Es gibt nichts, was nicht geklaut wird. In München wurde ein Mann im Februar verurteilt, weil er große Mengen frischer Kalbsleber mitgehen ließ. Und in Berlin suchte die Polizei im Internet nach den Besitzern gestohlener Sex-Spielzeuge. Jetzt ist es auch in Stuttgart zu einem Vorfall gekommen, der sich einreiht in diese skurrilen Diebstähle, die uns das Jahr 2018 bereits beschert hat.
Opfer ist die Firma Hermann Paule, ein Stuttgarter Transportunternehmen. Montagnacht schlossen Diebe auf dem Firmengelände einen mobilen Lastkran kurz und machten sich davon. Der Kran der Marke Liebherr wiegt 48 Tonnen. Er ist ein rotlackiertes Ungetüm, das zwar in der Lage ist, 70 Tonnen schwere Lasten zu stemmen, auf der Straße aber nicht schneller als 55 km/h fährt. So ein Ding ist nicht unbedingt einfach zu stehlen. Noch schwerer ist es aber, damit auch unbemerkt zu entkommen. Trotzdem scheint genau das geschehen zu sein. Zwar haben Anwohner gehört, wie das Fahrzeug um 3 Uhr morgens durch die Straßen fuhr, gedacht hat sich dabei aber offenbar niemand etwas. Das berichtet die Stuttgarter Zeitung.
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Diese nächtliche Spritztour durch Stuttgart bleibt zunächst das letzte Lebenszeichen des Krans. Bis seine Besitzer auf die Idee kommen, über Facebook nach ihm zu suchen. “Bitte haltet die Augen offen!”, wendet sich das Transportunternehmen an seine Freunde. “Wir bekommen die Täter!” Fast 2.000 mal wird dieser Beitrag geteilt. Und langsam trudeln auch erste Hinweise ein. Offenbar hat der Kran trotz seiner Ausmaße Stuttgart unbemerkt verlassen und ist auf den Weg Richtung Norden.
Am Montagmorgen sichten Menschen ihn bei Herzberg am Harz, nicht weit von Göttingen und damit so ziemlich in der geografischen Mitte Deutschlands. Mehr als 400 Kilometer von Stuttgart entfernt. Schon jetzt scheint klar zu sein: Die Kran-Diebe schrecken vor nichts zurück. Sie versuchen wohl auch, das Fahrzeug unkenntlich zu machen. Das aber mit mäßigem Erfolg: “Paule-Schrift hängt in Fetzen noch dran”, heißt es auf Facebook. Zwei Tage später, am Donnerstag, wird der Kran auf einer Landstraße bei Erfurt gesehen.
Sollte dieser Hinweis stimmen, hätten die Diebe eine seltsame Route gewählt. Herzberg liegt mehr als 400 Kilometer nordöstlich von Stuttgart, Erfurt aber wieder 150 Kilometer südöstlich von Herzberg. Das fällt auch den Facebook-Nutzern auf. Eine Frau kommentiert: “Wenn er in Stuttgart entwendet wurde und dann im Harz Richtung Nordhausen und dann Richtung Sömmerda – Erfurt gesehen wurde, fährt der doch im Kreis?” Diese Rätsel machen die Facebook-Community erst richtig heiß. Man solle den Fall allen Fernfahrern per Funk melden, schlägt ein Nutzer vor. Ein anderer verspricht, die Geschichte in einer Busfahrer-only-Gruppe zu teilen.
Derweil loben die bestohlenen Transporteure 5.000 Euro Finderlohn für den Retter ihres Krans aus. Als wäre der Rausch an der Jagd nach entwendetem Schwergerät nicht Motivation genug. Die Polizei, die ja eigentlich verantwortlich ist für derartige Verfolgungsjagden, mag sich zu dem laufenden Verfahren nicht äußern, lässt aber wissen: Nach dem Kran wird europaweit gefahndet. Und trotzdem bleibt der Wagen verschwunden.
Dafür werden auf Facebook mehr und mehr Menschen auf den Fall aufmerksam. Und alle haben etwas zu sagen. Da sind die Hobbydetektive, die den Fall vom Laptop aus glasklar analysieren: “Offensichtlich wird das Gerät nur in den Nachtstunden bewegt… bzw frühen Morgenstunden…. Was auf Grund der Größe… der auffälligkeit auch… auch aus dem Umstand…. heraus sehr logisch ist……” [sic!] Andere wollen dem Stuttgarter Unternehmen aber auch einfach ihr Mitgefühl ausdrücken. So ein Kran, das geht dem deutschen Technikliebhaber schon zu Herzen. “Wünsche euch, dass ihr euer Baby bald zurück bekommt.”
Wie es sein kann, dass der Kran andauernd gesichtet wird und niemand ihm folgt, oder warum die Polizei es nicht schafft, ein Gefährt zu schnappen, dessen Spitzengeschwindigkeit gerade einmal 55 km/h beträgt, dazu finden sich auch auf Facebook keine Antworten. Vielleicht handelt es sich ja bei der ganzen Aktion auch um einen besonders aufwendigen PR-Gag des Transportunternehmens, das in diesem Monat sein 100jähriges Jubiläum feiert. Vier Tage lang ist der Kran inzwischen unterwegs und die Rätsel, die seine Fahrt aufgibt, werden nicht weniger. Ein Sprecher von Hermann Paule sagte VICE: “Wir werden die Hoffnung auf jeden Fall nicht aufgeben.”