Sex

Die schönen und peinlichen Stadien des Verliebens

Gerade war Valentinstag – der Tag, den alle Menschen auf der Welt hassen. Leute in Beziehungen hassen ihn, weil es lächerlich ist, auf Kommando romantisch zu sein – aber gleichzeitig gefährlich, es einfach bleiben zu lassen. Und Singles hassen ihn, weil er sie gnadenlos daran erinnert, dass sie am nächsten Wintersonntag wieder alleine mit ihrem Laptop auf dem Bauch ungeduscht Netflix gucken werden.

Aber: Eigentlich sollten Singles es feiern, dass sie keine Beziehung haben. Und zwar nicht nur, weil das auch total erfüllend sein kann und man keinen Partner braucht und bla bla, sondern einfach, weil sie die Chance haben, sich noch mal zu verlieben. Denn sich zu Verlieben ist das Großartigste, was dem Menschen passieren kann. Da lohnt es sich, den Prozess mal im Detail festzuhalten:

Videos by VICE

Das erste Date

Alle ersten Dates fangen gleich an. Du checkst noch ein letztes Mal in der Plexiglasscheibe vor dem Bar-Menü deine Frisur, atmest tief durch und betrittst das Lokal. Du bist nervös, weil gleich jemand über dich urteilen wird. Andererseits wirst du auch gleich urteilen, was das Zeug hält, also ist es wieder fair.

Du siehst dein Date am anderen Ende des Raums. Er oder sie sitzt an der Bar, tippt auf dem Handy und trägt keinen Hut. So weit, so gut. Während du dich näherst, scannst du die Person von oben bis unten, um ein Urteil darüber zu fällen, wie weit Profilbild und Realität voneinander entfernt sind. Gleichzeitig versuchst du, in die Zukunft zu schauen. Ist dieser Mensch schlau? Optimistisch? Witzig? Du stellst dir vor, wie du mit einem Wasserschlauch Blumen gießt und diesen Menschen plötzlich nassspritzt – würde er lachen? Und jetzt blickt dein Date auf, eure Blicke treffen sich. Hat die Person liebe Augen? Blaue Augen? Trägt sie so viel Wimperntusche, dass deine eigenen Augen beim bloßen Hinsehen tränen? Hat er diese langen Wimpern, die dich an Rehe und Boybands erinnern?

Dein Date steht auf, um dich zu umarmen, und kurz bevor ihr euch in die Arme schließt, riskierst du noch einen Ganzkörperblick und überlegst: Würde ich?


Auch bei VICE: So erkaufen sich japanische Single-Frauen die “Boyfriend Experience”


Meist ist die Antwort darauf eher enttäuschend, aber diesmal ist sie es nicht. Normalerweise setzt du dich hin und überlegst schon vorsorglich, wie du dich später entschuldigen und heimgehen kannst. Diesmal hast du Angst, dass dein Date genau das macht. Und du hast auch furchtbare Angst, weil dein Date völlig unrealistisch schön ist und du das hier auf keinen Fall verkacken willst.

Ihr fangt an, euch zu unterhalten, und es läuft schwierig. Ihr redet andauernd gleichzeitig los und bleibt nie länger als 45 Sekunden bei einem Thema. Du sagst irgendwas Bedeutungsschwangeres, als dein Date fragt: “Und, hast du Wochenendpläne?” Und dann versuchst du zurück zu rudern und von deinem Wochenende zu erzählen, während dein Date etwas Tiefsinniges sagt. Es ist ein einziges Blutbad, aber das ist total egal, weil ihr euch die Seele aus dem Leib lacht und mit den Kniescheiben aneinanderstoßt. Und ihr wisst beide, dass da was geht.

Nach dem Drink geht ihr zum Dinner. Du schmeckst ohnehin nichts, also isst du wenig, aber irgendwie kostet alles am Ende trotzdem 500 Euro, was dir aber auch egal ist. Ihr stolpert nach draußen und küsst euch wie bekloppt neben irgendwelchen Mülltonnen, bis jemand – nicht du – sagt: “Ich sollte besser nach Hause gehen.” Und dann schaust du zu, wie das Taxi deines Dates in der Ferne verschwindet, bevor du dir endlich erlaubst, in Flammen aufzugehen.

Der erste Tag nach dem ersten Date

Du wachst auf und fühlst dich fantastisch, obwohl ihr 30 Flaschen Wein geleert habt. Du gehst zur Arbeit und verbringst den ganzen Vormittag damit, Instagram-Fotos anzuschauen, dann alle Facebook-Fotos deines Dates, und dann gehst du zurück auf Instagram, und immer so weiter bis zur Mittagspause. Da sind Fotos von Eltern, Reisen, Essen, Schwestern, Freunden, Stränden und Millionen Hunden. Wow, du liebst Hunde und Hundefotos auf einmal dermaßen. “Ich kann nicht fassen, dass dieser Mensch Ex-Partner hat”, denkst du beim Durchscrollen des Insta-Archivs. “Warum sollte sich jemand von dieser Person trennen wollen?”

“Ich weiß, das ist jetzt vielleicht ein bisschen optimistisch, aber hast du vielleicht eventuell irgendwie Lust heute Abend was essen zu gehen?”

Aber da ist der/die Ex. Du musterst diesen Menschen genau. Schöne Kleidung. Er scheint nicht das Foto-Problem mit den geschlossenen Augen zu haben, das dich plagt. Dieser Ex-Mensch sieht tatsächlich recht adrett und professionell aus, und das fühlt sich an wie eine weitere Info darüber, was für ein Mensch dein gestriges Date ist. Vielleicht machst du dir was vor und die Person ist einfach in einer anderen Liga als du.

Aber während du durch Instagram gewatet bist, hast du drei Nachrichten erhalten. In der ersten bezieht sich dein Date auf eine Unterhaltung, an die du dich kaum erinnerst – du warst zu dem Zeitpunkt sehr damit beschäftigt, ein niedliches Grübchen zu bewundern. Die zweite enthält ein Meme, das du kein bisschen kapierst. Die dritte ist eine Einladung: “Ich weiß, das ist jetzt vielleicht ein bisschen optimistisch”, liest du mit klopfenden Organen. “Aber hast du vielleicht eventuell irgendwie Lust heute Abend was essen zu gehen?”

Du fragst dich, ob sich wohl so Heroin anfühlt, und antwortest: “Sehr gern.”


Auch bei VICE: Swansea Love Story


Nach dem zweiten Date die Wohnung betreten

Beim zweiten Date fließt die Kommunikation schon leichter. Ihr entdeckt, dass ihr dieselben Bücher mögt. Ihr macht Stimmen aus eurem Lieblingscartoon nach. Du erzählst alle deine besten Anekdoten. Dein Date durchschaut auf Anhieb, an welchen Stellen du etwas ausgeschmückt hast, und dir geht auf, dass dieser wunderbare Mensch schlauer ist als du. Du fühlst dich eingeschüchtert und erregt zugleich. Und dann ruft ihr ein Uber und geht zu ihm/ihr.

Das menschliche Gefühlsspektrum enthält keine bessere Emotion als “beeindruckt”. Und als du diese fremde, ungewohnt riechende Wohnung betrittst, trifft dich “beeindruckt” wie ein Hieb mit einem tiefgefrorenen Schinken.

Die Wohnung zeugt von mehr Stil, Kreativität und Ordentlichkeit, als du dir hättest vorstellen können. Riesige Regenwaldpflanzen, so saftig grün wie Limetten. Ein hölzerner Schreibtisch mit einem halbfertigen Kunstprojekt drauf. Ein hübsch gemachtes Bett. Und dann erklingt ein Song, und er geht sofort ins Ohr, ohne sich zu Mainstream anzuhören. Wieder fühlst du dich eingeschüchtert, weil dein Date sogar coolen Musikgeschmack hat. Da ist aber noch was anderes, das du nicht gleich einordnen kannst. Was ist das für ein Duft? Dir geht auf, dass du ihn seit zwei Tagen in der Nase hast. Es ist der Duft von Deodorant, Waschmittel, Kaffeesatz und einer Menschenseele, auf maximaler Intensität. Und du stehst da und atmest ein und aus und wieder ein.

Und dann habt ihr unbeholfenen aber göttlichen Sex, weil euch beiden klar ist, dass ihr ohnehin wahrscheinlich ein Paar werdet.

Die Wochen danach

Du wirst nie mehr so witzig sein wie in den ersten Monaten der Beziehung. Du sprichst einfach alles aus, was dir durch den Kopf geht, und zwar mit der lockeren Überzeugung, die entsteht, wenn man mit seinem größten Fan spricht. Ihr setzt manchmal bescheuerte Stimmen auf. Ihr schubst einander im hohen Gras um. Ihr zieht Grimassen und macht Witze über die Genitalien des anderen. Ihr geht samstags in den Park und kritisiert andere Paare, weil sie nicht so einzigartig und besonders sind wie ihr.

Die Tage vergehen, als wärt ihr im Urlaub. Ihr geht viel mehr aus, als du es allein tun würdest, ihr esst mehr, ihr trinkt mehr Wein und weniger Bier. Ihr geht Campen oder auf einen Roadtrip. Ihr geht nach Feierabend ewig spazieren. Du fühlst dich, als wärt ihr schon seit Trillionen Jahren zusammen, dabei ist es erst ein Monat. Dann, eines Tages …

Dir wird klar, dass es Liebe ist

Natürlich hast du den Verdacht schon seit einer Weile. Aber eines Tages passiert etwas, dass deine/n Ex in den Wahnsinn getrieben hätte, während dein neues Bae komplett ruhig bleibt.
Vielleicht warst du spät dran, oder es regnet plötzlich. Oder jemand hat mit dir geflirtet. Oder du hast vergessen zu fragen, wie das Meeting lief. Oder vielleicht warst du verletzlich, als du eigentlich stark sein wolltest. Auf jeden Fall begegnen dir kein saurer Gesichtsausdruck und drei Tage Schweigen, sondern du hörst: “Das macht nichts. Ist schon OK.” Und das ist der Moment, in dem bei dir der Groschen zu Boden klatscht.

Du sagst “Ich liebe dich”

Du besprichst es ein paar Tage vorher mit deinem besten Freund oder deiner besten Freundin. “Ich glaube, ich bin so richtig verliebt”, sagst du und nuschelst ein bisschen, weil sich der Satz wie eine Bloßstellung anfühlt. “Ich will es sagen, aber was wenn dann keine Antwort kommt?” Und dann sagt dein bester Freund oder deine beste Freundin, du sollst dich nicht anstellen und es einfach machen. Das sagen beste Freunde nämlich immer.

Also gut, heute Abend soll es so weit sein. Du probierst im Kopf ein paar Versionen durch: “Weißt du, was ich so toll an dir finde?” – “Hey, ich muss dir was sagen… ” – “Das klingt jetzt vielleicht komisch, aber…” Du probierst immer noch, während ihr zusammen esst, aber dann rutscht dir an irgendeiner Stelle das Wort “liebe” raus, als du eigentlich “mag” sagen wolltest.

Dein Gegenüber lächelt. “Das wollte ich jetzt gar nicht sagen!”, protestierst du, aber auch du lächelst breit und weißt, du wurdest durchschaut. “OK, ich geb’s zu”, sagst du. “Ich liebe dich wirklich.”

Und es ist wahr.

Folge VICE auf Facebook, Instagram und Snapchat.