Jung Mutter zu werden, ist eine ziemlich extreme Angelegenheit. Zumindest wenn man der öffentlichen Darstellung von jungen Müttern glauben mag: irgendwo zwischen Idealisierung auf Instagram und Stereotypisierung im Trash-TV.
Die Fotografin Lucia Jost stellt sich mit ihrem Projekt “Motherhood – A Mother’s Hood” gegen diese Ideale und Stereotype. Auf ihren Fotos zeigt sie Frauen mit ihren Kindern fernab der Klischees und lässt die jungen Mütter in ihrem gewohnten Umfeld authentisch wirken.
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“Immer mehr Leute in meinem Umfeld haben Kinder bekommen. Und plötzlich passte dieses Bild der Teenie-Mum nicht mehr. Alle jungen Mütter, die ich kenne, sind so unglaublich selbstbestimmte junge Frauen”, sagt sie. “Ich habe enormen Respekt für diese Frauen und die Beziehung zwischen Mutter und Kind.”
Wir haben mit den fotografierten Frauen gesprochen und sie gefragt, wie es wirklich für sie war, jung ein Kind zu bekommen.
Yahel, 22, und Ariel, 3
Wenn ich ans Muttersein denke, habe ich stets meine Mama vor Augen, die uns vier sehr liebevoll umsorgt hat. Bis heute ist sie die stärkste Frau, die ich kenne. Bevor ich Mutter wurde, wusste ich, dass Muttersein das Erfüllendste auf der Welt sein muss. Eine Lebensaufgabe. Jetzt, da ich Mutter bin, sehe ich das immer noch so. Aber auch wenn mein Kind bei allem die Priorität ist, muss ich mich selbst auch als solche sehen. Man ist nicht nur Mutter, das ist wichtig. Bevor ich Mutter wurde, hätte ich gerne gewusst, dass es anders ist als in den Filmen, dass man Zweifel und Ängste haben wird, was einen aber nicht zu einer schlechten Mutter macht, sondern nur menschlich.
Es war schwierig, so früh Mutter zu werden. Erwachsen zu werden, während ich die volle Verantwortung für einen kleinen Menschen trage, war mit Abstand das Langwierigste und Schwerste in meinem Leben bisher. Denn es gibt wenig Raum für Fehler. Ich bin so stolz darauf, eine junge Mutter zu sein.
Jada, 25, und Naima, 2
Als junge, getrennterziehende Mutter und Künstlerin hatte ich schon oft das Gefühl, mich in meiner Selbstverwirklichung lieber etwas mehr zurückzunehmen, um nicht als “verrückte” oder “schlechte” Mutter rüberzukommen. Das Klischee der konventionellen, aufopfernden Mutter hatte sich mehr in meinem Kopf eingenistet, als mir eigentlich lieb war. Der Austausch mit anderen kreativen, jungen Müttern tut mir gut, um mich in meiner Identität bestärkt und nicht alleine zu fühlen.
Naemi, 19, und Kalim, 1
Ich habe eine große Familie mit sechs Geschwistern. Meine Schwester hat auch schon zwei Kinder. Dadurch habe ich schon sehr viel miterlebt. Mein Umfeld konnte sich mich als Mutter gut vorstellen. Meine beste Freundin meinte auch, dass sie schon immer gewusst hätte, dass ich früh Mutter werde. Im Nachhinein würde ich mir wünschen, dass ich meinen Sohn gemeinsam mit seinem Vater großziehen könnte und nicht in so jungen Jahren schon alleinerziehend bin. Aber umso stolzer bin auf meinen Sohn und mich.
Auf dem Spielplatz höre ich oft: “Du bist aber jung.” Ich finde aber, dass ich einfach Mutter bin. Ich bin nicht unbedingt eine junge Mutter. Ich bin genauso Mutter wie jede andere, ohne dass man betonen muss, dass ich jung bin. Das beste am Muttersein ist das Gefühl, wenn ich neben dem Kleinen aufwache und er mich anschaut. Er macht mich einfach unglaublich glücklich.
Paula, 23, und Elio, 2
Ich habe erfahren, dass ich schwanger bin, als ich von Silvester nach Hause kam. Das war ein ganz besonderer Start ins Jahr 2018. Ich stand völlig unter Schock. Nach ein bis zwei Wochen stand fest, dass ich Mama werden möchte. Es war ein Gefühl. In so einer Situation gibt es kein Richtig oder Falsch. Bevor ich Mutter geworden bin, hatte ich ein wunderschönes Bild vom Muttersein. Es ist geprägt von bedingungsloser Liebe und einer ganz besonderen Bindung. Allerdings hatte ich schon immer großen Respekt vor Müttern. Weil ich nicht wusste, was es wirklich bedeutet Mutter zu sein und was auf einen zukommt. Ich hatte schon immer ein großes Glücksgefühl, wenn ich daran gedacht habe selbst irgendwann eine Mutter zu sein.
Den Punkt der bedingungslosen Liebe kann ich jetzt nur bestätigen. Vonseiten des Kindes und auch aus der Sicht einer Mama. Allerdings möchte ich es nicht zu sehr beschönigen. Die Entscheidung, Mutter zu werden, hat mein ganzes Leben für immer auf den Kopf gestellt. Mutter zu sein, heißt nicht nur Liebe und Erfolg zu ernten, sondern hart dafür zu arbeiten. Und auch dann zu funktionieren, wenn man beispielsweise eine traumatische Geburt hinter sich hat oder eine schwere Trennung durchlebt. In diesen Phasen heißt Muttersein, sich selbst zurückzustellen und weiterzumachen.
Egal, in welcher Phase man als Mutter steckt, die Gesellschaft erwartet sehr viel von einem. Vor allem glücklich und dankbar zu sein. Dabei steht es einem auch manchmal zu, traurig, wütend oder verzweifelt zu sein. Im Endeffekt sind wir auch nur Menschen. Trotzdem kann ich sagen, dass es die beste Entscheidung meines Lebens war, dieses ungeplante Glück anzunehmen.
Update, 1. Juni 2021, 14:39 Uhr: Aufgrund einer rechtlichen Entscheidung haben wir nach der Veröffentlichung ein Foto aus dem Artikel entfernt.