Auch wenn es rückblickend ziemlich bescheuert erscheint, war „Sellout“ mal eine Sache, über die sich eine Menge Leute aufgeregt haben. Um ihre loyalen Fans so richtig anzupissen, war für eine Punkband die einfachste und sicherste Methode, eine Unterschrift unter einen Vertrag mit einem Majorlabel zu setzen. Der darauf unweigerlich folgende Aufschrei war stets riesig. In Amerika weigerten sich DIY-Läden wie 924 Gilman in Berkeley Majorbands zu buchen, unzählige Songs wurden über das Thema geschrieben und Reel Big Fish machten ironischerweise sogar eine Hitsingle daraus.
Ein solcher Schritt kam nie gut an und wurde von denjenigen, ohne die es die Bands wahrscheinlich nie aus den stinkenden Kellerlöchern geschafft hätten, als Affront gesehen. Ganz egal, ob ein Majorlabel-Debüt ein kommerzieller Erfolg oder ein Flop wurde, ein Liebling der Kritiker oder ein verrissenes Stück Dreck, viele Fans streckten der Sache einfach ihren Mittelfinger entgegen—als wollten sie sagen: „Wir unterstützen euch, aber nicht genug, sodass ihr euren miesen Job im Supermarkt kündigen könnt!“
Videos by VICE
Dann kam irgendwann das Internet und machte alles berühmt und nichts mehr profitabel. Doch bevor die große Blase der Musikindustrie platzte, hatte Punk es geschafft, ein paar Treffer zu versenken. Hier ist ein kleiner Rückblick auf ein paar Platten—gute und schlechte—die zumindest mal die Chance hatten, richtig groß zu werden.
Green Day – Dookie, Reprise (1994)
Punk-Empörungs-Level: 7.5/10
Dookie war das Album, das alles ruiniert hat. Punks lieben es, darauf rumzuhacken. Das hat auch einen guten Grund. Von der Platte verkauften sich nämlich 20 Millionen Kopien, was es zu einem der bestverkauften Alben aller Zeiten machte—nur knapp hinter Purple Rain von Prince und Off the Wall von Michael Jackson. Lass das ruhig einen Moment sacken. Ein Album, das nach einem Hundehaufen benannt ist, verkaufte sich fast so oft wie ein Oscar-prämierter Prince-Soundtrack.
Die wirklichen Probleme, die der unglaubliche Erfolg von Dookie für die Punkszene mit sich brachte, sollten sich aber erst Jahre später offenbaren. Die Platte ebnete den Weg für radiofreundlichen Pop-Punk der Marke Blink-182 und New Found Glory und erschuf außerdem ein Klima bei den Majorlabels, das dazu führte, dass Bands wie Jawbreaker unter Vertrag genommen wurden, die unter dem Druck des Labels ziemlich bald ihr Ende fanden. Auf persönlicher Ebene diente es für die Band als Übergang von drei ungekämmten Kids aus Berkeley zu den Musical-produzierenden, Guyliner tragenden Herren mittleren Alters, mit denen wir es heute zu tun haben. [Dave Chapelle mit Rick-James-Stimme]: They shoulda never gave you punks money!
Aber von alledem mal abgesehen: Verdammt, wenn allein das Drum-Intro des Albums nicht der Anfang von etwas ganz Besonderem ist. Das muss man ihnen schon lassen. Green Day haben es geschafft, die perfekte Mischung aus Cali-Pop-Punk und 90er-Alternative-Rock zu erschaffen—das Resultat ist ein unbestrittener Klassiker. Von da an ging es für die Band musikalisch allerdings stetig bergab: von dem recht passablen 1995er Insomniac über das Album voller nichtssagender, massentauglicher politischer Aussagen, American Idiot, bis hin zu dem absolut überflüssigen dreiteiligen Konzeptalbum das dann folgen sollte. Sie wollten mit ihren simplen Akkorden wirklich ein wenig zu hoch hinaus.
Bad Religion – Stranger than Fiction, Atlantic (1994)
Punk-Empörungs-Level: 9/10
Es war einmal eine kleiner, heruntergekommener Laden in New York in den späten 90ern, in dem ein Typ mit Bad Religion-Patch auf seiner Jacke an der Wand lehnte. Über den Bandnamen hatte er mit einem Edding das Wort „OLD“ geschrieben. Ja, so sehr hassten Bad Religion-Fans die Majorlabel-Veröffentlichungen und die zweite Hälfte des Bandschaffens. Niemand hätte jemals freiwillig zugegeben, die neuen Bad Religion zu hören. Vor allem Stranger Than Fiction mutierte zum allseits beliebten Hassobjekt. Es war schließlich das erste Album für Atlantic, nachdem die Band Epitaph verlassen hatte. (Das muss ein ziemlich guter Deal gewesen sein, wenn die Band gewillt war, das Label zu verlassen, das einem der Typen aus der Band gehört.) Darauf sind auch die bekanntesten Singles der Band zu finden, „Infected“ und „Stranger Than Fiction“. Hinterher weiß man natürlich wieder alles besser und überhaupt und sowieso. Trotzdem ist dieses Album einfach eine der eingängigsten Platten der Band, ohne dabei zu viel Radio-Rock Einflüsse aus der Zeit zu verwenden.
Jawbreaker – Dear You, Geffen (1995)
Punk-Empörungs-Level: 9/10
Nachdem Green Day mit Dookie riesigen Erfolg hatten, rannten Plattenlabels zum nächsten Copyshop, kopierten dort in rauen Mengen Millionen-Dollar-Verträge und fingen an, diese wie Konzertflyer in Punkläden an der Westküste zu verteilen. Jawbreaker hatten zu dem Zeitpunkt gerade erst ihre Tour mit Nirvana beendet, was bei vielen Fans Anlass zur Sorge war, dass die Majorlabels jetzt auf sie aufmerksam werden würden. Tja, und rate mal was passiert ist: Die Majorlabels wurden auf sie aufmerksam.
Anstatt sich aufzulösen, wovon sie nicht mehr weit entfernt waren, unterschrieben sie also einen Millionen-Dollar-Vertag mit DGC Records (Teil der Universal Music Group), um dort das 1995er Album Dear You rauszubringen. Die Fans kritisierten das Album natürlich dafür, dass es jetzt „polierter“ klingen würde, als ihre vorherigen Arbeiten. „Polierter“ ist ein Punk-Code für: „Ich bin sauer! Fick dich, Band die ich mag!“ Es heißt sogar, dass sich die Jawbreaker-Fans bei Konzerten hingesetzt und der Band den Rücken zugedreht haben, wenn diese Songs vom neuen Album gespielt hat.
Jetzt, da unsere Wut etwas verflogen ist, können wir uns Dear You wie vernünftige, rationale menschliche Wesen nähern—nicht mehr sauer über die Tatsache, dass sich das Album nicht anhört, wie mit einer Blechdose über das Telefon aufgenommen. Jetzt können wir endlich der Tatsache ins Auge sehen, dass dieses hier das schlauste und erwachsenste Album ist, das Jawbraker je gemacht haben. Blake lässt seinem Talent für düstere Poetik hier wirklich freien Lauf und Songs wie „Accident Prone“ und „Jet Black“ haben in der damals gerade aufkommenden Emoszene zusammen mit Bands wie Sunny Day Real Estate und Texas Is the Reason Maßstäbe gesetzt. „Million“ liest sich wie eine zurückhaltende Auseinandersetzung mit der Beziehung zu ihrem Label und „Sluttering (May 4th)“ ist der wohl beste Song über den 4. Mai überhaupt.
So gut das Album auch war, es wurde nie zu einem Alt-Rock-MTV-Liebling wie Dookie. Denk nur mal kurz darüber nach, wie oft du das „Basket Case“-Video gesehen hast und wie oft das „Fireman“-Video. Genau. Dear You verkaufte sich 40.000 mal—Green Day hatten im Jahr zuvor mehrere Fantastilionen mal so viele Exemplare verkauft. Für das Label war das ein riesiger Misserfolg. Kurz danach lösten sich Jawbreaker auf. Ihre Shirts sind auf eBay heute eine Menge wert.
The Offspring – Ixnay on the Hombre, Columbia (1997)
Punk-Empörungs-Level: 3/10
Vom dritten Offspring-Album, Smash, verkaufte sich eine alberne Menge an Exemplaren. Elf verdammte Millionen um genau zu sein, womit es zum bestverkauften Indie-Album aller Zeiten wurde. Es bescherte Epitaph Records, bei dem es erschienen ist, so viel Schotter, dass es die finanzielle Sicherheit des Labels für die nächsten Jahre sichern sollte. Im Zuge dessen zerstörte es aber fast den Labelgründer Brett Gurewitz, der bei Bad Religion ausstieg, um sich mehr auf das Label konzentrieren zu können. Er ließ sich außerdem von seiner Frau scheiden und eignete sich ein paar äußerst schlechte Gewohnheiten an, wie eine Crack- und Heroinsucht.
Drei Jahre später zogen The Offspring dann weiter zu Columbia Records, um dort ihr nächstes Album, Ixnay on the Hombre, rauszubringen—eine Entscheidung, die Gurewitz, wie er selbst sagte, damals sehr persönlich nahm. Da die Band an dem Punkt schon genug Geld gemacht hatte, um einen Swimmingpool damit zu füllen (oder wenigstens um Leute anzustellen, die ihnen versicherten, dass Dreads bei weißen Typen ein guter Look sind), wurde es nicht wirklich als „Sellout“ angesehen, sondern eher als eine ganz normale Geschäftsentscheidung.
Ixnay verkaufte sich gut—drei Millionen Kopien—aber verblasst dann doch im Vergleich zu den elf Millionen verkauften Einheiten von Smash. Zehn Millionen davon fristen mittlerweile ihr Dasein in den Secondhand-CD-Wühltischen dieser Welt.
Blink-182 – Enema of the State, MCA (1999)
Punk-Empörungs-Level: 10/10
Meine Güte, über dieses Album—und die Band im Allgemeinen—wurde wirklich heiß diskutiert. Jeder hatte nach ihrem zweiten Album Dude Ranch (das im Prinzip ein Split-Release zwischen dem Indie-Label Cargo Records und dem Major MCA war) eine verdammte Meinung zu Blink. Von den langjährigen Fans, die sie als Sellouts bezeichneten, bis zu den Maximum Rock’n’Roll-Lesern, die mit dieser albernen und peinlichen Seite von Punk nichts anfangen konnten.
Die Frage, ob Blink-182 Punk töteten oder nicht, erreichte mit Enema of the State, dem ersten echten Major-Release der Band eine solche Wichtigkeit, dass sogar Johnny Rotten von den Sex Pistols zu seiner Meinung über die Band befragt wurde. Er antwortete darauf: „Ist das nicht dieser Haufen alberner Jungs? Sie sind ein Imitat eines Comedy-Acts. Sie sind so schlecht, dass sie andauernd bei Saturday Night Live auftauchen sollten, was, soweit ich das beurteilen kann, die ultimative Beleidigung ist.“ Harte Worte vom Butter-Vertreter.
Mittlerweile ist das 15 Jahre her. Können wir das Album über Einläufe und Durchfall also bitte wie erwachsene Leute betrachten? Vielleicht ist es die Tatsache, dass es seit der Veröffentlichung des Albums nicht noch schrecklichere Verbrechen im Namen von Punk gab (teilweise weil Blink sich alle Möglichkeiten offen gehalten haben), aber im Vergleich zu den Good Charlottes und Avril Lavignes der frühen 2000ern erscheint Enema wirklich zahm. Vielleicht liegt das auch daran, dass—wenn man sich die Gegenwart des Ghost of Blink-182 ansieht und weiß, dass die Band letztendlich zu erwachsenen Männern geworden ist, die sich wegen belanglosen rechtlichen Fragen streiten—die Vergangenheit wie eine einfache und glücklichere Zeit erscheint. Aber was auch immer es ist, objektiv gesehen ist nichts wirklich „falsch“ an dem Album, außer dass der angeberische Humor manchmal doch recht frauenfeindlich wird („I need a girl that I can train“). Aber, naja… es ist ziemlich eingängig.
H2O – Go, MCA (2001)
Punk-Empörungs-Level: 2/10
H2O haben dreimal hintereinander das gleiche Album veröffentlicht. Dann haben sie es zum vierten Mal gemacht, dieses Mal über ein Majorlabel. Das hat niemand mitbekommen und niemanden interessiert.
Rancid – Indestructible, Warner Bros. Records (2003)
Punk-Empörungs-Level: 8/10
Rancid stellen eine Art Besonderheit dar. Wenn man auf ihre Karriere zurückschaut, dann würde man denken, dass ihre „Sellout“-Phase Mitte der 90er war, als sie mit „Roots Radicals“ bei Saturday Night Live aufgetreten sind und MTV ununterbrochen ihre Musikvideos zu „Salvation“ oder „Ruby Soho“ gespielt hat. Und man könnte argumentieren, dass genau das auch der Fall war. Aber die Band hat das ganze Jahrzehnt hindurch an ihrer Heimat Epitaph Records festgehalten. Was nicht bedeutet, dass Majorlabels kein Interesse an ihnen hatten. Denn das hatten sie. So sehr, dass Rancid angeblich einen A&R-Typen von Epic davon überzeugt haben, sich einen blauen Iro zuzulegen und ihnen Nacktfotos von Madonna zu besorgen, um den Deal mit ihrem Label Maverick abzuschließen. Fairerweise muss man dazu sagen, dass Nacktfotos von Madonna in den USA der 90er so etwas wie eine nationale Währung waren.
Nach fünf Alben bei Epitaph, wovon das letzte ihr wirklich unterschätztes selbstbetiteltes Album von 2000 war, haben Rancid das gemacht, gegen das sie sich immer sehr offensiv ausgesprochen haben: bei einem Major unterschrieben—Warner Bros. Records. Oder zumindest wurden sie über Warner vertrieben. Sie haben sich über die Details ziemlich bedeckt gehalten. Auf ihrem ersten Album bei dem Label, Indestructible, war das Warner-Logo nicht zu sehen.
Es war zu erwarten, dass die Fans das Album nicht interessiert. Auftritte von Kelly Osbourne und dem Typen von Good Charlotte im Video zu ihrer Single „Fall Back Down“ haben wahrscheinlich auch nicht besonders zur Underground-Credibility beigetragen. Die Punks haben Rancid für diesen Schritt das Übliche gegeben und behauptet, dass der poppigere Sound des Albums ein direkter Einfluss von Warner war. In Wirklichkeit hatte ein Vertriebs-Deal mit einem Majorlabel wahrscheinlich gar keinen Effekt auf den Songwriting-Prozess der Band. Es war einfach kein besonders denkwürdiges Album.
Die Empörung über die Label-Wahl von Rancid ist mittlerweile mehr oder weniger versiegt, wenn man bedenkt, dass die meisten Leute, die die Band hören, mittlerweile um die 45 sind. Die Band hat alle nachfolgenden Alben über Epitaph veröffentlicht, Frontmann Tim Armstrong hat sich seinen Kopf tätowieren lassen und die Gitarre um seinen Hals immer noch kein einziges Mal wirklich benutzt.
The Distillers – Coral Fang, Sire (2003)
Punk-Empörungs-Level: 6/10
Liebe verleitet dich zu komischen Dingen. Nimm Rancids Tim Armstrong. Er ist sein ganzes Leben Majorlabels fern geblieben. Dann hat er sich 2003 von seiner Frau Brody Dalle scheiden lassen und auf Warner eingelassen. Im gleichen Jahr hat Brody Dalle mit ihrer Band The Distillers bei Sire Records unterschrieben und ein Album veröffentlicht, das überladen mit Trennungsreferenzen war. Vielleicht war diese ganze Sache nur ein passiv aggressiver Post-Trennungs-Karriere-Erfolgs-Krieg. Und vielleicht waren wir alle nur Figuren in Tim und Brodys Punk-Spielchen. Wir werden es vielleicht nie erfahren. Aber eine Sache ist sicher: Irgendwo hat irgendwann sehr wahrscheinlich mal ein idiotischer Vertreter von Sire Records The Distillers als „Rancid für Mädchen“ bezeichnet.
The Ataris – So Long, Astoria, Columbia (2003)
Punk-Empörungs-Level: 0/10
Hey, The Ataris haben auch eine Majorlabel-Platte veröffentlicht. Gut für sie.
Saves the Day – In Reverie, Dreamworks (2003)
Punk-Empörungs-Level: 7/10
Saves the Day hatten schon bevor In Reverie erschien bei ihrem harten Kern an Fans Kredit verspielt. Nachdem sie mit ihren ersten beiden Alben auf Equal Vision sowohl die Pop-Punk- als auch die Hardcore-Kids für sich gewonnen hatten, sind sie mit ihrem dritten Album, Stay What You Are, noch eingängiger geworden und haben dadurch Auftritte bei The Late Late Show und Conan gelandet. Danach haben sie für ihr bis jetzt poppigstes Album den Schritt zu Dreamworks gewagt und wenn du nicht ihre Wurzeln kennen würdest, wäre es schwer, es ein Punk-Album zu nennen. Sie haben sich straighten Pop-Melodien zugewandt (Frontmann Chris Conley hat gesagt, dass er zu dieser Zeit viel The Beatles gehört hat). Dreamworks schienen sich nicht wirklich um das Album zu scheren, wenn man bedenkt, dass sie ein paar Wochen später an Interscope verkauft wurden und Saves the Day im Zuge dessen wieder gekickt wurden. Zehn Jahre später sind sie zu Equal Vision nach Hause zurückgekehrt. Pop-Punk ist ein ewiger Kreislauf.
Cave In – Antenna, RCA (2003)
Punk-Empörungs-Level:3.5/10
Wenn es eine Sache gibt, die Cave In bewiesen haben, dann, dass sie wirklich machen, was sie wollen. Sie haben eine verrückte, total abgefahrene Hardcore-Platte wie Until Your Heart Stops gemacht, von der die ersten zehn Minuten die irrsten und härtesten Schnipsel Hardcore sind, die je aufgenommen wurden. Zwei Jahre später kamen sie dann mit Jupiter um die Ecke, einem abgefahrenen Space-Rock-Album von einem anderen Planeten (wahrscheinlich Jupiter), das sich total von den vorherigen Sachen unterscheidet. Als RCA die Band also für ihr 2003er Album Antenna unter Vertrag genommen hat, musste ihnen klar gewesen sein, dass diese Typen aus Boston eine Wundertüte sind. Was das Label bekommen hat, war ein unperfektes Experiment einer ehemaligen Hardcore-Band, die versucht hat, den Anschein von Radiofreundlichkeit zu machen. Das Album hat recht viel Promo bekommen, ist bei einem Label, das nicht wusste, wie man diese seltsamen Genies vermarkten soll, allerdings verpufft. RCA und Cave In haben sich nach dem Album wieder getrennt und die Band wurde wieder in die liebevollen Indie-Arme von Hydra Head Records aufgenommen, wo sie zwei oft vergessene Alben absolut verrückter technischer Aggression veröffentlicht haben, Perfect Pitch Black und White Silence. Und die Welt war wieder in Ordnung.
AFI – Sing the Sorrow, Dreamworks (2003)
Punk-Empörungs-Level: 7/10
AFI haben in ihren zwei Jahrzehnten als Band eine Menge merkwürdiger Wandlungen durchgemacht. Ursprünglich eine normale, alltägliche Hardcore-Band sind sie zu den graustufigen Über-Goths geworden, die du heutzutage vor dir siehst. Während ihrer Black Sails in the Sunset-Phase der späten 90er haben sie ihre Punk-Fans gebeten, in dunklere Gewässer aufzubrechen, was viele von ihnen auch getan haben. Die Band hat die Lücke der Punk-Goth-Ästhetik, die die Misfits hinterlassen hat, gefüllt. Doch dann hat sich Frontmann Davey Havok mit dem 2003er Album Sing the Sorrow auf Dreamworks zu weit aus dem Fenster gelehnt. Es war das Album, das der Band eine größere Mainstream-Anhängerschaft verliehen hat, durch das sie aber auch viele ihrer treuen Fans verloren haben, die plötzlich klar im Kopf geworden sind und realisiert haben, dass sie Guyliner tragen und sich ihre Fingernägel schwarz lackieren.
Thursday – War All the Time, Island (2003)
Punk-Empörungs-Level: 7/10
In den frühen 2000ern muss die Musikindustrie so heiß auf neue Acts gewesen sein, dass sie angefangen haben, die Konzerthallen New Jerseys zu durchforsten. Ein Act, auf den sie dabei gestoßen sind, war Thursday. Thursday hatten gerade ihr zweites Hit-Album Full Collapse auf Victory veröffentlicht, ein Album, das den Hardcore-Keller-Sound seiner Zeit perfektioniert hat und das Geoff Rickly für das beste Album der Band hält.
Ähnlich wie jede andere Band, die jemals auf Victory Records war, wollten Thursday unbedingt weg von Victory Records. Als mit Island Records also die Möglichkeit dazu kam, hat die Band sie genutzt und von einer Klausel in ihrem Vertrag Gebrauch gemacht, die besagte, dass sie Victory für ein Major verlassen können. Sie haben zwei Alben auf Island veröffentlicht, von einem wurden in der ersten Woche 45.000 Exemplare verkauft. Wenn du einem von Thursdays Keller-Freunden aus New Brunswick, wie You and I, gesagt hättest, dass es möglich ist, 45.000 Alben zu verkaufen, indem man emotionalen Hardcore singt, hätten sie vielleicht mehr als zwei Alben durchgehalten. In den Augen eines Majorlabels war es jedoch ein Flop. Das Problem war, dass sie noch für drei weitere Alben unterschrieben hatten. Laut Rickly hat er sich persönlich mit dem Präsident der Firma getroffen und gefragt, ob sie in Frieden auseinandergehen können. Die zwei haben sich die Hand darauf gegeben und das war es dann. Kein Schaden entstanden. Bis auf die abertausenden Dollar, die Island in Thursday investiert hat, aber wer hat da schon mitgezählt? Abgesehen von den Buchhaltern von Island, meine ich.
Rise Against – Siren Song of the Counter-Culture, Dreamworks (2004)
Punk-Empörungs-Level: 3/10
Rise Against klingen genau wie eine Band, die die Punk-Begeisterung einer A&R-Person eines Majorlabels anspricht, was kein Kompliment ist. Also hat es für Dreamworks total Sinn ergeben, ihr 2004er Album Something Vague About Revolutions or Whatever aufzugreifen.
Anti-Flag – For Blood and Empire, RCA (2006)
Punk-Empörungs-Level: 3.5/10
Eine politisch aufgeladene Punk-Platte auf einem Major-Label zu sehen, hat immer etwas unausweichlich Albernes. Es scheint zu sagen: „Hey, schaut uns an, wir wollen die Welt ändern, aber wir wollen auch nicht wirklich noch fünf Mitbewohner haben, wenn wir 40 sind!“ Die meisten Punk-Fans würden sowieso in Verlegenheit geraten, wenn sie dir ein anderes Anti-Flag-Album als Die for the Government nennen müssten. Nachdem sie also ein Jahrzehnt lang ihren Beitrag geleistet und ihre antikapitalistische Message über diverse Indie-Labels verbreitet haben, haben sie diese Platte für RCA gemacht. Gut für euch, Anti-Flag. Holt euch das, was euch zusteht, Leute.
Against Me! – New Wave, Sire (2007)
Punk-Empörungs-Level: 12/10
Angainst Me! haben ihre Fans in ihrer Karriere zunehmend verärgert. Nachdem sie ein paar ungeschliffene EPs auf kleineren Labels wie Crasshole, Plan-It-X und Sabot veröffentlicht haben, haben sie für ihr Debütalbum, Reinventing Axl Rose, den recht großen Schritt zum Florida-Label No Idea Records gewagt. Alles gut so weit, Punks? Cool. Dann lasst uns weitermachen…
Denn dann kam der Schritt zu Fat Mikes Label Fat Wreck Records, was du vielleicht für keine große Sache halten würdest, aber aus irgendeinem Grund war es das. Um ihnen zu zeigen, was sie davon halten, haben Fans angeblich mal Bleichmittel auf das Merch der Band gekippt. Da die Leute sowieso schon verärgert waren, hat die Band sich gesagt „Scheiß drauf“ und bei Sire Records unterschrieben, das zu Warner gehört. Die Leute haben angefangen, sich zu fragen, wie weit Against Me! sich von der verschwitzten Band wegbewegt hat, die in den Kellern Floridas DIY-Hymnen gespielt hat und die sie geliebt haben. Das ging ein paar Jahre so weiter, bis Against Me! letztes Jahr die Diskussionen bezüglich eines Plattenlabels überflüssig gemacht und mit Transgender Dystopian Blues jeden verbleibenden Mecker-Idioten zum Schweigen gebracht haben. Und naja… der Rest ist Geschichte.
Verkauf dich mit Dan Ozzi bei Twitter, oh yeah – @danozzi
**