Die ultimativen VICE Jahrescharts 2014


Illustration von Marta Paszeniew

Jetzt da sich 2014 dem Ende neigt, legen Journalisten auf der ganzen Welt die Füße auf den Tisch und servieren euch aufgewärmtes Zeug von Gestern: Die unzähligen Top-10-20-30-50-100 Listen mit Kram, der in den letzten 12 Monaten passiert ist. Während du dich aber durch eine musikalische Jahresendliste nach der andern kämpfst, die ausnahmslos alle auf Twigs’ Erotisierung des Pop und Aphex’ nicht abbrechenden Einfluss hinweisen, fangen deine Augen langsam an zu tränen und dich ereilt ein intensives, ja geradezu schwindelerregendes Déjà-vu-Erlebnis. Habe ich den ganzen Scheiß nicht schon mal gelesen? In jedem Magazin / jeder Zeitung / jedem Webzine / auf jeder Cornflakespackung? Jedes verdammte Jahr? Seit ich denken kann?

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Ok, kommen wir zur Sache: Das hier ist die einzige Top 51 Alben des Jahres 2014, die du je brauchen wirst:


50: Die theoretische Platzierung des neuen Aphex Albums, wäre es am Scheitelpunkt der öffentlichen Gleichgültigkeitskurve veröffentlicht worden—also fünf Jahre nach Drukqs.

49: Irgendeine Platte, die Mitte Januar erschienen ist—diesem komischen Zeitpunkt, an dem so wenige neue Alben veröffentlicht werden, dass Musikjournalisten jeden halbgaren Scheiß in den Himmel loben müssen, um die 900 Worte zusammenzubekommen, die sie noch für die Review brauchen.

48: Morrisseys vorherbestimmte Position, sollte bei einem konspirativen Treffen der Musikindustrie gegen ihn beschlossen werden, die Schrauben etwas fester zu ziehen.

47: Perfume Genius

46: Ein ordentlicher Dance Producer, der insgeheim hofft, dass sein Label sich doch noch dagegen entscheidet, seinen ‚feat Sam Smith’-Track rauszubringen, den er gemacht hatte, als Sam noch „der coole Typ von Disclosure“ war.

45: U2 mit einem ungewohnten Essay über „das bescheuerte iTunes-Wagnis, das sich am Ende auszahlte“.

44: Irgendeine schlechte deutsche Band, die von der Musikpresse als Avantgarde angesehen wird, weil sie Fäkalausdrücke in ihren Songs benutzen.

43: Der unangenehme Moment, den wir alle befürchtet haben: Das Aufkommen altersmilder Grime-Musiker

42: Dean Blunt, aus Reue, ihn letztes Jahr verpasst zu haben

41: Der Rapper, der jede Woche seine Presseagentin anruft und fragt, warum sie nicht mehr getan hat, um seine ungeschminkten und mutigen Meinungen über Ferguson zu pushen.

40: Die theoretische Platzierung von Aphex Twin, hätte er Syro spießige und karrierebedachte zwei Jahre nach Drukqs rausgebracht.

39: Künstler, die dem Himmel danken, dass ihre Steuerhinterziehung geschickter aufgezogen war, als die von Take That oder den Arctic Monkeys.

38: Der Alibi-Weltmusiker aus Afrika—nur komplett mit Kritik an Bob Geldorf (und überheblicher Lobhudelei auf das „echte Afrika“).

37: Ein Uralt-Künstler, der in den letzten zehn Jahren schon sechs mal „zu alter Form zurückgefunden hat“—jede Rückkehr dabei schlimmer als die vorherige.

36: Solltest du diese Platte tatsächlich 2014 gehört haben, verfügst du offensichtlich über mehrere Accounts im DrownedInSound-Forum, die du bei Gelegenheit auch gleichzeitig verwendest, um Diskussionen zu „gewinnen“.

35: Shindy oder Bushido

34: Eine nervige Indieband aus Österreich

33: Brian Eno/Karl Hyde oder Scott Walker/Sunn O)))

32: Ist in mindestens drei Artikeln mit der Überschrift „Es wurde auch Zeit! Hier sind die Bands, die Musik wieder politisch machen.“ genannt worden.

31: Sorry, aber gibt es Menschen, die ernsthaft Bombay Bicycle Club hört?

30: Ein Album, das nur bekannt geworden ist, weil seine Wertung bei Metacritic durch die Decke gegangen ist. Das läuft in der Regel so ab: Eine zufällige Gruppe beliebiger Nerds von der Tallahassee Gazette, dem New England Reader, des Shizzle Magazines und von cokemachineglow.com sind gleichzeitig auf diese Platte abgefahren und jetzt ist sie fester Bestandteil des Popdiskurses. Schönen Dank auch!

29: Ariel Pink

28: Das Album, das noch immer die fünf Jahre alte „Future R’n’B“-Schiene fährt, obwohl die tatsächliche Zukunft des R’n’B mittlerweile von Rita Ora und „All About That Bass“ dominiert wird.

27: Taylor Swift, entweder aus Überzeugung oder als Provokation

26: Hier spielt jemand mit, der mal bei Joe Lean & The Jing Jang Jong gespielt hat und hofft, dass niemand seinen dritten Karriereanlauf als Indiemusiker bemerken wird.

25: Unerklärlich hohe Platzierung eines alten Künstlers mit einer unerträglich belanglosen Solokarriere. Offensichtlich wird hier schon alles für einen „Lebenswerk“-Preis im nächsten Jahr vorbereitet.

24: Band aus den 90ern, die jetzt viel bessere Bewertungen bekommt als damals zu ihrer vermeintlichem Blütezeit, als sie noch als zeitgenössische Künstler angesehen wurden—und nicht wie heute als nostalgieverklärter Mitleidsfick.

23: The Notwist

22: Auch wenn diese Veröffentlichung von diversen Schreiberlingen in den höchsten Tönen gelobt worden ist, würde die erste Person, die sich etwas genauer mit den Songtexten auseinandersetzt, ziemlich schnell merken, dass das vermeintliche „feministische Statement“, von dem sich alle Kritiker so begeistert zeigten, noch recht wohlmeinend mit „Mädchen sind super!!!! Eine Muschi haben, ist voll geil!!!!“ zusammengefasst werden kann.

21: Die Band, die eine zeitgemäße Geschichte über ihr Zusammenfinden erzählen kann: „Wir wurden beide am gleichen Tag als A&Rs von einem Majorlabel gefeuert.“

20: Diese Band, deren Pressefritze es für eine grandiose Idee hielt, Taylor Swift für ihre Spotify-Geschichte zu kritisieren, und nun darauf hofft, dass die zusätzlichen ,001 Cent, die ihre populären Stücke generieren, sich irgendwann in etwas Essbares verwandeln.

19: Welche schrammelige Band aus Nichtsnutzen es auch immer geschafft hat, einen schrammeligen, C86-typischen Garage-Popsong zu schreiben, der sich nur marginal von jedem anderen C86 Schramelpopsong unterscheidet, den du je gehört hast. Alvvays, Ex Hex, …

18: Die Band, deren Namen bei einer US-Talkrunde fällt und die, seit sie vor fünf Jahren das erste mal auf Tour gegangen ist, nie etwas anderes gemacht hat als jetzt. Der einzige Unterschied besteht darin, dass die ganzen hippen, von den Medien abgefeierten Sänger, damals noch Purity Ring gehört haben.

17: Pitchfork-tauglicher Trap.

16: Pitchfork-tauglicher Hardcore.

15: Pitchfork-taugliche Pitchfork-Musik.

14: Ah genau. Die.

13: Flying Lotus

12: An diesem Punkt treffen Menschen, die Iggy Azaleas ‘The New Classic’ aus Spaß zum Album des Jahres gewählt haben, auf Menschen, die das aus vollem Ernst getan haben. So sind übrigens auch die Nazis an die Macht gekommen

11: Unfassbarer Müll

10: Run The Jewels

9: Ätherisch. Geisterhaft. Transparent. Schimmernd. Spektral. „Erschafft ganze Welten.“ Die Platte, die alle Musikkritiker zu Thesaurus greifen lässt, damit sie ein Wort finden, das sie noch nicht als Umschreibung für „super öde und schwer verdaulich“ verwendet haben.

8: Der Straßenrapper, auf den sich das Feuilleton einigen konnte

7: Die tatsächliche Platzierung des Aphex Twin-Albums, die er der unglaublich langen Pause zwischen beiden Veröffentlichungen und den damit einhergehenden, irrational-emotionalen Reaktionen zu verdanken hat.

6: Das Rap „Partyalbum von 2014“, bei dem sich beim Anhören schauderhafte Vorstellungen darüber im Kopf breitmachen, wie die Start-Up-Elite von Berlin-Friedrichshain dazu abfeiert: Drei heruntergekommene, unterbezahlte Praktikanten in abgefahrenen 90er Jahre Klamotten, die um 1 Uhr nachts in einer heillos überteuerten Wohnung über einer Bio-Company Filiale total euphorisch zu vermeintlicher „Booty Music“ abgehen, die aus schlechten Laptop-Boxen plärrt, während irgendwelche Koksnasen im Hintergrund unablässig hirnrissige Businessideen pitchen.

Die Plätze 2 bis 5: Platten, die OK waren. Es gab niemanden, der von ihnen geschwärmt hat, aber auch niemanden, der sie nicht mochte. Sie waren schließlich der Kompromiss, mit dem alle leben können, wohingegen starke Platten, die einige leidenschaftlich geliebt, andere aber ebenso gehasst haben, letzten Endes durchgefallen sind.

Die Nummer 1: Metronomy (Intro), Aphex Twin (Spex), …And You Will Know Us by the Trail of Dead (Visions) was auch immer im Berghain lief (De:Bug), Caribou (Musikexpress), Haftbefehl (Juice), was auch immer im Berghain lief (Groove), Rolling Stones (Rolling Stone), Sia (The Gap

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