Sieben Stockwerke, knapp 200 Zimmer, Nachtclub, Tennisplatz, eine Helikopterlandestelle – und das alles mitten auf dem Meer. 1988 eröffnete rund 70 Kilometer vor der Nordostküste Australiens das erste freischwimmende Hotel: das Barrier Reef Floating Resort, ein einzigartiges Luxusreiseziel direkt über dem berühmten Great Barrier Reef. 30 Jahre, zwei Namensänderungen und rund 7.550 Seemeilen später dümpelt die einst beeindruckende Konstruktion als Geisterhausboot in Nordkorea vor sich hin.
Dabei gibt es viele, die das schwimmende Luxushotel in guter Erinnerung haben: sei es als Fünf-Sterne-Partyhotspot, als Touristenattraktion oder schließlich als ungewöhnliches Symbol für die diplomatischen Beziehungen zwischen Nord- und Südkorea.
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“Ich erinnere mich an so viele großartige Tage in dem Hotel”, sagte Belinda O’Connor 2018 in einem Interview mit dem australischen Sender ABC. “Angelausflüge, Crewpartys, Tauchen unter dem Hotel, Pizzen per Helikopter einfliegen lassen.” O’Connor arbeitete Ende der 80er Jahre als Wassertaxifahrerin, als das Barrier Reef Floating Resort vor der australischen Küste verankert war. Allein der Anblick soll beeindruckend gewesen sein.
“Es war toll, das Hotel auf dem Riff schwimmen zu sehen – mit dem wunderschönen blauen Wasser im Hintergrund”, sagte auch Peter Tarca im selben Interview. Sein Vater Doug hatte das Hotel entworfen. “Aus der Ferne sah es ein bisschen aus wie ein Schiff. Aber sobald man sich näherte, sah man klar, dass es eine Art Gebäude war.”
Lange konnte sich das revolutionäre Luxusresort aber nicht auf dem Riff halten. Noch vor seiner Eröffnung 1988 wurde das schwimmende Hotel von einem Zyklon heimgesucht, den es zwar halbwegs unbeschadet überstand, aber auch in den Monaten danach wollte das Wetter nicht wirklich mitspielen. Immer wieder wurden Gäste auf dem Weg dorthin seekrank. Bei hohem Wellengang war das schwimmende Hotel schwer oder gar nicht zu erreichen. Die Besucherzahlen gingen stetig zurück, der Betrieb war bald nicht mehr rentabel. Ende 1989, etwa ein Jahr nach der Eröffnung, ließen die Betreiber die Anker lichten und das Hotel über 5.000 Kilometer nach Nordwesten schleppen, nach Vietnam.
In Ho-Chi-Minh-Stadt fand das überdimensionierte Hausboot sein neues Zuhause. Vertäut am Ufer des Saigon River wurde das Saigon Floating Hotel – oder “The Floater”, wie es die Einheimischen nannten – zu einer beliebten Ausgehadresse für Touristen, die nach dem Krieg wieder verstärkt ins Land strömten. Aber nach ein paar Jahren ging auch hier der Umsatz zurück und das Hotel legte 1997 wieder vom Ufer des Saigon River ab. Das Ziel: Nordkorea.
Um die Jahrtausendwende war die Stimmung zwischen Nord- und Südkorea verhältnismäßig gut und Menschen aus dem Süden machten in bestimmten Regionen des Nordens Urlaub. Ein solcher Ferienort befand sich am Kŭmgangsan, einer Bergregion an der Ostküste Nordkoreas, rund 18 Kilometer entfernt von der demilitarisierten Zone. An der von dem südkoreanischen Unternehmen Hyuandi Asan entwickelten Ferienanlage legte das Hotel an und bekam den Namen Haegumgang.
Das schwimmende Hotel wurde so zu einer Art Wahrzeichen des Ferienorts – und im weiteren Sinne auch ein Wahrzeichen nord- und südkoreanischer Beziehungen. Das Haegumgang beherbergte regelmäßig Gäste aus dem Nachbarland, bis 2008 in der Gegend ein nordkoreanischer Wachmann eine südkoreanische Touristin erschoss. Sie soll in militärisches Sperrgebiet gelaufen sein.
Nach dem Vorfall stellte man die Reisen nach Kŭmgangsan ein und das Verhältnis zwischen beiden Koreas verschlechterte sich spürbar.
Kim Ha-young, ein Sprecher von Hyundai Asan, sagte VICE, dass es zwischen Norden und Süden zwar Gespräche über die Zukunft des Tourismus in der Region gegeben habe, mit dem Corona-Ausbruch seien sie allerdings wieder zum Erliegen gekommen. “Seitdem ist nicht viel zwischen beiden Seiten passiert.”
Kim sagte weiter, dass das schwimmende Hotel nach dem Vorfall von 2008 vor allem von chinesischen Touristen besucht worden sei. Bei seinem bislang letzten Besuch in Kŭmgangsan Anfang 2019 habe das Gebäude allerdings komplett verschlossen ausgesehen, sagt er.
“Als wir Anfang 2019 in den Norden gingen, inspizierten wir das Hotel mit bloßem Auge. Zu der Zeit benutzten sie die Anlage nicht. Nordkorea hat den Betrieb eingestellt, da das schwimmende Hotel ziemlich ins Alter gekommen ist.”
Angesichts der weltweiten Pandemie sei es schwer zu sagen, was mit dem Hotel passiert, weil man momentan nicht in den Norden reisen könne, so Kim.
Die Zukunft des Barrier Reef Floating Resorts bleibt also weiterhin unklar. Menschen aus Südkorea ist es gesetzlich verboten, mit ihren Nachbarn im Norden in Kontakt zu bleiben. Selbst für die Regierung im Süden ist es schwierig, mit der im Norden zu kommunizieren.
2019 erst soll Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un die rostende Luxusruine als “schäbig” und “unansehnlich” bezeichnet und ihre Entsorgung angeordnet haben. Könnte es also sein, dass das dümpelnde Hotel seit Kim Ha-youngs letzter Visite versenkt oder demontiert wurde?
“Nein”, sagt er geradeheraus. “Soweit wir wissen, steht das Gebäude noch da.”