Vielleicht erinnert sich der ein oder andere ja noch an Joanna Rohrback. Die Amerikanerin veröffentlichte im Jahr 2012 ein Video auf YouTube, in dem sie ihr selbstgeschaffenes Fitnessprogramm Prancercise vorstellte. Das Training, dessen Namen sich von dem englischen Wort für tänzeln ableitet, beruht auf verspielten Bewegungsabläufen, die an die Gangarten eines Pferdes erinnern sollen und einen aussehen lassen, als wäre man mit dem Kopf voran in einen Pool voll Liquid Ecstasy gesprungen—oder müsste gerade einfach sehr dringend auf Toilette. Ob es an dem eigenwilligen Jogging-Stil oder dem eindrucksvollen Cameltoe der Dame liegt, ist nicht ganz klar, Fakt ist aber: Der Clip ging viral und hat mittlerweile über 10 Millionen Views.
Nun schreiben wir das Jahr 2014 und Joanna ist nach wie vor auf der immer währenden Quest, den sportbegeisterten Menschen da draußen die „Kunst der körperlichen und spirituellen Erfüllung“ nahe zu bringen. Nach rund zwei Jahren Entwicklungsphase präsentiert sie nun eine überarbeitete Version von Prancercise: „Official Prancercise Fitness with Passion“. Statt alleine durch den Park zu galoppieren und die Bewegungen ihres Lieblingstieres nur zu imitieren, geht es für Joanna und ihren Partner jetzt direkt auf die Koppel und inmitten unter Pferde.
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Alle Screenshots: Youtube
Auch wenn es zu Beginn des Videos schwerfällt, den Blick vom eindrucksvollen Intimbereich des Prance-Partners zu lösen, der in eine Zebra-Spandexhose gepresst wurde—der Anfang ist nur ein laues Lüftchen gegen den visuellen Orkan, der bei zunehmender Laufzeit des Videos entfesselt wird. Schnell wird zwischen dem motiviert hüpfenden Paar und der galoppierenden Herde hin und her geschnitten. Die Grenzen verschwimmen. Wer sind die Menschen, wer die Tiere? Es lässt sich einfach nicht sagen.
Schon kurz nach Minute 2 fordert das harte Workout seinen ersten Tribut: Zebra-Boy, der in seiner bemühten Grandezza ein bisschen an einen rapide alternden Sektenguru erinnert, kann nicht mehr. Die Sprünge werden kürzer und schleppender, immer wieder wirft er einen verzweifelten, ja, flehenden Blick in Richtung willkürlich ein- und auszoomende Kamera. Joanna hingegen ist der lebende Beweis dafür, dass jahrelange körperliche Ertüchtigung auch dann anschlägt, wenn das dazugehörige Fitness-Programm die sportlich-esoterische Entsprechung zu einem Wendy-Heft ist.
Zum allgemeinen cineastischen Erlebnis trägt neben den gewagten Kamerafahrten auch die Tatsache bei, dass die Beiden eine Art Choreografie galoppieren. Immer wieder gehen sie dabei auch bewusst auf die grasenden Pferde zu, die offensichtlich gar keine Lust auf „Self-Expression” und „Conservation“ (so zwei der erklärten Ziele des Prancercise-Programms) haben. Auch wenn dieses Bild sehr viele Fragen aufwerfen mag, stellt sich mir doch vor allem die folgende: Würden Pferde beim Laufen diese Flügelschlagbewegung machen, wenn sie Arme hätten?
Nach dreieinhalb Minuten kommt schließlich der dramaturgische Höhepunkt des Videos: Eine lange Kamerafahrt mitten in den Anus eines Pferdes, das vollkommen ahnungslos und von den tanzenden Wahnsinnigen abgelenkt, sein Geschäft verrichtet. Das Workout befindet sich nun in den letzten Zügen, die Galoppsprünge werden bedeutend ruhiger und schließlich werden im entspannten Schritt noch ein bisschen die verkrampften Arme gelockert.
Nach der Anstrengung ist es wichtig, sich mit engem Kontakt zum Seelenverwandten, dem enervierten Tier, zu belohnen. Außerdem kann man sich gut an der Mähne festhalten, wenn man droht, vor Erschöpfung zu kollabieren. Vollkommen zu Recht stellt Joanna die abschließende Frage: „Warum sich mit Mittelmäßigkeit zufrieden geben, wenn du mit Prancercise zur Ekstase tänzeln kannst?”
Worauf wartet ihr also? Schnappt euch eure engste Gymnastik-Hose, zieht euch eure liebste Fahrstuhlmusik auf den MP3-Player und galoppiert los! Solltet ihr euch bei eurem Fitness-Programm allerdings unter echte Tiere mischen wollen, sucht euch einen Zeitpunkt aus, an dem der Reiterhof eurer Wahl kaum besucht ist. In dieser Aufmachung würdet ihr nämlich nur dann noch offensichtlicher als Pferde-Triebtäter rüberkommen, wenn euch bei der Verhaftung Zuckerstücke aus der Hose fallen.