Die Krawalle haben Upinder Randhawa zu CNN gebracht

Letzte Woche um diese Zeit haben die Krawalle langsam ihren „Wow”-Faktor verloren. Das hört sich jetzt vielleicht etwas unsensibel an, aber zu diesem Zeitpunkt wussten wir noch nicht, dass drei Männer aus Birmingham bei dem Versuch, ihre Gemeinden vor Plünderern zu beschützen, ihr Leben lassen würden. Im Großen und Ganzen wurden die Aufnahmen von jungen Leuten in Sportklamotten, die Molotowcocktails auf Polizisten schleudern, schon langsam deprimierend vertraut. Birmingham hatte, im Gegensatz zu anderen Städten, allerdings Upinder Randhawa, ein Reporter für den Sikh Satelliten- und Internetsender Sangat TV.

Als die Krawalle anfingen, seine Heimatstadt zu umschließen, kauerte sich Upinder nicht hinter einen Vorhang und schaute zu, sondern stecke eine Kamera ins Armaturenbrett seines Autos und nahm uns alle auf eine Krawall-Spazierfahrt mit. Er suchte sich seinen Weg durch die Unruhen, hielt hin und wieder an, um der Polizei zu helfen, junge Übeltäter beim Kragen zu fassen, und seine Kamera auf kampfschreiende Sikhs zu richten, die darauf brennen, irgendeinen jungen Raufbold zu verprügeln, der sich traut, es auch nur in Betracht zu ziehen, die Gurdwara zu plündern. Sangat und Upinder hatten über Nacht zehntausende neue Fans, die sie ihrem bereits vorhandenem Publikum hinzufügen konnten, das vor allem aus Leuten besteht, die gern Teppichladeneröffnungen und die religiösen, aber unspektakulären Wiederholungen von Vorlesungen des Guru Granth Sahib anschauen. Wir haben uns mit Upinder in Verbindung gesetzt, um zu sehen, wie er mit dem Ruhm klarkommt, und ob er die letzte Woche damit verbracht hat, unter den gleichen Post-Krawall Entzugssymptomen zu leiden wie wir.

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VICE: Hey, Upinder. Wie geht’s?

Upinder Randhawa: Großartig, danke. Ich bin gerade aus London nach Birmingham zurückgekommen. Ich war letzte Nacht in der Debate Show von Channel 4.

Hört sich gut an, wie ist es gelaufen?

Ich glaube, es war gut. Jeder schien mit mir zufrieden zu sein.

Also sieht es gut aus für dich und Sangat TV…

Ja, ich habe ein paar Sachen für Sky News und ITV gemacht; die BBC und CNN haben unser Filmmaterial auch genommen. Es war sehr erschöpfend, aber auf eine gute Art. Außerdem hatte ich so die Möglichkeit, Leuten zu helfen.

Das ist nett gesagt. Aber wenn die Krawalle für viele Leute auch ein Albtraum waren, haben sie den Job von Journalisten für ein paar Tage ziemlich spannend gemacht, oder?

Ich würde nicht sagen, dass es ein „Job” an sich ist. Meiner Meinung nach geben sie uns eine Möglichkeit, der Gesellschaft zu helfen. Um ein Journalist zu werden und sich in diesem Bereich zu engagieren, muss man von Natur aus emphatisch sein und den Schmerz der Leute fühlen. Damit du in schwierigen Zeiten ihre Stimme sein kannst.

Bist du deshalb am Dienstagabend auf die Straße gegangen?

Na ja, ich wollte am Montag raus, als weniger Unruhen waren, aber alles hatte zu und es wurde wirklich frustrierend, zu versuchen, rumzukommen. Dienstag war viel schlimmer und eigentlich schwieriger, abzudecken, weil überall was los war. Ich meine, ich habe von überall her Messages gekriegt mit „Komm in dieses Gebiet, komm in jenes Gebiet”. Aber ich bin ein Sikh und meine Religion lehrt eine einfache Sache: ein menschliches Wesen zu sein, der Menschheit zu helfen. Und das ist im Grunde genommen, warum ich da raus wollte. Ich musste den Leuten zeigen, was los war, welche Gebiete sicher waren und welche nicht. Also habe ich unseren Studiomanager Nirmal Singh, meinen Kumpel Juggy Singh, der der Kameramann ist, und George, der im Studio geblieben ist, um zu schneiden, angerufen, und los ging’s.

Hat ein kleiner Teil von dir in dieser Nacht gesagt „Das ist meine Chance”? Du hast gewirkt, als wäre das genau dein Ding. Journalisten sind ziemlich ehrgeizige Leute, karrieremäßig.

Ich glaube, dass Journalisten die ehrgeizigsten Leute überhaupt sind. Jetzt, da die Krawalle aufgehört haben, will ich mehr machen – ich will in andere Länder reisen, mit anderen Sendern zusammenarbeiten – aber ich habe in dieser Nacht nicht einmal darüber nachgedacht. Dazu hatte ich wirklich keine Zeit. Du sieht brennende Läden, kreischende Leute rennen rum, du wirst von der ganzen Sache so vereinnahmt, dass du alles andere vergisst. Ich habe an dem Tag sogar vergessen, heim zu gehen. Ich habe ausserdem geschworen, dass ich keinen Tropfen Wasser trinken würde bis die Krawalle aufhören. Also habe ich drei Tage lang kein Wasser getrunken.

Meinst du das ernst? Wie hat dein Körper reagiert? Ich will nicht mal wissen, welche Farbe dein Urin hatte…

Ja. Ich wusste, dass ich auf dem richtigen Weg war und mein Gott wusste, dass ich auf dem richtigen Weg war, deshalb hat er dem ein Ende bereitet. Ich meditiere ausserdem viel, das hat mir geholfen, meinen Körper und seine Bedürfnisse zu kontrollieren. Ich trank allerdings eine Brause und das hat mich nur noch mehr dehydriert. Aber ja, mein Urin war normal, danke der Nachfrage.

Gern geschehen. Es gibt etwas komisches in der Tragödie. Was war das Lustigste in dieser Nacht?

Das hängt wirklich davon ab, wie du das siehst. Ich versuche auch immer, die lustige Seite zu sehen. Zum Beispiel stand ich einmal direkt vor einem Plünderer. Er hatte sein Gesicht vermummt und hielt einen Stein in der Hand und er sagte zu mir „Wenn du deine Kamera nicht ausmachst, dann trifft dieser Stein dein Gesicht.” Und ich habe zu ihm gesagt „Schau mal, Mann. Wir leben im gleichen Land. Warum musst du das überhaupt machen? Warum umarmst du mich nicht, anstatt mit diesem Stein nach mir zu werfen? Und wir können was trinken gehen und mal über diese ganze Sache reden.” Und er so: „Denkst du, das ist lustig?” Und ich sagte: „Was ich lustig finde, ist, dass du dein Gesicht versteckst, deine Identität versteckst, und trotzdem bist du hier und redest davon, wie du der ganzen Welt ins Gesicht schaust. Also, wenn du dich dann wie ein besserer Mann fühlst, dann tu es. Aber ich bewege mich nicht.” Und er hat den Stein einfach fallen lassen und ist gegangen. Ich glaube, er hat zu viel gehört.

Das ist gar nicht so lustig, aber immerhin. Welches Gefühl hast du im Großen und Ganzen über die Birmingham-Krawallen? Was war der Grund für die Krawalle?

Es liegt an dem Mangel an Möglichkeiten. Keiner interessiert sich für diese jungen Menschen. Von diesen ganzen Rowdys sind ungefähr 10-15% wirklich wütend auf die Regierung. Der Rest war nur dabei, weil es Spaß gemacht hat. Sie haben kein Motiv. Sie wollen keinen Job finden oder auf’s College.

Also sind es wütende junge Männer, Denn sie wissen nicht, was sie tun-mäßig?

Es sind nicht nur Männer, es waren auch Mädchen dabei. Und ich würde sie nie Rebellen nennen, aber sie haben sicherlich ein Anliegen. Sie versuchen etwas zu sein, das sie nicht sind. Sie schauen sich Filme wie Der Pate an und denken sich, dass das eine coole Art zu Leben sei. Schaut euch nicht Der Pate an, schaut lieber Pretty Woman! Das ist ein viel besserer Film.

Aber in Pretty Woman geht es um einen reichen Typen, der sich in eine Prostituierte verliebt. Bist du dir sicher, dass das die richtige Botschaft ist, die du heute jungen Frauen vermitteln willst?

Das ist sie, weil die Botschaft Liebe ist. Die Botschaft ist, dass du niemanden nach deren Vergangenheit beurteilen kannst. Julia Roberts hat jemanden gefunden, der sich für sie einsetzt, und das war alles, was sie brauchte. Es gibt immer zwei Seiten einer Geschichte.

Okay. In Indien und Pakistan ist heute Tag der Unabhängigkeit, oder? Wie wirst du ihn feiern?

Ja, das stimmt. Heute feiern wir, dass wir die englische Herrschaft losgeworden sind. Also reisen meine Familie und ich nach Watford, wo mein Sant Baba Kashmira Singh Ji eine Rede halten wird. Ich freue mich sehr darauf, er ist eine sehr inspirierende Person. Es wird auch Essen geben, Gesang und haufenweise Freunde, mit denen ich mich unterhalten kann.

Hört sich toll an! Viel Spaß, Upinder!

Gott segne dich.