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Die mysteriöse Ursprungsgeschichte von Italiens berüchtigter “Hurenpasta”

Pasta alla Puttanesca – fork holding up spaghetti in tomato sauce, a black olive and capers.

2014 postete die berühmte britische Fernsehköchin Nigella Lawson ein Rezept auf ihrer Website: Spaghetti alla puttanesca, ein typisches Nudelgericht aus Italien. Sieben Jahre später, im August 2021, gab Lawson ihrer Version der Pasta einen neuen Namen, aus “Slut’s Spaghetti” – der italienische Name lässt sich grob mit “Hurenspaghetti” übersetzen – wurde das gemäßigtere “Slattern Spaghetti”. 

Diese Änderung schmeckte der konservativen italienischen Tageszeitung Corriere della Sera überhaupt nicht: Man warf Lawson übertriebene politische Korrektheit vor und behauptete fälschlicherweise, die Köchin hätte den Namen des Gerichts als anstößig bezeichnet. Nachdem Lawson die Zeitung darauf ansprach, korrigierten die Verantwortlichen ihren Artikel, denn die Köchin will den Namen gar nicht komplett canceln, sondern benutzt nur selbst nicht mehr die direkte Übersetzung.

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In ihrem Blog schreibt Lawson, die Namensänderung sei inspiriert von einer Twitter-Unterhaltung mit dem User Jim Hewitt. Der habe gesagt, dass ihn das Rezept an die Tage erinnere, an denen seine Mutter mit den Zutaten kochte, die sie so im Vorratsregal fand. Dabei habe sie immer gesagt: “Hush. I’m slatterning!” – also dass sie “herumschlampere”.

Das Pastarezept, für das man Zutaten wie Anchovis, Tomaten, Oliven, Kapern und Knoblauch benötigt, ist tatsächlich perfekt geeignet für faule Tage. Das englische Wort “slattern” bedeutet allerdings nicht wirklich faul, sondern bezeichnet eine ungepflegte, dreckige Frau. Viele Wörterbücher listen es als Synonym zu “slut”, also Schlampe. Das wirft die Frage auf, warum von all diesen negativ belegten Wörtern das eine besser sein soll als das andere. Ebenfalls unklar ist übrigens, woher das Gericht überhaupt seinen typischen Namen bekam.


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Laut Luca Cesari, dem Autor des Buches Die Geschichte der Pasta in zehn Gerichten, könne man den Ursprung des Rezepts nicht genau zurückverfolgen. Soweit er wisse, tauchte das Gericht in den 1950er und 1960er Jahren zum ersten Mal in Kochbüchern auf. Von Pastasoßen mit Oliven, Kapern und Anchovis habe man aber schon am Anfang des Jahrhunderts gehört.

“Es handelt sich auf jeden Fall um ein neueres Rezept. Ich kann aber auch nicht viel mehr darüber sagen als die Mythen, die man im Internet darüber findet”, sagt Cesari.

Der Zeitung Napoli Today zufolge seien einige Leute davon überzeugt, dass eine Bordellbesitzerin in der Nähe von Rom die Spaghetti alla puttanesca erfunden hat. Andere sagten, dass es sich beim Erfinder um einen Bordellbesitzer aus den Quartieri Spagnoli in Neapel handle. Wieder andere behaupteten, der Name sei eine Anspielung auf die grün-rot-lilafarbene Soße – alles Farben von Unterwäsche, die die Frauen in diesen Bordellen tragen. Und wieder andere gäben an, dass eine Sexarbeiterin namens Yvette la Francese das Gericht zum ersten Mal gekocht und dann nach ihrem Beruf benannt habe.

Die Bordelltheorie geht jedoch nicht ganz auf. Die Zutaten der Puttanesca-Soße sind so geläufig und einfach zuzubereiten, dass der angeblich außergewöhnliche Ursprung etwas weit hergeholt erscheint. So erwähnt bereits das Cucina Teorico-Pratica, ein italienisches Kochbuch aus dem 19. Jahrhundert, ein Nudelgericht mit Kapern, Oliven und Anchovis, das als eine der Grundlagen der modernen neapolitanischen Küche gilt. 

Was ebenfalls nicht schlüssig erscheint, ist das Timing der ersten Erwähnung des Namens. Die früheste Verbindung zu Puttanesca-Soße ließ sich nach längerer Recherche in einem Essens- und Wein-Guide der italienischen Tourismusorganisation Touring Club aus dem Jahr 1932 finden. Darin wird das Gericht allerdings “Maccheroni alla marinara” genannt.

Der Name “Spaghetti alla puttanesca” scheint zum ersten Mal im Jahr 1961 abgedruckt worden zu sein: Im Roman The Mortal Wound wird die Pasta als sizilianisches Gericht beschrieben. Der eigentliche Twist: 1958, also drei Jahre vor Veröffentlichung des Buches, wurden Bordelle in Italien verboten. Natürlich ist es möglich, dass der Name zu diesem Zeitpunkt schon weit verbreitet war, man ihn bloß noch nie abgedruckt hatte. Aber sehr wahrscheinlich ist das nicht.

Die Spur führt auch zu einem Lebemann auf der Insel Ischia

Eine andere Vermutung zum Ursprung des Namens bringt uns zur Mittelmeerinsel Ischia, die vor der Küste Neapels liegt. In dem Buch La Cucina Napoletana aus dem Jahr 1977 wird die Erfindung des Gerichts einem örtlichen Maler namens Eduardo Colucci zugeschrieben, der häufig seine Freunde auf die Insel eingeladen und ihnen dann Maccheroni alla puttanesca kredenzt haben soll.

2005 schrieb eine italienische Zeitung hingegen, dass die Soße in den 1950er Jahren eigentlich von Coluccis Neffen erfunden worden sei, dem Architekten und Jetsetter Sandro Petti. Der habe eines Abends in seinem Restaurant Il Rancio Fellone ein schnelles Gericht für seine Gäste improvisiert, indem er einfach “irgendeinen Scheiß” an Zutaten zusammenwarf – in Italien bezeichnet man das auch als “una puttanata”, was wörtlich übersetzt so viel wie “Handlung einer Hure” bedeutet.

Der Ausdruck “puttanata” ist für die italienische Sprache nicht wirklich außergewöhnlich, denn viele italienische Schimpfwörter beziehen sich in irgendeiner Weise auf Frauen, die weiblichen Genitalien oder Sexarbeit. Während solche Ausdrücke in anderen Sprachen schon länger kritisiert werden, steht diese Diskussion in Italien gerade erst am Anfang. Zwar benutzen italienische Feministinnen und Feministen inzwischen Übersetzungen von englischen Wörtern, wenn sie sich auf Sexarbeit beziehen wollen, ohne zu stigmatisieren. Aber in der breiten Bevölkerung herrschen weiterhin die negativ behafteten Ausdrücke aus der eigenen Sprache vor. 

Das bringt uns zurück zu Nigella Lawson und der Namensänderung bei ihrer Pasta. Für viele war dieser Schritt ein wichtiges Signal. Was sie dadurch allerdings immer noch nicht geschafft hat, ist aufzuklären, warum so ein einfaches Nudelgericht überhaupt so einen anzüglichen Namen bekommen hat. Wahrscheinlich werden wir das nie erfahren.

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