabriella kontaktierte Schmied auf hochklassige Immobilien spezialisierte Maklerbüros und verlangte, deren exklusivste Wohnungen zu besichtigen. Überraschenderweise sagten viele dieser Büros schnell zu. Das Ergebnis von Schmieds Überzeugungskunst ist ihr neues Buch Private Views: A High-Rise Panorama of Manhattan. Darin hat die Künstlerin ihre Erfahrungen in den Luxusapartments dokumentiert.

Wir haben mit Schmied über ihr Buch, schweineteure Ausstattung und die Reaktion der Immobilienbranche auf ihr Buch gesprochen.

Eine Badewanne in einem Luxusapartment in New York, im Hintergrund ist die Skyline von Manhattan zu sehen
Der Blick nach Westen aus einem der obersten Apartments in der 432 Park Avenue

VICE: Wie bist du auf Gabriella gekommen? Hast du dich von einer bestimmten Person inspirieren lassen?
Andi Schmied:
Gabriella ist ganz natürlich entstanden. Zuerst brauchte ich einen Namen, der bei einer Google-Suche keine Rückschlüsse auf mich zulässt. Meine Kunstprojekte hätten mich nämlich als potenzielle Käuferin einer Luxusimmobilie verdächtig wirken lassen. Ich entschied mich für meinen Mittelnamen und meinen Nachnamen, denn so bekam ich keine Probleme, wenn ich mich vor einer Besichtigung ausweisen musste. Um größere Wohnungen und Penthouses anschauen zu können, brauchte ich zudem ein Kind. Also bekam ich einen Sohn: 2016 nur ein Foto meines Neffen als Baby als Hintergrundbild auf meinem Handy, ab 2020 dann wirklich. Die Maklerinnen und Makler hatten immer total viele Fragen zu ihm, weil das wohl eine Technik zum Erzeugen persönlicher Szenarien ist – so nach dem Motto “Stellen Sie sich vor, wie ihr Sohn hier durch die Wohnung tobt, Malbücher ausmalt und singt”.  

Der Rest hat sich mit der Zeit einfach entwickelt. Die Maklerinnen und Makler fragten mich über mein komplettes Leben aus: Mit wie vielen Leuten ziehe ich um? Was machen wir? Wie läuft das Geschäft meines Manns? Koche ich gerne? Welche Kleidung trage ich gerne? Gabriellas Geschichte entstand mit den Antworten, die ich auf diese Fragen gab. Einmal wurde ich zum Beispiel gefragt, ob wir ein Kindermädchen anstellen würden, worauf ich mit “Na klar” antwortete. Von da an hatte Gabriella ein Kindermädchen. Außerdem wollte eine Maklerin wissen, wer meine Klamotten entworfen habe. Weil mir nichts besseres einfiel, sagte ich, dass das ein ungarischer Designer gewesen sei. Also trug Gabrielle nur noch ungarische Haute Couture. Allgemein fühlte ich mich am wohlsten, wenn ich so direkt und ehrlich wie möglich war. Deswegen arbeitete Gabriella auch als Architektin. 

Ich glaube, ich habe einfach eine superreiche Version von mir selbst entworfen. Für alles andere hätte ich viel bessere schauspielerische Fähigkeiten gebraucht.

Der Ausblick aus einem Luxusapartment in New York zeigt den Central Park und unzählige Wolkenkratzer
Der Blick nach Norden auf den Central Park aus einem der Schlafzimmer in der 432 Park Avenue
Der Ausblick nach Süden und Westen aus einem New Yorker Luxusapartment zeigt viele Wolkenkratzer, darunter auch das Empire State Building
Der Ausblick nach Süden und Westen von einem der obersten Schlafzimmer in der 432 Park Avenue
Der Ausblick aus dem Central Park Tower, dem höchsten Wohngebäude der Welt, zeigt den Central Park und unzählige Hochhäuser
Der Ausblick auf den Central Park vom 100. Stockwerk des Central Park Towers aus. Mit 472 Metern ist der Wolkenkratzer das höchste Wohngebäude der Welt

Wie einfach war es, Zugang zu solchen Luxuswohnungen zu bekommen? Wie muss man sich das Ganze vorstellen?
Erste Zweifel an meinem Vorhaben kamen mir, als mir Freunde aus New York sagten, dass die ganzen Maklerbüros mir niemals die Wohnungen zeigen würden, ohne vorher gründlich meinen finanziellen Hintergrund zu checken. Wie sich herausstellte, gilt das allerdings nur für nicht so teure Immobilien, da die Ultrareichen erst dann ihre Bankunterlagen rausrücken, wenn konkrete Verhandlungen geführt werden. Die Maklerinnen und Makler googeln also nur kurz den Namen oder rufen bei den oberen ein Prozent im Herkunftsland des Klienten an. 

Der erste Makler, bei dem ich mich meldete, fragte mich nach meinem Hintergrund. OK, eigentlich interessierte er sich vor allem für meinen Mann. Ich brauchte also jemanden, der in dieser Preisklasse – zwischen 20 und 90 Millionen Dollar – authentisch erscheint. Zum Glück besitzt mein guter Freund Zoltán mehrere Unternehmen mit hübschen Websites, die für diesen Zweck ausreichten. Nachdem das Immobilienbüro Zoltáns Portfolio angesehen hatte, riefen sie mich oder meine ausgedachte Assistentin Coco zurück, um einen Besichtigungstermin zu vereinbaren. Von da an hatte niemand mehr irgendwelche Zweifel.

Gab es eine Wohnung, die besonders übertrieben wirkte?
Ich finde die Gebäude des Architekten Robert A.M. Stern schrecklich. Die Wohnungen darin werden trotzdem immer alle sofort verkauft. In den Marketingbroschüren wird stets behauptet, dass Sterns Wolkenkratzer von den historischen Wohnhäusern New Yorks inspiriert seien. Aber dann haben sie alle die typische Kalksteinfassade und überall goldene Verzierungen – und wirken wie eine Art Sehnsucht nach einer Vergangenheit voller britischer Gentleman’s Clubs, Pferderennen und Königshäuser.

Der wolkenverhangene Ausblick aus einem New Yorker Luxusapartment zeigt den MetLife Tower und andere Wolkenkratzer
Der wolkenverhangene Ausblick auf den berühmten MetLife Tower von einem der obersten Stockwerke des Madison Square Park Towers aus
Der Ausblick aus einer New Yorker Luxuswohnung zeigt ein Meer an Hochhäuser, darunter auch das Empire State Building
Von einem Wohnzimmer im One-Madison-Wolkenkratzer aus blickt man im Norden auf das Empire State Building und im Westen auf den Hudson River
Im Bad einer New Yorker Luxuswohnung steht eine Badewanne mit Ausblick auf die Skyline Manhattans
Eine Badewanne mit Ausblick im obersten Stockwerk des Time Warner Centers

Gab es in einer der Wohnungen irgendetwas total Absurdes, das nur die Superreichen bei sich zu Hause brauchen?
Da sich die ganzen Gebäude recht ähnlich sind, will man bei Interessenten durch völlig übertriebene Ausstattungen punkten. Ein Golfsimulator-Raum ist inzwischen Standard. Auch ist ein richtiger Wettbewerb darum entbrannt, wer das exklusivste Restaurant nur für die Bewohner vorweisen kann. Vor drei Jahren erzählte mir das Maklerbüro für die 432 Park Avenue ganz stolz, dass das Restaurant dort von Shaun Hergatt, einem mit Michelin-Stern ausgezeichneten Koch, geleitet werde. Und letztes Jahr erklärte mir der Makler im Central Park Tower, dass die Köche im dortigen Privatrestaurant alle zwei Monate wechselten, sie aber natürlich alle mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet seien.

Vor ein paar Jahren war es noch so, dass all diese Annehmlichkeiten in die unteren Stockwerke gestopft wurden, weil sich Wohnungen erst ab dem 30. Stockwerk gut verkaufen lassen. Jeder will schließlich einen traumhaften Ausblick. Heute befinden sich die ganzen Zigarrenräume, Ballsäle, Weinzimmer und so weiter allerdings im 100. Stockwerk, damit man seine Gäste mit dem höchsten Ausblick über Manhattan beeindrucken kann.

Inzwischen hast du dein Buch über das Projekt veröffentlicht, man hat auch schon viel darüber berichtet. Haben sich die Maklerinnen und Makler, mit denen du zu tun hattest, wieder bei dir gemeldet?
Zwar haben mich viele Maklerinnen und Makler kontaktiert, aber nicht die, mit denen ich die Wohnungen besichtigt hatte. Viele wollten mir einfach sagen, dass sie das Projekt super finden. Das hat mich überrascht. Einige Maklerinnen und Makler sehen sich als privilegiert an, weil sie solche Luxusapartments begehen können. Sie sind der Meinung, dass jeder die Möglichkeit haben sollte, sich diese Wohnungen anzuschauen. 

Andere sind von der Branche frustriert, in der sie arbeiten. Das Buch enthüllt ziemlich viel von dem Marketing-Quatsch, der mit diesen Gebäuden zusammenhängt. Ich glaube, viele Maklerinnen und Makler finden diesen Bereich ihres Berufs auch so problematisch wie ich. Mit nur einem Verkauf verdienen sie Millionen und gehören damit genauso zum Kreis der hochvermögenden Personen und leben den gleichen luxuriösen Lifestyle wie ihre Klientinnen und Klienten. Um einige bestimmte Maklerinnen und Makler herrscht ein merkwürdiger Promi-Kult. Und wie ich aus den Mails einiger Leute aus der Branche herauslesen konnte, finden die das richtig schlimm. Aufzudecken, wie viel Bullshit in dieser Welt abgeht, ist ein schönes Gefühl.

In einer New Yorker Luxuswohnung stehen ein Sofa und ein Flügel im Wohnzimmer, die Aussicht zeigt die Skyline Manhattans
Der Ausblick nach Norden und Osten aus dem größten Penthouse in der 520 West 28th Street
Vom Wohnzimmer eines New Yorker Luxusapartments aus hat mein einen atemberaubenden Ausblick auf Manhattan
Von dieser Wohnung im One-Madison-Wolkenkratzer aus blickt man über den Hudson River und Downtown Manhattan
Vom Central Park Tower, dem höchsten Wohngebäude der Welt, aus hat man einen tollen Ausblick auf den Central Park und Manhattan
Der Blick nach Norden auf den Central Park von einem der obersten Stockwerke des Central Park Towers aus

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