“Ein Pferd zu essen, ist, wie dein eigenes Kind zu essen.” Dieses Zitat stammt von einem US-amerikanischen Pferdeliebhaber, den Heleen Peeters auf einer ihrer vielen Reisen traf. Die belgische Fotografin stammt selbst aus einer Familie, die Geld mit dem Verkauf von Pferdefleisch verdient.
In einigen Kulturen gelten Pferde als edle Geschöpfe, die in Kinderzimmern auf Postern angehimmelt werden, in anderen landen sie regelmäßig auf dem Teller – und das nicht nur unfreiwillig in der Form von Tiefkühllasagne. Aber es gibt auch viele Länder, in denen Pferde gleichzeitig verehrt und verzehrt werden. Peeters haben diese Unterschiede immer fasziniert und letztendlich dazu motiviert, zehn Länder auf vier Kontinenten zu besuchen, um den unterschiedlichen Umgang mit Pferden fotografisch zu dokumentieren.
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Peeters weiß sehr gut, wie emotional Menschen auf dieses Thema reagieren. Ihr Großvater war der Gründer von Equinox, einem Pferdefleischvertrieb in der Nähe von Antwerpen. Auch ihr Vater hat dort gearbeitet. Wir haben mit Peeters darüber gesprochen, wie die Fabrik ihre Kindheit, ihre Beziehung zu Pferden und ihr Buch Horse beeinflusst hat.
VICE: Wie war es, in einer Familie aufzuwachsen, die Pferdefleisch verkauft?
Heleen Peeters: Ich bin in einem kleinen Dorf aufgewachsen, in dem jeder jeden kennt. In der Regel musste ich also nicht erklären, was mein Vater macht. In meiner Reitschule war das schon mehr ein Thema. Die ersten paar Wochen Reitstunden waren super, aber als mein Lehrer herausfand, dass meine Familie Pferdefleisch verkauft, durfte ich nur noch ein Pony reiten, das ganz hinten laufen musste, weil es die anderen Ponys trat. Meine Reitkarriere dauerte dann auch nicht sehr lange.
Hast du deine Familie in dein Fotoprojekt einbezogen?
Mein erstes Ziel war Kirgisistan. Zwei Wochen nach meiner Ankunft dort bekam ich einen Anruf von meinem Vater. Er war neugierig, was ich über den lokalen Umgang mit Pferdefleisch erfahren hatte. Als wir uns darüber unterhielten, war er irgendwann so begeistert, dass er sich sofort einen Flug nach Bischkek buchte, die Hauptstadt, um mich auf dem Rest des Trips zu begleiten.
Danach ist er bei allen Reisen mitgekommen und war eine große Hilfe. Die Pferdefleischindustrie wird in den Medien oft negativ dargestellt, aber aufgrund unseres Backgrounds vertrauten uns die Metzger und Schlachthäuser.
Es war wirklich etwas Besonderes, mit meinem Vater zu reisen. Auf unseren Reisen erzählte er mir Geschichten von meinem Großvater und dem Familiengeschäft. Damals war ich die einzige in der Familie, die nicht in der Firma gearbeitet hat. Das hat mir also geholfen, etwas mehr mit dieser Welt in Verbindung zu kommen.
In deinem Buch schreibst du, dass Menschen seit der Eiszeit Pferdefleisch essen. Wann ist das zu einem Tabu geworden?
Funde von Pferdeknochen nahe der französischen Stadt Solutré und Malereien in den Höhlen von Lascaux zeigen, dass die Menschen in der Eiszeit Pferde jagten. Sie waren für viele alte Zivilisationen eine wichtige Nahrungsquelle.
Das Tabu um Pferdefleisch hat religiöse Gründe. Papst Gregor III. verbot 732 den Verzehr von Pferdefleisch, die Gründe dafür sind unbekannt. Manche sagen, dass es darum ging, heidnische Rituale der Germanen zu unterbinden, die an religiösen Feiertagen Pferde opferten und aßen. Andere sagen, dass er die Pferde vorm Schlachter bewahren wollte, weil er die Tiere für seine Truppen im Kampf gegen die Langobarden benötigte. Jedenfalls hat Pferdefleisch seitdem einen schlechten Ruf.
Isst du Pferdefleisch?
Ich esse nicht so oft Fleisch, aber ab und zu esse ich schon Pferd. Aufgrund meiner Erziehung ist das für mich das Normalste auf der Welt.
Pferdefleisch ist eine sichere Wahl, weil es immer ein nachhaltiges Produkt ist. Pferde werden nicht fürs Fleisch gezüchtet. Je älter das Pferd, desto besser das Fleisch. Bei Rind ist das genau andersherum, weil das Fleisch jüngerer Tiere zarter ist. Pferde werden außerdem als Freizeittiere gezüchtet und die meisten haben ein gutes Leben, bevor sie im Schlachthaus enden.
In den USA ist Pferdefleisch so verpönt, dass dort seit 15 Jahren Pferdeschlachtereien illegal sind. Was passiert jetzt mit den amerikanischen Pferden, wenn sie sterben?
In den USA können Pferde nicht geschlachtet werden, aber sie können gekauft und in andere Länder gebracht werden, wo das Schlachten noch erlaubt ist. Sogenannte “Kill Buyer” kaufen die Tiere auf Nutztiermärkten, dann werden die Pferde nach Mexiko oder Kanada gebracht, wo man sie schlachtet. Es landen also noch viele US-Pferde im Schlachthaus, halt über einen Umweg.
Natürlich gibt es auch Pferdebesitzer, die sich weigern, ihre Tiere an diese Kill Buyer zu verkaufen. Viele von ihnen können sich aber aus verschiedenen Gründen selbst nicht mehr um ihre Tiere kümmern. Die Gnadenhöfe sind überall voll, die haben keinen Platz mehr für neue Tiere. Manche lassen ihre Pferde dann einfach frei. Das Internet ist voll mit Geschichten von zurückgelassenen Tieren – manche werden an öffentlichen Plätzen abgestellt, andere in fremden Pferdeanhängern.
Neben vielen anderen Orten warst du auch in Kirgisistan. Wie geht man dort mit Pferden um?
In Kirgisistan sind Pferde ein Symbol für Wohlstand. Die Tiere sind teuer und werden zum Beispiel für den Transport und die Produktion von Milchprodukten eingesetzt. Außerdem haben fast alle beliebten Sportarten in Kirgisistan mit Pferden zu tun. Weil sie so wichtig für die Menschen dort sind, ist ihr Fleisch teuer. Pferdefleisch kommt dort nur zu besonderen Anlässen auf den Tisch, wie zum Beispiel zur Geburt eines Babys, einem wichtigen Geburtstag oder einer Hochzeit.
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