Es ist eigentlich relativ egal, ob es sich um politische Queer-Gender-Songs oder klassischen “Fick deine Mutter”-Rap handelt, die Reaktionen der letzten Jahre waren fast immer gleich. Sobald Frauen HipHop-Musik machen, können sie sich auf Unmassen von Hater-Kommentaren einstellen. Das reicht von den angeblichen ironischen “Warum reicht ihre Kette von der Küche bis ins Musikstudio”-Gags irgendwelcher Dorf-Larrys mit Samenstau, bis zu vollkommen ernstgemeinten Erklärungen, warum Frauen sich “nicht so geben sollten wie Männer”. Dieser Logik liegt die Annahme zugrunde, dass Rap dem männlichen Teil der Bevölkerung gehört und Frauen nicht alleine im Minirock in die Disco gehen sollen. Eine ziemlich abstruse Behauptung, schließlich handelt es sich um Musik und die gehört ganz bestimmt niemandem. Weder Männern, noch Frauen. Geschweige denn irgendwelchen YouTube-Ottos, die sich “ShishaBobSmokepants” nennen und wahrscheinlich ähnlich musikalisch sind wie ein Backstein.
Am Beispiel von Schwesta Ewa konnte man sehr gut beobachten, wie lange eine Künstlerin noch vor wenigen Jahren erst einmal prinzipiell einen Shitstorm erster Klasse ertragen musste, bevor sich die Pubertierenden der Republik an ihr abgearbeitet haben. Die ersten zwei Jahre kam quasi kein einziger Facebook-Post ohne dutzende Top-Kommentare wie “Die Hure soll zurück in den Puff wo sie hingehört”, oder “Was kostet die Stunde bei dir?” aus. Das Ewa sich solche Sätze durchaus auch zu Herzen nahm, konnte man einigen ihrer Interviews entnehmen. Sprüche wie diese kamen dabei nicht exklusiv von Männern, auch Frauen fühlten sich bemüßigt, sich abzugrenzen von der Rapperin. Slut-Shaming at its best. Inzwischen sieht das natürlich ganz anders aus, kaum jemand bestreitet noch die musikalischen Fähigkeiten des AON-Signings, unter Ewas Fotos findet man nur noch sehr wenige Kommentare, die sie wahllos beschimpfen und immer mehr Mädchen und Frauen sehen sie als Ermutigung, selber Musik zu machen. Bis dahin war es jedoch ein langer Weg.
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Inzwischen sieht das alles etwas anders aus. Die Zeitspanne der Ablehnung wird immer kürzer, denn wie meistens, sind Internet-Rambos auch nur Lemminge. Wird gehatet, springt man auf den Zug mit auf, kommen die ersten positiven Kommentare anderer Rapper, Journalisten und Fans, wandelt sich die Stimmung in kürzester Zeit. Neben all den üblichen Verwirrungen der Pubertät ist es nämlich auch sehr verstörend für diese Kids, wenn ihr Lieblingsrapper plötzlich genau den weiblichen MC lobt, den der World-Wide-Web-Macho (nennen wir ihn einfach weiterhin Otto) tags zuvor noch als “asoziales Bückstück” bezeichnete. Was nun? Meist wird einfach klammheimlich die Seite gewechselt. “Schwesta Ewa? Klar, die ist stabil und hängt mit dem Bira [Xatar] ab!” Die anderen machen einfach weiter mit ihrem Gesabbel. Die Qualität der Musik wird dabei meist gar nicht in Betracht bezogen—allein die Tatsache, dass dort kein Anabol-Pumper steht, führt bei einigen bereits zu Wutausbrüchen.
Gut zu beobachten ist das aktuell am Beispiel SXTN. Kurz nach erscheinen ihrer ersten Single hagelte es abwertende Kommentare und Beleidigungen am Fließband. Alles wie immer also. Bereits einige Wochen später hielten sich die positiven und negativen Kommentare die Waage, inzwischen geht der Trend ganz klar zum Abfeiern des Duos, auch wenn unter ihren Videos immer noch jede Menge Dinge stehen, die einen daran glauben lassen, dass es Menschen gibt, die von Robotern geboren wurden. Anders ist dieser lächerliche Frauenhass wirklich nicht zu erklären. Dass Geschmäcker verschieden sind, ist ebenso eine Floskel, wie wahr. Allerdings gibt es so viel schlechtere männliche MCs als schlechte Frauen am Mic, dass das Abarbeiten an den Mädels genau als das entlarvt wird, was es ist: Sexismus.
Wer trotzdem noch haten will, bringt das auch immer gern gesehene “Die können einfach nicht rappen”-Argument. Merkwürdigerweise verrät ein Blick auf das Profil dieser Rap-Experten meist, dass es sich um Anhänger von Künstlern handelt, die wahrlich nicht für ihre technischen Fertigkeiten bekannt sind, sondern sich zu 90% über Image, Optik und eben überbordende Männlichkeit definieren. Wer sich lieber eingeölte Männermuskeln anschaut, soll das ruhig tun, wir verurteilen hier niemanden.
Alles in allem lässt sich ein leicht positiver Trend feststellen, was weiblichen Rap in Deutschland betrifft. Mit SXTN und Haiyti haben es in letzter Zeit zwei neue Acts auf die Bühne geschafft, die jeweils völlig verschiedene, aber eben auch neue Stile auf die Karte gesetzt haben. In wenigen Jahren wird es überhaupt keine Diskussion mehr darüber geben, ob sie eine Berechtigung im Rap haben oder nicht. Die Lemminge werden weiter gezogen sein und sich auf das neue “Opfer” stürzen, bis sie auch hier von den Menschen übertönt werden, für die Musik nichts mit dem Geschlecht zu tun hat.
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