Die Stars des alten Hollywood und ihr geliebtes LSD

Cary Grant, Schauspieler und Verfechter der therapeutischen Qualitäten von LSD. Foto: Wikimedia Commons

Meine erste LSD-Erfahrung war nicht schön: Ich verbrachte sechs Stunden damit, in einem Park Insekten zu beobachten. Ich wurde dabei von einem fetten Typen unterbrochen, der mich als Idioten beschimpfte, und jemand anderes zeigte mein ein Buch voller Autopsie-Fotos. Es war unangenehm und langweilig. Ich bin zu keiner einzigen neuen Erkenntnis gekommen—keine Geheimnisse des Kosmos wurden mir offenbart. Ich habe nur herausgefunden, dass man während einem Trip keine Bilder von Leichen anschauen sollte. Dadurch fühlst du dich komisch und mitgenommen.

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Das größte Problem bestand wohl darin, dass schon so viele Menschen gesagt haben, dass sie ihre tiefgreifende Auffassung der Welt LSD zu verdanken haben. Zu diesen Menschen gehören zum Beispiel Musiker, Autoren, Steve Jobs, ein Typ mit Pferdeschwanz-Frisur auf meinem letzten Musikfestival und komischerweise auch ein paar Stars aus der goldenen Ära Hollywoods. In den 50er Jahren erwies sich die Traumfabrik sogar als fruchtbarer Boden für frühe LSD-Experimente, weil die Droge bei Therapiesitzungen unter anderem von Cary Grant als Hilfsmittel eingesetzt wurde.

Die Substanz wurde 1943 von Albert Hofmann entdeckt. Er arbeitete für die Sandoz-Labore in der Schweiz und führte Experimente mit Pilzen durch. Dabei synthetisierte er bei seinem 25. Versuch, ein Reizmittel für das zentrale Nervensystem zu finden, Lysergsäurediethylamid-25. Fünf Jahre später bekam er aus Versehen etwas davon an seine Fingerspitzen und „erlebte einen durchgängigen Strom an fantastischen Bildern und außergewöhnlichen Formen mit einem intensiven, kaleidoskopischen Farbenspiel.“ An seinem 100. Geburtstag nannte er LSD „Medizin für die Seele.“

Dr. Albert Hofmann im Jahr 2003. Foto: StepanWikimedia | CC BY-SA 2.0

Psychiatrische Ärzte nahmen zuerst an, dass LSD psychomimetische Eigenschaften besitzt—es also eine Psychose simuliert. Diese Vorstellung wurde aber schnell wieder verworfen und mit der Überlegung ersetzt, dass es zumindest zu experimentellen Zwecken bei therapeutischen Sitzungen eingesetzt werden kann. Im Vereinigten Königreich kam das Mittel in geringen Dosen bei den sogenannten „psycholitischen Therapien“ zum Einsatz. Damit sollte man zu besseren Erkenntnissen kommen, wenn die Patienten sich stabilisiert hatten.

Dr. Ben Sessa, ein Psychiater und Befürworter der Verwendung von Psychedelika zu Therapie-Zwecken, erzählte mir Folgendes: „In den USA kam ein anderes Modell zum Einsatz, nämlich die psychedelische Therapie. Stationäre Patienten nahmen genau eine große Dosis zu sich und machten dann eine ausgeprägte und mystische Erfahrung. Darauf folgte eine drogenfreie Integrationssitzung, bei der das während dem Rausch aufgekommene Material untersucht wurde.“

Als LSD schließlich seinen Weg über den großen Teich fand, schaffte es der Arzt Oscar Janiger, sich eine Ladung unter den Nagel zu reissen. Er traf eine Abmachung mit Sandoz: Wenn er ihr Produkt bei seinen Patienten verwendet und dann das Unternehmen über die Ergebnisse auf dem Laufenden hält, muss er sich keine Sorgen um Nachschub machen. Zu den Teilnehmern des Experiments gehörten die unterschiedlichsten Menschen, von Zahnärzten über Hausfrauen und Studenten bis hin zu Berühmtheiten wie André Previn, Aldous Huxley und James Coburn.

1955 war Anaïs Nin bei Janiger zu Besuch und schrieb danach folgenden Tagebucheintrag:

„Ich sah dabei zu, wie eine ganze Reihe goldener Wellen zu festem Goldpulver zerfiel, das dann zu goldenem Schaum und goldenem Haar wurde, die in Wonne schimmerten und bebten. Ich hatte das Gefühl, das Geheimnis des Lebens ergreifen zu können—denn das Geheimnis des Lebens bestand aus Metamorphose und Umwandlung. Es geschah allerdings alles zu schnell und ist mit Worten nicht zu beschreiben. Der kosmische Geist von Anaïs macht sich über Worte und Anaïs selbst lustig. Ah, ich kann das Geheimnis des Lebens nicht in WORTEN ausdrücken.“

In der Zeit vor Ken Keseys „Acid Tests“ ließ LSD sowohl bei Psychiatern als auch bei Gurus eine komische Frage aufkommen. Die Droge konnte Menschen mit Problemen dabei helfen, sich normal zu fühlen. Wer sich aber dem vollen Potenzial von LSD bewusst war, erkannte dessen Fähigkeit, die Grenzen der normalen Realität zu sprengen. Huxley, Nin, Janiger und Andere erkannten das. Sie diskutierten stundenlang über den möglichen Platz der Droge in der Gesellschaft. Auch wurde über den Nutzen nachgedacht, den „ein paar schöne Flaschen LSD im Trinkwasser von Beverly Hills“ laut Cary Grant hätten.

Janiger verglich seine Erlebnisse mit den Mysterien von Eleusis—eine altertümlich Zeremonie, die außerhalb von Athen durchgeführt wurde. Teilnehmer nahmen ein Getränk namens Kykeon zu sich, dem halluzinogene Eigenschaften nachgesagt wurden. Dann rastete man im Kollektiv vollkommen aus, um den Göttern zu dienen. Der Arzt fragte sich, ob ein solches Spektakel auch 2000 Jahre später noch einen Platz in der Gesellschaft haben könnte.

Janiger konzentrierte sich zwar mehr auf die experimentelle Seite, aber auch die klinische Grundlage für den therapeutischen Einsatz von LSD wurde niemals vernachlässigt. Dr. Sessa steht mit seiner Überzeugung nicht alleine da, dass Psychedelika bei der Behandlung von Krankheiten wie Angststörung, Zwangsneurosen und PTBS sehr nützlich sein können. Zumindest Dr. Mortimer Hartman hätte dem zugestimmt.

Nachdem er selbst jahrelang genauestens nachgeforscht hat, war Hartman ganz begeistert von der Tatsache, dass LSD die feste Schicht des Egos komplett schmelzen lässt, anstatt sie nur anzukratzen. So wird das darunterliegende Unterbewusstsein freigelegt. Er sagte über die Droge, dass sie „Emotionen und Erinnerungen um das Hundertfache“ verstärke.

Ender der 50er-Jahre eröffnete Hartman das Psychiatric Institute of Beverly Hills. Mit einem gesicherten Nachschub von Sandoz fing er an, 100 Dollar für eine Dosis zu verlangen und damit die inneren Qualen der äußerlich perfekten Menschen zu genießen. Seine Patienten erzählten von Erfahrungen wie Geschlechtsumwandlungen, Wiedergeburten und Offenbarungen. Dabei konnten sie sich aus der Sicht des Publikums und der des Schauspielers betrachten.

Cary Grant, Hollywoods damaliger Vorzeige-Star, war derjenige, der seiner Liebe zu LSD auch am lautesten kundtat. Grant wollte während seines ersten Besuchs bei Hartman eigentlich nur herausfinden, was seine Frau Betsy Drake über ihn erzählt hatte. Er war jedoch auch ein Neurotiker im Rampenlicht—der Traum eines jeden teuer bezahlten Psychotherapeuten. Schon bald war er überzeugt von der Möglichkeit, dass LSD all die Probleme lösen könnte, die ihm schon so lange Sorgen bereiten. Dr. Hartman hatte diese Probleme als „anhaltende emotionale Distanz“ diagnostiziert.

Natürlich kann man ihm nicht die Schuld in die Schuhe schieben: Als Grant neun Jahre alt war, ließ sein Vater seine Mutter in eine Psychiatrie einweisen und erzählte seinem Sohn dann, dass sie tot sei. Im darauffolgenden Jahr trat Grant einem Zirkus bei, weil sein Vater lieber eine neue Familie gründen wollte. Eine Übersiedlung nach Amerika und drei Ehen später fand sich der Schauspieler 1957 auf Dr. Hartmans Couch wieder. Die Vorhänge waren zugezogen und er war kurz davor, zum ersten Mal LSD zu nehmen. 

Cary Grant in Berüchtigt. Foto: Wikimedia Commons

Grants Biograf Marc Eliot glaubt, dass die Droge bei ihm viel erreicht hat. „Er beschrieb es als ‚kontrollierte Träume‘. Durch sie kam er ‚in Einklang‘ mit sich selbst“, sagte er. „Ich denke, dass LSD ihn aus dem emotionalen Gefängnis ausbrechen ließ, in dem er womöglich schon sein ganzes Leben verbracht hat.“

Das war der Anfang einer langen Freundschaft mit der Droge und dem Arzt. Grants Erfahrungen schienen zwischen ruhigen, psychotropischen Lebenslektionen und den albtraumhaften Horror-Trips, vor denen dich die Polizei immer warnen will, hin- und her zu wechseln.

Zu Ersterem schrieb er: „In der Stille des kleinen Raums habe ich viele Dinge gelernt. Ich habe gelernt, die Verantwortung für meine Taten zu übernehmen. Allein ich bin für die Umstände verantwortlich, die ich geschaffen habe. Ich habe gelernt, dass nur ich mich selbst unglücklich mache und ich mir mehr Schmerzen zufügen kann als jeder andere Mensch.“

Zu Letzterem sagte er: „Weißt du, wir alle hielten unbewusst unseren Anus zu. In einem LSD-Traum haben ich den ganzen Teppich und den ganzen Boden vollgeschissen. Ein anderes Mal hielt ich mich selbst für einen riesigen Penis, der wie eine Rakete in den Himmel schoss … Ich fühlte mich wie in einer Welt voller gesunder, pummeliger Babyarme, Windeln und verschmiertem Blut. Es fanden irgendwie allgemeine, menstruelle Dinge statt.“ 

Grant wurde zu einem der stärksten Befürworter der Droge. Er ermutigte seine Freunde und seine folgenden Ehefrauen dazu, sie ebenfalls auszuprobieren. Er ließ sich von den Magazinen Ladies Home Journal und Good Housekeeping zu den transformativen Wirkungen interviewen. Gelegentlich gab es aber auch etwas unschönere Zwischenfälle. Jahrzehnte nach ihrer Scheidung erzählte Grants vierte Frau Dyan Cannon der Daily Mail, dass er sie zum LSD-Konsum „zwingen“ und sie in die „wunderbare neue Ehefrau verwandeln wollte, die mit ihrem Mann mühelos zu einer Einheit verschmelzen konnte.“

Timothy Leary bei einer Vortragsreise im Jahr 1969. Foto: Dennis Bogdan, Wikimedia | CC BY-SA 3.0

Manche Leute behaupten, dass Grant Timothy Leary von der Droge erzählte. Natürlich machte sich Leary dann auf, um allen Anderen von LSD zu berichten. Learys anschließende Aufforderung „Turn on, tune in, and drop out“ wurde von Janiger und Huxley jedoch stark kritisiert. Sie waren der Meinung, dass diese Botschaft zu positiv und zuversichtlich sei. Die Wahrheiten, die Acid ans Tageslicht brachte, waren zu heftig und die breite Masse der Bevölkerung war dafür nicht vorbereitet.

Als Acid immer beliebter wurde, zog es auch die Aufmerksamkeit der Behörden auf sich. Dann etablierte sich LSD als Straßendroge—damit wurde auch der Weg für die ganzen Horror-Geschichten freigemacht, die so etwas immer nach sich zieht.

Anfang der 60er Jahre beschäftigte sich die Arzneimittelzulassungsbehörde der USA etwas genauer mit dem Psychiatric Institue of Beverly Hills, das Hartman 1962 schließlich dicht machen musste. Beim Establishment war der Ruf der Droge zerstört und die Konsumenten wurden immer weiter an den Rand gedrängt. 1968 wurde LSD dann für illegal erklärt. Dr. Sessa hielt das für eine schlechte Entscheidung: „Seitdem kann man nur noch schwer Forschung betreiben und die Behörden haben sich selbst einen nicht zu gewinnenden Drogenkrieg eingebrockt. Dieser Krieg fördert nur die Mafia, verteufelt ansonsten gesetzestreue Drogenkonsumenten und behindert vor Allem jegliche Forschung im Bereich dieser ungefährlichen und wirksamen Substanzen.“

Hartman hatte Kalifornien zu diesem Zeitpunkt schon verlassen und auch Janiger musste seine Praxis schließen und ließ seine Studien schnell sein, nachdem die Regierung damit angefangen hatte, Ermittlungen anzustellen. Cary Grant nahm weiterhin LSD zu sich, jedoch hielt er sich jetzt eher bedeckt. In seinem Testament hinterließ er Hartman, seinem „weisen Mahatma“, 10.000 Dollar.

Es ist gut möglich, dass Psychedelika auch weiterhin Gutes für uns tun können. „Traditionelle Behandlungen mit Drogen wie Antidepressiva überdecken eigentlich einfach nur die Symptome“, sagte Dr. Sessa. „In dieser Hinsicht können psychedelische Drogen dazu eingesetzt werden, einen tiefgründigeren, fokussierteren und effektiveren Weg einzuschlagen und den Patienten dabei zu helfen, ihre Probleme zusammen mit den Therapeuten zu untersuchen. Durch sie kann man über existentielle Themen nachdenken. Das kann zum Beispiel bei einer Drogensucht oder bei möglichen Persönlichkeitsstörungen sehr nützlich sein. In diesen Fällen könnte der Patient von der Möglichkeit profitieren, tiefsitzende und schwer zu lösende Verhaltensmuster in verwurzelten negativen Weltanschauungen zu verändern.“

Die Zeiten ändern sich. 2012 ergab einer Analyse von Studien aus den 60er und 70er Jahren, dass LSD bei der Behandlung von Alkoholismus sehr hilfreich ist. Dieses Jahr wurden auch zum ersten Mal seit über 30 Jahren wieder zwei Arbeiten über die Wirkung der Droge herausgebracht. Wer weiß, vielleicht können wir bald selbst erleben, was Grant uns mitteilen wollte.