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Die hartnäckigste Troll-Aktion des Internets: Dieser Typ startete den Rickroll

Kurzes Update: Der Vater von Frauke Petrys Kind ist Donald Trump – hier der Link zum Scoop der Washington Post. Herzlichen Glückwunsch, ihr wurdet gerade Opfer des Rickrolls. Oder seid ihm, klug wie ihr seid, entkommen, weil die Troll-Taktik schon über zehn Jahre das Internet nervt. Hinter einem scheinbar spannenden Link verbirgt sich nicht der erhoffte Inhalt, sondern nur der schnulzige Pop-Song Never Gonna Give You Up von Rick Astley.

Immer und immer wieder Rick Astley. Trailer zum neuen GTA? Never Gonna Give You Up. Große wissenschaftliche Erkenntnis über eine anstehende Alien-Invasion? Never Gonna Let You Down. Eine Einladung zu einer glamourösen Champagner-Geburtstagsparty? Never gonna turn around and desert you.

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Der Sänger, Rick Astley, trägt an diesem Meme keine Schuld. Dass es überhaupt so weit kommen konnte, hängt zusammen mit Korea, 4chan, der US Airforce, einer Ente – und einem unterbeschäftigten Armee-Administrator.

We know the game: Der Mann hinter dem Meme

Shawn Cotter (rechts) hat den Rickroll erfunden | Bild: Shawn Cotter

Es ist 2007 und Shawn Cotter ist in Südkorea stationiert. Shawn ist ein 19-jähriger Soldat aus Nebraska und kümmert sich für die Air Force um Netzwerktechnik. Richtige Militär-Action erlebt er nicht, er hat einen Job wie jeder andere Netzwerkadministrator. Von 7-16 Uhr sitzt der Airman First Class am Rechner. Und danach macht er das, was Teenager 2007 eben so machen: Auf 4chan trollen.

“Ich war auf /b/ unterwegs und trollte damit rum, dass Apple besser sei als Windows und so”, erzählt Shawn über das Imageboard, das für Trolle im Netz steht wie kein anderes. Shawn erreichen wir über seine Facebook-Seite. “Da wurde ich zum tausendsten Mal vom Duckroll erwischt.” Der Duckroll ist ein inzwischen vergessenes 4chan-Meme, mit einer überraschend komplexen Hintergrundgeschichte. Hinter einem vielversprechendem Link versteckt sich: das Bild einer Ente auf Rädern. “So lame! Wer macht denn sowas? Einfach nur ein Bild. Es war 2007 und ich war mir sicher: Ich kann das besser. Das musste einfach ein Video sein.”

Aus Shawns Boxen singt Rick Astley – never gonna make you cry – denn er hat sich durch einen Artikel über Songs geklickt, die in seinem Geburtsjahr 1987 populär waren. Im Imageboard wird währenddessen fast nur über ein großes Thema geredet: Der neue Trailer zu GTA IV. Der Besucheransturm von gespannten Gamern legt die offizielle Seite, die einzige Quelle fürs Video, komplett lahm. Der Trailer ist nicht mehr zu sehen, aber alle wollen ihn sehen. Bei Shawn macht es Klick, ein fast mythischer Internet-Moment.

Am 15. Mai 2007 lädt Shawn Cotter an einem Bürotisch in Südkorea das schnulzige Musikvideo auf seinen YouTube-Kanal und gibt ihm einen Namen: “RickRoll’D”. Dann setzt er sich ans Coden.

Gotta Make You Understand: Das Geheimnis des Rickrolls

“Ich schrieb zwei Programme”, erzählt Shawn. “Eins, das immer wieder neue Threads auf /b/ angelegt hat.” Darin enthalten: Der Link zum Video und die Erklärung, es wäre der neue GTA-Trailer, den die Entwickler unter Verschluss halten. Immer wieder sorgt Shawns Skript dafür, dass sein Foren-Thread wieder auf der Startseite von 4chan auftaucht – immer wenn die Kommentare nachlassen und der Thread droht, in der Masse an Posts zu versinken, greift Shawns kleines Tool ein. “Das andere Programm hat immer wieder neue YouTube-Accounts erstellt. Sie liken, abonnieren und teilen das Video.”

Heute bezeichnet Shawn die Skripte, die leider nicht mehr existieren, als “totale Amateur-Arbeit”, aber seine selbstgebastelte Bot-Armee zeigt Wirkung. “Ehrlich gesagt, dacht’ ich, ich würde die Leute einfach nur einen Tag lang trollen, aber dass sie es weiterverbreiten, das hätte ich nicht gedacht”, so Shawn. Nicht nur die Bots, auch die echten Nutzer beginnen mit Rick zu rollen. Astleys Schnulzballade überrollt die alte Meme-Ente und lässt sie im Staub vergessener 4chan Threads zurück.

Astleys Stimme begrüßt jeden naiven Link-Klicker auf 4chan. Ein Jahr später, am 1. April 2008, macht sogar YouTube mit. Jeder Klick auf eines der Videos auf der Startseite führt an diesem Tag zu Shawns Rickroll. Das ist der Moment, an dem Rickroll unwiederbringlich Teil wird von Netz- und Popkultur. Es folgen: Auftritte in Trickfilmen, auf Paraden, auf Protesten, in zahlreichen Gags. Never gonna say goodbye.

I just wanna tell you how I’m feeling: Der Mann hinter dem Song

“Absurd” – so reagiert Rick Astley damals auf seinen plötzlichen Siegeszug im Internet. Aber der Aufstieg zum Meme sollte für Astley ein Segen werden. In den 80ern erreichte der Brite mit Anfang 20 Weltruhm. An das Leben als Popstar konnte er sich aber zu dieser Zeit nie gewöhnen. In Interviews gibt sich Astley verschlossen, still. Er ist einfach…awkward.

Astley war ein schüchterner Junge aus England, sein Vater der Besitzer eines Gartenfachgeschäfts. Eigentlich stand Astley auch lieber an den Drums als vor einem Mikro. Dass er überhaupt vom Label Stock Aitken Waterman entdeckt wurde, liegt daran, dass der Sänger seiner Band bei einem Auftritt krank ist.

Mit 27 steigt er aus. Nach über 40 Millionen Platten entscheidet sich Astley 1993 für eine vorzeitige Rente und ein ruhiges Familienleben mit Ehefrau und Tochter. Aber zehn Jahre später will er es wissen und veröffentlicht wieder neue Musik. Sie floppt.

Don’t tell me you’re too blind to see: Hat der 4chan-Fame Astley nun reich gemacht, oder nicht?

Im Netz kursiert das Gerücht, Astley hätte mit dem Rickroll fast kein Geld verdient, nur 12 Dollar sollen je bei ihm gelandet seit. Und das nach über 70 Millionen Views des Rickroll-Videos. Aber das stimmt so nicht ganz.

Denn das Meme katapultiert Astley wieder in die Öffentlichkeit. Auf den MTV Europe Music Awards wird Astley 2008 dank Mithilfe seiner neuen 4chan-Fans zum “Best Act Ever” gekürt. Es folgen Werbedeals mit Virgin, ein Auftritt bei Macy’s Thanksgiving Day Parade, ein Gig als Radiomoderator der BBC und viele neue Fans. Rick Astley ist plötzlich cool, nicht mehr der Schnulzenhorst aus den 80ern, er ist der smarte Troll aus dem Netz.

Zwei Jahre nach dem Start vom Rickroll dankt Rick Astley dem Erfinder von 4chan, Christopher “moot” Poole, in einem Artikel fürs Magazin Time, er hätte seine Karriere wiederbelebt.

Your heart’s been aching but you’re too shy to say it: Was danach passierte

Shawn Cotter hat es nie geschafft, den Ruhm von 2007 einzufangen. “Ich habe versucht, YouTuber zu werden, war sogar YouTube-Partner, aber daraus wurde irgendwie nix”, erzählt Shawn. Auf seinem Kanal sind alle YouTube-Standards zu finden: Blöde Tänze, Sketche, schlechte Animationen “Ich bin wohl einfach nicht so kreativ. Ich bin ein One Hit Wonder.”


Bei Noisey: Glam Rock


Mit seiner kurzen aber heftigen Internet-Karriere hat er sich längst abgefunden. “Ach, ich liebe es. An jedem neuen Arbeitsplatz findet es irgendwer irgendwann raus, dass ich den Rickroll erfunden haben, und dann drehen alle durch. Ich mag das. Das ist eine Ehre für mich.” Selbst auf seiner Hochzeit war der Rickroll ein Thema. “Mein Freund, mit dem ich in Korea gedient habe, ist extra 600km zur Hochzeit gefahren, damit der DJ Never Gonna Give You Up spielt. Die Hälfte der Leute war verwirrt und der Rest ist total durchgedreht.”

Geld verdient hat Shawn mit dem Rickroll nicht. Dafür ist er jetzt Sergeant und inzwischen längst zurück in den USA. Mit Rick Astley hatte Shawn übrigens bis heute keinen Kontakt. Auch das Label hat sich nie wegen des Videos, das eigentlich eine Urheberrechtsverletzung darstellt, bei ihm gemeldet. Rick Astley hat übrigens ein neues Album, 50. Es ist ziemlich gut.