Illustrationen: Stephen Maurice Graham
Hier kommt Teil 2 unserer Reihe zur Geschichte von Sex in Videospielen. Zu Teil 1 geht es hier.
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2000 – BIS HEUTE: FORTGESCHRITTENE BIG-BUDGET-SPIELE MIT RUDIMENTÄREN SEXUELLEN DARSTELLUNGEN
Es gibt gar nicht so viele Big-Budget-Spiele, bei denen Sex überhaupt irgendeine Rolle spielt, wenn man mal von denen absieht, wo sich alles um das extreme Kuscheln dreht. Bis jetzt hat sich mein Artikel hier sehr auf die Perspektive eines heterosexuellen Mannes konzentriert. Japan hat mit den Erogē-Visual-Novels schon mehr schwule und manchmal auch lesbische Sexgeschichten zu bieten, aber dem Westen fehlt üblicherweise die Lust, Spiele mit sexuellen Inhalten auszustatten, die die nicht-heterosexuellen Fantasien bedienen. Aber in Zeiten, in denen Big-Budget-Spiele immer mehr Abnehmer finden und fortschrittlicher werden, werden auch die schwulen oder nicht-heterosexuellen Erfahrungen immer besser—wenn auch nicht wirklich am besten—dargestellt.
Ach ja, Die Sims! Das virtuelle Lieblingspuppenhaus der Menschheit, in dem du deine sorgfältig zusammengestellten, virtuellen Mitbewohner in einem Swimmingpool platzieren kannst, dann die Leiter entfernst und dabei zusiehst, wie sie ertrinken. Dabei sieht man dir die gleiche böse Schadenfreude an, die du verspürst, wenn du mit deinem festen Freund ein Modegeschäft betrittst und dann „aus Versehen” in die Schwangerschaftsabteilung gehst und ihm damit den Schreck seines Lebens verpasst.
Die Sims ist eine erfolgreiche Reihe von Videospiel-Seifenopern, die von Electronic Arts vertrieben und schon bald die Massen mit dem vierten Teil unterhalten wird. In dem Spiel erstellst du virtuelle Menschen mit künstlicher Intelligenz und spielst mit ihnen Vater-Mutter-Kind. Sie können sich verlieben und Sex haben (in der Sims-Sprache auch als „Woohoo” bekannt). Der eigentliche Akt des Vergnügens ist dann jedoch für die Kinder zensiert, aber in dem Multiplayer-Online-Lebenssimulator Second Life—quasi das Schwesternspiel zu Die Sims, bloß ohne die gelassene künstliche Intelligenz—kannst du dir Geschlechtsteile kaufen und an richtig zwielichtigen Orten abhängen, falls du mutig genug bist.
In den Anfangstagen von Die Sims war das von mir gebaute Haus der Horror: Die Ebenbilder meiner Mitbewohner lebten dort zusammen, was dazu führte, dass schwule Dreiecksbeziehungen entstanden, mein Freund mit der Freundin meines Mitbewohners rummachte und mein Charakter mit jeder anderen Person im Haus schlafen wollte. Mein Sim ist dann letztendlich verhungert, weil ich zu sehr damit beschäftigt war, meinen angepissten Rotschopf-Freund zurück ins Bett zu kriegen. Wenn mir Die Sims eins beigebracht hat, dann lieber den richtigen Hunger vor dem Sexhunger zu stillen. Sonst kommt, naja, der Tod.
An sich sind die Sims bisexuell, das kommt ganz auf die Vorlieben des Spielers an, der seinen Charakter durch sein Handeln entweder für Frauen oder für Männer attraktiv machen kann. Das entspricht jetzt nicht ganz meiner persönlichen Sexualität, aber so laufen die Beziehungen der Sims untereinander doch sehr geschmeidig ab. In Die Sims 2 wird jeder Sim mit einer leichten Präferenz geschaffen. Später gibt es dann in Die Sims 2: Nightlife die „Anziehungskraft”, die bestimmt, wie sehr sich zwei Sims zueinander hingezogen fühlen. Dabei hat jeder Sim zwei Dinge, die ein „Antörner” sind und ein Ding, das ein „Abtörner” ist (zu Letzterem gehören so Sachen wie Bärte, Gestank, Vampire oder—warum auch immer—Logik). Dein Charakter ist so schwul, wie du es haben willst. Wenn du eher die Hetero-Schiene fährst, dann kann deine virtuelle Sexpuppe das genau so machen.
Diese Anflüge von Erotik entstehen, wenn du die Sims miteinander flirten lässt. Das menschliche Drama, das sich in deinem kleinen Puppenhaus abspielt, ist auf diese Das Fenster zum Hof-Art aufregend. 2007 schrieb Kieron Gillen zu diesem Thema Folgendes:
„Sex ist zwar nur ein kleiner Teil von Die Sims, gehört aber fest dazu, denn dein Sim kann sich ja mit anderen Sims treffen und eine Beziehung eingehen—Sex ist quasi der unbewusste rote Faden. Er ist jetzt nicht die treibende Kraft des Spiels, aber die romantischen Möglichkeiten sind das, was alles so interessant macht und uns weiterspielen lässt. Und das ist vielleicht auch richtig so. Die Sims soll das Leben simulieren, und das Leben ist schließlich eine Menge sozialer Stoff, der sich eng um diese Momente der Anziehungskraft legt.”
Angesichts dessen erscheint es komisch, dass (außerhalb von Japan) ein wirklicher Mangel an unzensiertem Sex oder interessanten Beziehungssystemen, die zu sanftem Petting führen, herrscht, obwohl viele Big-Budget-Spiele geradezu davon besessen sind, Simulationen von uns in einer Fantasiewelt darzustellen. Das ist auch zum Teil der sittenstrengen Einstellung der Medien zuzuschreiben. 2005 fand man in GTA: San Andreas einige Überbleibsel des nicht fertig gestellten Minispiels „Hot Coffee” (unbeholfener Sex durch Einhacken auf den Controller) im Code des Spiels und schon bald darauf konnte ein Patch gedownloadet werden, der dieses Minispiel frei schaltete. Die Behörde zur Einstufung von Videospielen wurde auf den Patch aufmerksam und ganz Amerika schien in heillose Aufregung versetzt. Von außen betrachtet machte es den Anschein, dass das zum einen daran lag, dass das rechte Spektrum der USA den Bestseller bereits wegen dem allgemeinen Setting verteufelte und zum anderen, weil nur wenige Politiker wirklich verstanden, was ein „Patch” ist.
Auch hatten sie keine wirkliche Ahnung davon, wie verdammt nervig es ist, ein Videospiel zu modifizieren. Ich habe bereits beim Nude Raider-Patch gemerkt, dass es viel einfacher gewesen wäre, irgendwo einen Pornofilm oder ein Pornomagazin zu klauen. Die Stunden, die ich damit verbracht habe, die Hot Coffee-Modifikation zum Laufen zu bringen, nur um dabei zuzusehen, wie eine pixelige Schaufensterpuppe ohne Geschlechtsteile sich ein wenig vergnügt, hätte ich auch gut mit der Pornodarstellerin Stoya verbringen können.
Aber Hot Coffee war auf jeden Fall nicht das Einzige, was bei den rechtsgerichteten Amerikanern die Alarmglocken schrillen lies. 2008 war das von EA veröffentlichte Mass Effect (ein flottes Weltraum-Rollenspiel, das in der Erzählweise an Star Trek erinnert) Ziel von Angriffen durch den konservativen Fernsehsender Fox News. Es wurde behauptet, dass Mass Effect „vollkommene digitale Nacktheit” zeige, die Spieler „unzensierten Sex” haben könnten und das Spiel auf „Kinder und Jugendliche abziele”. Alle diese Behauptungen waren falsch. In Mass Effect gibt es Zwischenszenen, in denen die Umrisse der Charaktere zusammen sind und man niemanden komplett nackt sieht—die Bilder ähneln dabei denen, die man auch zur Prime Time im Fernsehen zu sehen bekommt. Das Spiel wurde als „Mature” eingestuft, also nur für Spieler über 17 Jahre.
Die Debatte über Sex in Mass Effect auf Fox News
Der Beitrag der Fox News hatte auch den Untertitel „SE’XBOX?”, was mich damals so laut auflachen ließ, dass meine Gebärmutter durch meinen Mund auf den Boden fiel und von meiner Katze gegessen wurde.
Wie üblich machte man sich über Fox lustig. Als Mass Effect 3 herauskam, wurden in dem Spiel nicht nur schon Sexszenen nur mit Frauen gezeigt, sondern auch Sexszenen nur mit Männern. Wie Charlie Brooker bereits in seinem ausgezeichneten Artikel zu dem Thema schreibt: „Manche Menschen im Weltraum sind schwul. Wen juckt’s?”
2002: MÖGLICHE ZWECKENTFREMDUNG VON ZUBEHÖR
Natürlich sind einige Spiele nicht komplett darauf ausgelegt, irgendwie sexy zu sein, werden aber von findigen Spielern für sexuelle Zwecke vereinnahmt. Tetsuya Mizuguchi, der Entwickler des psychedelischen Musikspiels Rez sagte der Seite Eurogamer, dass bei der Veröffentlichung des Spiels zusammen mit einem „Trance Vibrator” im Jahre 2002 nicht angedacht war, dass das vibrierende Zubehörteil … da unten verwendet wird. Er sagte, dass er die Vibration lieber am Fuß spüre.
Jane von Game Girl Advance befestigte den Vibrator in ihrem Schritt und schrieb ihre Gedanken über den sogenannten „Fuß”-Masseur nieder. Sie schien das durch den Vibrator verursachte Gefühl, der seine Vibration zum Takt der Musik verstärkt, sehr zu genießen. Meine eigene, persönliche Quelle sagt, dass der Vibrator als Sexspielzeug irgendwie zu „schwach” ist, aber trotzdem Vergnügen bereitet.
Luxuria Superbia und Soundself, die hypnotisierenden, auf Musik basierenden Spiele-Odysseen von heute, scheinen prädestiniert dafür, mit so einem Zubehör verbunden zu werden. Beide besitzen erotische und synästhetische Grundtöne. Es gibt doch bestimmt jemanden, der uns für diese Spiele irgendwie einen gummiartigen, vibrierenden Controller bauen kann? Können wir nicht einfach einen Wii-Controller umbauen oder so?
SEX AUSSERHALB DER KAPITALISMUS-BLASE
Wenn man mal über den Tellerrand der Big-Budget-Spiele schaut und sich die kleineren, kunstvolleren Optionen zu Gemüte führt, dann erkennt man, dass Sex in Videospiele so gut dran ist, wie noch nie zuvor. Die Werkzeuge zum Programmieren eines Spiels sind inzwischen nicht mehr teuer oder gar umsonst, und auch der Vertrieb läuft dank dem Internet jetzt schnell, einfach und günstig ab. Diese Spiele schreiben sich oft auch gar nicht „familienfreundlich” auf die Fahne, wie das bei Konsolenspielen der Fall ist.
Falls du darauf stehst, einen Stundenhotelmanager zu spielen und Pärchen für ein Schäferstündchen anzulocken, dann schau dir mal Love Hotel an, ein kostenloses Spiel, das an SimTower erinnert.
Copenhagen Game Collective entwickelter das Dark Room Sex Game, das mit Wii-Controllern oder einer Tastatur gespielt wird und den Spieler durch Audio- und Haptik-Reize einem Takt folgen lässt. Die Geschwindigkeit nimmt immer weiter zu, bis dein Controller einen „Höhepunkt” erreicht.
In letzter Zeit feierten textbasierte Spiele dank der kostenlosen Hypertext-Engine „Twine” ein Comeback. Anna Anthropy entwickelte Encyclopaedia Fuckme und Sex Cops Of Tickle City. Merritt Kopas brachte letztens Consensual Torture Simulator auf den Markt, ein Spiel über einvernehmliche Gewalt im Schlafzimmer.
In meinem eigenen Spiel Sacrilege geht es darum, Männer aus dem Club mit nach Hause zu nehmen und es nimmt dich im Namen von emotionalem Terrorismus mit auf eine kurze Reise durch intensive sexuelle Beziehungen.
Nina Freeman entwickelte mit dem liebenswürdigen How Do You Do It ein Spiel über ihre Sexualität im Jugendalter.
Ute von Lea Schönfelder ist ein Spiel darüber, wie Frauen in der Gesellschaft auf ihre Sexualität reduziert werden. Dabei geht es darum, dass du versuchst, jeden Mann auf der Karte durch rhythmische Bewegungen zum Höhepunkt zu bringen.
Und natürlich gibt es auch noch den Großvater alles Online-Sexspiele: Sepe’s Cumshot.
SEX AUF DEM HANDY
Ledoliel ist ein Spiel für das iPhone und kommt wie ein bizarrer Fantasy-Tamagotchi-Simulator für Erwachsene daher. Es wird als „Dating-Spielzeug” beschrieben und dein komisches, kleines Wesen ist ein Rätsel, das oft absonderlich erwachsene oder zweideutige Wünsche und Bedürfnisse äußert.
Sext Adventure ist ein von Kara Stone und Nadine Lessio entwickeltes Spiel, bei dem du einem Bot anrüchige Nachrichten schreibst und so einer Erzählung voller erotischer Schwanzbilder, heißen SMSen und sogar Cumshot-Sauereien folgst. Allerdings hat jeder Erzählstrang einen unterschiedlichen emotionalen Grundton. In diesem Spiel geht es nicht nur um Erotik, sondern auch um Beziehungen und deren Entwicklung
HEUTE UND DIE ZUKUNF: JAPAN MACHT ENDLICH BRAUCHBARES ZUBEHÖR
Im Jahr 2013 haben wir es endlich geschafft! Wir haben ein erotisches Spiel entwickelt, zu dem ein Schwanz-Controller gehört. Du steckt deinen Penis in den Ju-C Air und dieser holt dir dann einen runter, während im Spiel gleichzeitig Feedback gegeben wird. Der Controller hat auch einen Analogstick, einen Action-Knopf und Links-Rechts-Pfeiltasten am Schaft. Das Ganze wird mit dem Erotik-Spiel Custom Maid 3D verkauft. Das von dir ausgewählte Hausmädchen reagiert auf unterschiedliche Art und Weise, je nachdem wie schnell und hart du deinen Schniedel in den Controller einführst. Wenn du willst, dann trägt das virtuelle Dienstmädchen dabei sogar einen Piratenhut!
2014 wurde Custom Maid 3D auf die VR-Brille Oculus Rift zugeschnitten. Endlich kannst du in der virtuellen Realität ein Hausmädchen knallen. Wir leben in der Matrix! Wir befinden uns in einem Buch von Isaac Asimov. WIR HABEN NEUROMANCER ERSETZT! Gepriesen sei Gott, wir können jetzt alle nach Hause gehen und ein Videospiel ficken.
Außer, du hast keinen Penis. Dann bist du nicht eingeladen. Dann ist in der Zukunft kein Platz für dich.
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