Sechs Stunden Yoga, zwei Wochen nach Island in die Natur, ein Jahr Sabbatical. Wofür soll das eigentlich alles gut sein? Um zu sich selbst zu finden natürlich. Die eigene Mitte als große Unbekannte, die es zu erreichen gilt. Am besten mit einer Meditations-App für wahnsinnig viel Geld oder dem x-ten Ratgeberbuch, das dir der erleuchtete Onkel einer Freundin eines Bekannten wärmstens an dein ermattetes Herz legt. Oder zurück zur Mitte in vier Teelöffeln, mit dem neuesten Verdauungsjoghurt deiner Wahl. Oder halt auch einfach mal nicht. “Finde niemals zu dir selbst”, schreien uns Die Nerven in “Niemals” entgegen.
“Wo willst du hingehen, wenn du überall schon warst? / Wo gehst du hin, wenn dich überall was stört?” Eine düstere Vorstellung wohnt dem besten Song ihres im April erschienenen Albums Fake inne. Die der Ausweglosigkeit, in der wir angekommen sind. “Ich hab’ das alles schon gesehen, hab’ das alles schon erlebt”. Es gibt keinen Weg nach vorne, wenn man in der Sackgasse angekommen ist. Man ist am Ende der Überholspur namens Selbstoptimierung. Oder liegt längst schon daneben, als Wrack auf dem Standstreifen des Lebens.
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Die Nerven sind frustriert, genervt von allem und dabei ziemlich ehrlich. Anstatt den Alltag einfach monoton weiterzuleben, fordern sie in “Niemals” dazu auf, endlich stehen zu bleiben. Punk im Jahr 2018 heißt hier nicht nur Anti-Alles, sondern vor allem Anti-Ich. Gegen sich selbst gilt es anzugehen und endlich wieder “laut zu denken”. Wenn im Video Hauptdarstellerin Flora Lenzmann durch Rostock rennt, könnte man fast meinen, sie flieht vor sich selbst. Scheinbar rast- und ziellos jagt sie sich durch eine zumeist menschenleere Kulisse, bis sie endlich am Meer ankommt.
“Mit Abstand hat uns kein Album so viel abverlangt wie dieses hier”, verraten Die Nerven über Fake. Das Album, das die Band innerhalb von zwei Wochen in der Toskana aufgenommen hat, will anstrengend sein. Eine Absage an die Gesellschaft und sich selbst ist eben kein Party-Urlaub. Schön zu sehen, wenn deutsche Musik wieder unangepasst ist, und die Fans nicht vom ersten Song an mit klanglicher Kuscheldecke und Schmusetee einlullt. Wer also endlich mal wieder nicht zu sich selbst finden will, kommt ab Mitte Oktober auf die Tour der Nerven.
NOISEY präsentiert: Die Nerven auf Tour
16. Oktober Saarbrücken – sparte4
17. Oktober Hamburg – Uebel und Gefährlich
18. Oktober Utrecht – EKKO
19. Okotber Rotterdam – Rotown
21. Oktober Münster – Gleis 22
23. Oktober Esslingen – KOMMA Kultur
24. Oktober Darmstadt – Oetinger Villa
25. Oktober Düsseldorf – Johanneskirche Stadtkirche
30. Oktober Düdingen – Bad Bonn
31. Oktober St. Gallen – Palace
01. November Graz – Orpheum
02. November Linz – Posthof – Zeitkultur am Hafen
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