Kaum eine andere Sportart findet so sehr in der Öffentlichkeit statt wie Skateboarden – direkt vor den Augen von Fans und Passantinnen. Deswegen eignet sich Skateboarden auch besonders gut dazu, um Communitys zu schaffen, voneinander zu lernen und eine spektakuläre Show zu bieten. Du brauchst nur ein Board und einen Ort zum Üben.
Leider haben viele junge Menschen auf dieser Welt keinen Zugang zu einem sicheren Übungsort und können sich auch gar nicht die nötige Ausrüstung zum Skateboarden leisten. Aus diesem Grund wurden in den vergangenen Jahren immer mehr NGOs gegründet, um es auch Leuten in ärmeren Ländern zu ermöglichen, eine Skateszene aufzubauen.
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Zu diesen NGOs gehören etwa Make Life Skate Life oder die Concrete Jungle Foundation. Aber auch Skate World Better: Der in Dänemark ansässige Verein wurde von drei Freunden gegründet, die an der Universität von Kopenhagen 2018 ihren Abschluss in Afrikawissenschaften machten. Ein Jahr später baute die Organisation ihren ersten Skatepark in Mosambik. Tomas Erskog, einer der Gründer, hatte als Kind einige Zeit in dem südafrikanischen Land verbracht und kannte dort noch ein paar Leute.
Mit der Hilfe dieser Kontakte fand die NGO ein großes Stück Land, auf dem sie den Skatepark bauen wollte. Doch dann kam alles anders. Nach einem Jahr der Vorbereitung fanden die drei Freunde kurz vor ihrem Abflug heraus, dass der Besitzer des Grundstück verstorben war – und dass die Erben das Land nicht mehr länger verkaufen wollten.
Dank der Unterstützung durch lokale Skater konnte jedoch ein Plan B auf die Beine gestellt werden: Anstatt einen großen Park komplett neu zu bauen, errichtete Skate World Better nun einen kleineren Park und renovierte einen bereits bestehenden. Unzählige Menschen aus der direkten Umgebung und fast 40 internationale freiwillige Helfer packten mit an, um das Projekt umzusetzen – egal ob beim Bau selbst, bei der Beschaffung der Materialien, bei den Verhandlungen mit den örtlichen Behörden oder leider auch bei der Zahlung von Schmiergeldern.
Seitdem hat Skate World Better noch einen zusätzlichen Park in Mosambik und einen in Sambia gebaut. Und derzeit plant die NGO ein weiteres Projekt in Mbabane, der Hauptstadt des Königreichs Eswatini.
Der 29-jährige belgische Fotograf Jonas Camps lernte den Skate-World-Better-Mitbegründer Martin Loužecký 2017 kennen, als die beiden in Lissabon lebten und die NGO noch gar nicht existierte. Seitdem hat Camps die freiwilligen Helfer und Loužecký bei mehreren Trips begleitet – so auch 2021 nach Mongu im Westen Sambias. “Wir hatten uns zwei Jahre lang nicht gesehen. Dementsprechend freuten sich alle total auf die Reise”, sagt Camps. “Als wir dort ankamen, war es noch dunkel, aber wir machten uns trotzdem sofort an die Arbeit. Die restliche Crew stieß erst zehn Tage später zu uns, und wir mussten vor deren Ankunft noch viel vorbereiten.”
Für den Standort des Skateparks wählte Skate World Better einen Platz oben auf einem nahegelegen Berg. “Jedes Mal, wenn wir etwas einkaufen oder in die Stadt mussten, skateten wir mit 20 oder 30 Leuten den Berg runter”, erzählt Camps. “Jeder war total begeistert. Mehr als 1.200 Menschen sind zur Eröffnung gekommen, echt wild.”
Die Stadt und der Distrikt Mongu mit seinen knapp 180.000 Einwohnerinnen und Einwohnern liegen rund 600 Kilometer westlich der sambischen Hauptstadt Lusaka und sind vor allem für kunstvolle Körbe und Teppiche, Fischfang und Reisplantagen bekannt. Skate World Better wollte das Projekt dort verwirklichen, weil es in Mongu bereits eine kleine Skateszene gab – dank der unermüdlichen Arbeit der örtlichen NGO WeSkate Mongu, die beim Bau des Skateparks mithalf.
Der heute 21-jährige Johnny Kalenga hat WeSkate Mongu 2017 gegründet. Er wuchs im Westen Sambias auf und verfiel in der Grundschule dem Skateboarden. “Ich hatte das Ganze schon ein paar Mal im Fernsehen gesehen, bevor ich dann in echt zuschauen konnte”, sagt er. “Schließlich bekam ein Schulfreund ein Skateboard geschenkt, und ich ging immer zu ihm, um mir das Skaten beizubringen. Danach dauerte es vier Jahre, bis ich wieder ein Deck zu Gesicht bekam. Freunde hatten welche, aber ich konnte mir keins leisten. Also machte ich auf ihren Skateboards weiter.”
Kalengas neues Hobby brachte ihm schnell Ärger ein. “Als ich meinen ersten Ollie stand, wurde ich in einen Verkehrsunfall verwickelt, der mich drei Monate lang ins Krankenhaus brachte”, erzählt er. Die Ärzte sagten ihm, dass er nie wieder skaten würde. Aber Kalengas Wille war stärker: Ein ganzes Schuljahr lang sparte er sein Essensgeld, um sich ein eigenes Skateboard kaufen zu können.
Andere Jugendliche aus Mongu sahen Kalenga auf seinem Deck und waren sofort Feuer und Flamme. Sie baten ihn, ihnen das Skaten beizubringen. Kalenga willigte ein – und WeSkate Mongu war geboren. “Uns vereinte die Liebe zum Skateboarden. Und wir dachten nicht wirklich über die Zukunft nach. Wir wollten einfach nur Skaten und Spaß haben”, sagt Kalenga. “Außer uns skatete in Mongu niemand. Das gab uns einen Sinn, wir fühlten uns dadurch einzigartig und lernte viele neue Leute kennen.”
Laut Kalenga sei das Ziel seiner NGO, Skateboarden für jedes Kind in der Gemeinde zugänglich zu machen – und der Welt zu zeigen, “dass wir existieren”. Der junge Sambier bietet kostenlose Skateboard- und Tanzstunden an. “Als wir in Mongu ankamen, hatte Johnny bereits eine Community mit über 400 Kids aufgebaut”, sagt Camps.
Das Projekt von Skate World Better wurde von Kalenga und seiner Community dankend angenommen. “Sie haben beim Nachwuchs hier einen bleibenden Eindruck hinterlassen, weil sie während ihres Besuchs zu allen nett waren und sich liebevoll um die Kids kümmerten”, sagt Kalenga. “Das, was sie hier in Mongu für uns geschaffen haben, hat unser Leben verändert. Dafür werden wir ihnen für immer dankbar sein.”
Leider ist die Realität in einem Land, in dem über 50 Prozent der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze leben, für jedes Hilfsprojekt eine große Herausforderung. Der Skatepark und die Board-Spenden von Skate World Better hätten laut Kalenga zwar dabei geholfen, “Tausende Kinder fürs Skaten zu begeistern”, aber der schwierigste Teil liege jetzt darin, diese Begeisterung aufrecht zu erhalten.
“Viele Kids wollen mit dem Skaten weitermachen, aber uns fehlt es an der nötigen Ausrüstung. Fast alle gespendeten Boards rollen nicht mehr. Und neue Kugellager können wir hier nirgendwo kaufen”, sagt Kalenga. “Deswegen nehmen schon viel weniger Leute an den Kursen teil. Niemand will im Skatepark nur rumsitzen und den anderen zuschauen. Und niemand will sein Skateboard mit zehn anderen Leuten teilen.”
Aber trotz der vielen Herausforderungen ist Camps weiterhin zuversichtlich, dass die Projekte in Sambia und Mosambik der Beginn von etwas Größerem waren: “Die Szene hier wird boomen”, sagt er. “Die Skateboarderinnen und Skateboarder hier stehen im ständigen Austausch miteinander. Hier ist etwas am kochen. Man spürt es einfach.”
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